| # taz.de -- Kampf um Anerkennung von Intersexualität: Kein drittes Geschlecht | |
| > Vanja findet, er*sie sei weder weiblich noch männlich – und zieht durch | |
| > alle gerichtlichen Instanzen, um sich im Ausweis „inter/divers“ eintragen | |
| > zu lassen. | |
| Bild: Zieht nun für ihren*seinen Kampf für die „Dritte Option“ vor das Bu… | |
| Hamburg taz | Im Kampf für eine dritte Option jenseits der | |
| Geschlechtseinträge „männlich oder weiblich“ ist Vanja vor dem | |
| Bundesgerichtshof (BGH) gescheitert. Vanja kämpft seit Juli 2014 dafür, | |
| seinen*ihren Eintrag im Geburtenregister von „weiblich“ auf „inter/divers… | |
| zu ändern. Eine Gruppe von Unterstützer*innen begleitet das Vorgehen mit | |
| der Kampagne „Dritte Option“. Angefangen haben sie den Weg durch die | |
| gerichtlichen Instanzen vor dem Standesamt Gehrden bei Hannover. Nachdem | |
| nun der Bundesgerichtshof die Klage zurückwies, kündigten Vanja und die | |
| „Dritte Option“ an, am 2. September eine Verfassungsbeschwerde | |
| einzureichen. | |
| Vanja hatte zur Begründung des Antrags eine Chromosomenanalyse vorgelegt – | |
| er*sie sei weder Mann noch Frau, schrieb Vanja in dem Antrag. Bei der | |
| Geburt 1989 hatten Vanjas Eltern ihn*sie als Mädchen eintragen lassen. „Ich | |
| bin jedoch keine Frau“, teilte Vanja dem Standesamt mit, das in Sachen | |
| Personenstandsrecht zuständig ist. „Aber auch eine Änderung des Eintrags, | |
| dass ich ein Mann bin, würde nicht der Wahrheit entsprechen. Einzig ein | |
| alternativer Eintrag würde den Tatsachen entsprechen.“ | |
| Das Standesamt sah sich nicht in der Lage, darüber zu entscheiden, und gab | |
| den Fall an das Amtsgericht Celle. Dies entschied, dass eine dritte Option | |
| nach geltendem Recht nicht möglich ist. Ebenso urteilte das | |
| Oberlandesgericht in Hannover und nun auch der Bundesgerichtshof in | |
| Karlsruhe. Höchstens das Aussparen des Geschlechtsantrags komme infrage: | |
| Seit November 2013 können Eltern den Geschlechtseintrag des Kindes leer | |
| lassen, wenn das Geschlecht nach der Geburt nicht eindeutig zuzuordnen ist | |
| – dies ist auch rückwirkend möglich. | |
| Mit diesem Zugeständnis erkennt der Gesetzgeber an, dass es Menschen gibt, | |
| die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen können oder wollen – das | |
| bestätigte auch der Bundesgerichtshof in der Begründung des Urteils. Dort | |
| steht, dass es die Menschenwürde in Verbindung mit dem allgemeinen | |
| Persönlichkeitsrecht gebiete, die selbst empfundene Geschlechtsidentität | |
| jedes Menschen anzuerkennen und ihm damit zu ermöglichen, „entsprechend | |
| seines empfundenen Geschlechts leben zu können“. | |
| Allerdings, so sieht es die „Dritte Option“, seien damit nur die | |
| Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht von Transsexuellen gewahrt – | |
| nicht das von Intersexuellen. Das will der BGH aber auch gar nicht: „Wie | |
| sich den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen lässt, entspräche die Schaffung | |
| eines weiteren Geschlechts auch nicht dem Willen des Gesetzgebers“, steht | |
| in der Begründung. Denn: „Anders als bei der Zuordnung zu einem schon | |
| bestehenden Geschlecht wären durch die Schaffung eines weiteren Geschlechts | |
| staatliche Ordnungsinteressen in weitaus erheblicherem Umfang betroffen.“ | |
| Welche staatlichen Ordnungsinteressen gemeint sind, führt der BGH nicht | |
| aus. Auch Pressesprecherin Yvonne Ott kan nur mutmaßen, wie das gemeint | |
| ist: Man könne die Regel ja nicht ausschließlich im Personenstandsrecht | |
| ändern – schließlich sei das gesamte Rechtssystem auf eine binäre | |
| Geschlechterordnung ausgerichtet. Man müsste dann alle Bereiche ändern. | |
| Kurz gesagt: „Man kann nicht im Personenstandsrecht die Welt verändern.“ | |
| Scheitert die gesetzliche Gleichstellung von Intersexuellen also daran, | |
| dass sie der Legislative und der Judikative zu viel Arbeit bescheren würde? | |
| Das wird wohl das Verfassungsgericht entscheiden müssen. Die Begründung | |
| kommt Moritz Schmidt verständlicherweise schwach vor. Außerdem, sagt er, | |
| bestehe die Notwendigkeit, die Gesetze zu überarbeiten ja ohnehin wegen der | |
| Möglichkeit, den Geschlechtseintrag leer zu lassen. „Was passiert, wenn | |
| eine Person ohne Geschlechtseintrag heiraten will? Oder Kinder adoptieren?“ | |
| Auch deshalb rechnet er sich gute Chancen aus, dass Vanja vor dem | |
| Verfassungsgericht Recht bekommt. Ohnehin seien sie nicht davon | |
| ausgegangen, bei einer früheren Instanz erfolgreich zu sein. | |
| 7 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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