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# taz.de -- Grünen-Anfrage im Bundestag: „Sichere Herkunftsstaaten“ prüfen
> Am Beispiel Ghana kritisieren die Grünen die Asylpolitik und
> Einstufungspraxis. Das Land müsse von der Liste der sicheren Staaten
> gestrichen werden.
Bild: September 2015: Angela Merkel und eine Delegierte aus Ghana bei einer UN-…
Berlin taz Die Grünen im Bundestag fordern eine „kontinuierliche
Beobachtung der menschenrechtlichen Lage“ in den von Deutschland als
„sichere Herkunftsstaaten“ eingestuften Heimatländern von Asylsuchenden. In
einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung, deren Antwort der taz
vorliegt, erinnert die grüne Bundestagsfraktion an die seit 2015 geltende
gesetzliche Verpflichtung, „alle zwei Jahre einen Bericht darüber
vorzulegen, ob die Voraussetzungen für die Bestimmung der ‚sicheren
Herkunftsstaaten‘ weiterhin vorliegen“.
Mit einem detaillierten Fragenkatalog zu Ghana, „sicheres Herkunftsland“
seit 1993, wollen die Grünen nun die Notwendigkeit davon unter Beweis
stellen: Die Menschenrechtslage in Ghana sei „äußerst problematisch“, so
die Sprecher für Migrations- und Flüchtlingspolitik, Volker Beck und Luise
Amtsberg: „Ghana ist kein sicherer Herkunftsstaat und muss von der Liste
gestrichen werden.“
Im Einzelnen bestätigt die Bundesregierung in ihren Antworten die in Ghanas
Gesetzgebung verankerte Verfolgung von Schwulen und Lesben, wonach
einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen unter Strafe stehen. Das
gesetzliche Verbot der Genitalverstümmelung werde ebenso wenig durchgesetzt
wie das der Kinderversklavung. Bestätigt werden Menschenrechtsverletzungen
an psychisch Kranken ebenso wie Missstände im Strafvollzug oder
Diskriminierung von Menschen mit HIV/Aids.
Diese Zustände sind zwar keine politische Verfolgung – Ghana gilt als
stabile Demokratie mit Meinungs- und Pressefreiheit. Sie können aber
Abschiebehindernisse darstellen. Bei „sicheren Herkunftsstaaten“ werden sie
seltener berücksichtigt, so Experten. Im Jahr 2014 beantragten nach
amtlichen Angaben 1.171 Ghanaer in Deutschland Asyl – es fielen 643
Entscheidungen, davon 632 Ablehnungen. Elf durften bleiben.
## Homosexualität illegal – das genügt nicht
Einer davon war als Kind aus der Elfenbeinküste während des dortigen
Bürgerkrieges ausgereist, seine Eltern waren tot und er hatte keine Familie
in Ghana mehr: Asyl erhielt er nicht, aber das Verwaltungsgericht
Gelsenkirchen bescheinigte ihm eine „chronische posttraumatische
Belastungsstörung“ und lehnte eine Abschiebung ab, weil „psychisch kranke
Menschen in Ghana unter schwerer Stigmatisierung leiden“.
Aber das Verwaltungsgericht Düsseldorf lehnte kurz vorher den Asylantrag
eines Ghanaers ab, der Homosexualität geltend gemacht hatte: Dass
Homosexualität unter Strafe stehe, genüge nicht, sondern es sei
„erforderlich, dass diese Strafe auch tatsächlich in der Praxis verhängt
wird“. Der Antragsteller könne nicht behaupten, dass staatliche Stellen in
Ghana ihn nicht schützen würden, wenn er sich nicht um staatlichen Schutz
bemüht habe – kein Wunder allerdings, wenn Homosexualität unter Strafe
steht.
Zum Zeitpunkt der Einstufung Ghanas als „sicherer Herkunftsstaat“ im Jahr
1993 war Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung noch kein
Asylgrund. Dass Flüchtlinge heute aus Gründen anerkannt werden können, die
früher ignoriert wurden, müsse bei der Überprüfung Ghanas und anderer
Länder berücksichtigt werden, so die Grünen: „Jedenfalls hat sich der
flüchtlingsrechtliche Rahmen geändert.“
## Kritik von Menschenrechtsorganisationen
Zu ähnlichen Schlüssen waren die Grünen bereits im Juni im Fall Senegal
gekommen, dem anderen als „sicherer Herkunftsstaat“ geltenden Land in
Afrika. Dort bestätigte die Bundesregierung 58 Festnahmen wegen
gleichgeschlechtlicher Handlungen seit 2011, dazu Polizeigewalt gegen
Oppositionelle unter dem 2012 abgewählten Präsidenten Abdoulaye Wade.
Neben Ghana und Senegal stuft Deutschland alle EU-Mitglieder, die nicht zur
EU gehörenden ehemaligen Bestandteile Jugoslawiens sowie Albanien als
„sichere Herkunftsstaaten“ ein. Die von der Regierung geplante Erweiterung
der Liste um Algerien, Marokko und Tunesien bleibt umstritten und ist noch
nicht erfolgt.
Dass Deutschland entgegen der entsprechenden EU-Richtlinie keine
regelmäßige Überprüfung der Lage in den „sicheren Herkunftsstaaten“
vornimmt, wird regelmäßig von Menschenrechtsorganisationen kritisiert.
Deutschland hat diese Überprüfungen erst 2015 gesetzlich festgeschrieben;
sie stehen somit 2017 an. Man wolle nun versuchen, „die Messlatte hoch zu
legen“, heißt es aus Kreisen der Grünen.
18 Aug 2016
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Asylpolitik
Bundesregierung
Kleine Anfrage
Bündnis 90/Die Grünen
Ghana
Schwerpunkt Flucht
migControl
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Peter Altmaier
Winfried Kretschmann
Schwerpunkt Flucht
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