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# taz.de -- Unternehmer gegen Künstlersozialkasse: Soziale Verantwortung abgeb…
> Unternehmen greifen erneut die Künstlersozialkasse an. Viele Journalisten
> und andere Kreative sind auf diese Absicherung aber angewiesen.
Bild: Kreative in einem Berliner Coworking Space. Finanzielle Puffer fehlen vie…
Berlin taz | Wie ausgedehnt der Kreis der Kreativen inzwischen ist, der für
Krankheit und Alter über die Künstlersozialkasse (KSK) vorsorgen kann,
sorgt an den Stammtischen der Szene immer wieder für Belustigung. Ein
Berliner Rechtsanwalt brüstet sich etwa damit, dass er es geschafft hat,
mehrere Prostituierte in das System einzuschleusen – immerhin sei der
regelmäßige Tanz an der Stange ja auch ein künstlerisches Element.
Tatsächlich wächst der Kreis der KSK-Mitglieder seit Jahren teils
dramatisch, von knapp 82.000 Begünstigten vor 20 Jahren auf heute gut
184.000. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Digitalisierung: Mehr
Menschen machen „was mit Medien“, ob nun als Designer oder Schreiber.
Außerdem rufen Konzerne Kreativität heute gerne in der „Cloud“ ab, bei
Freischwebenden. Feste Schreibtische bieten die, die Kreativität verwalten,
ungern an.
Werbeagenturen und Medienkonzerne attackieren nun das Privileg der
Sozialversicherung via KSK – mal wieder. Immerhin müssen sie, wenn sie
KünstlerInnen beschäftigen, die KSK mitfinanzieren. Am Ende zahlen
Versicherte – ähnlich wie klassische ArbeitnehmerInnen – die Hälfte der
Beiträge in die staatliche Renten- und gesetzliche Krankenversicherung, den
Rest AuftraggeberInnen und SteuerzahlerInnen.
Zuletzt hat das System insgesamt 975 Millionen Euro im Jahr umgeschlagen:
50 Prozent kamen von KünstlerInnen, 30 Prozent von AuftraggeberInnen und 20
Prozent aus dem Bundeshaushalt. Dieser Mix sorgt überhaupt erst dafür, dass
viele Kreative irgendwie über die Runden kommen: Zuletzt haben die
KSK-Versicherten im Schnitt ein Einkommen von nicht einmal 16.000 Euro
gemeldet – im Jahr. Sich komplett selbst zu versichern können sich viele
bei derart überschaubaren Einkünften nicht leisten.
## Ein Dorn im Auge
Seit ein paar Tagen sorgt ein Papier der hessischen Unternehmensverbände
für Unruhe: Pro abgeführtem Euro falle bei den AuftraggeberInnen ein
weiterer Bürokratie-Euro an. [1][In der FAZ] forderte deshalb ein
Verbandsvertreter: KSK vereinfachten oder abschaffen!
Letztlich wird die Wirtschaftslobby vor allem davon träumen, dass die
Künstlersozialkasse ihr Ende findet. Sie stellt sich nämlich vor, dass die
KünstlerInnen die Arbeitgeberzuschüsse einfach nur in Rechnung stellen und
selbst abführen, so wie das bei der Umsatzsteuer auch läuft. Das ist jedoch
für KünstlerInnen riskant: Was, wenn sie zwar Honorar bekommen,
AuftraggeberInnen aber nicht von der Zuschusspflicht überzeugt sind, die
KSK dann aber von den Kreativen doch Beiträge einfordert? Ein finanzieller
Puffer fehlt vielen.
Das von der Wirtschaftslobby vorgeschlagene Modell wirkt so nicht nur mäßig
brauchbar, sondern ist auch eine reichlich durchschaubare Masche:
Kreativkonzerne wollen Kreative nicht nur möglichst bequem austauschen
können – und deshalb frei beschäftigen. Sie wollen auch mit deren sozialer
Versorgung möglichst wenig zu tun haben – weil die Kreativen schließlich
ihre eigenen Unternehmer seien. Das Motto der Kreativkonzerne:
Verantwortung und die damit einhergehende Kontrolle ist uns zu lästig.
## Mehr Kontrollen schaffen feste Arbeitsplätze
Das überrascht wenig, denn inzwischen hat sich gezeigt: Eine effiziente
Kontrolle der Sozialversicherungspflicht, die mit dem KSK-Modell
einhergeht, schafft echte Arbeitsplätze für Kreative. Seit bald zehn Jahren
ist die Deutsche Rentenversicherung dafür zuständig, die KSK zu überwachen.
Seit sie mehr und strenger als bisher prüft, ob KünstlerInnen und ihre
AuftraggeberInnen sauber arbeiten, wandeln sich vor allem in der
Verlagsbranche die Beschäftigungsmodelle.
Diverse Zeitungs- und Onlineredaktionen haben in den vergangenen Monaten
viele JournalistInnen und andere Kreative angestellt, die sie bislang allzu
freizügig als FreiberuflerInnen deklariert und das System KSK damit über
alle Maßen beansprucht hatten ([2][die taz hat ausführlich über die
Leiharbeiter des Journalismus berichtet]). Da leuchtet ein, dass
Unternehmen das Kontrollrisiko und dafür die Prüfung der Abgabenpflicht
outsourcen wollen. Sozial ist das allerdings nicht.
4 Sep 2016
## LINKS
[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kuenstlersozialversicherung-verursach…
[2] /Problem-Scheinselbststaendigkeit/!5210276
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Künstlersozialkasse
Freie
Rentenversicherung
Verlagswesen
Kreativwirtschaft
Techniker Krankenkasse
Journalismus
Reform
Kreativwirtschaft
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