# taz.de -- Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Dritte Option neben Mann u… | |
> Die intersexuelle Person Vanja erreicht die Anerkennung eines „weiteren | |
> Geschlechts“. Der Bundestag hat bis Ende nächsten Jahres Zeit, das | |
> umzusetzen. | |
Bild: Welches Geschlecht? Nun gibt es die dritte Option neben Frau und Mann | |
KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht hat [1][anerkannt], dass es | |
eine „dritte Möglichkeit“ geben muss, sich zwischen den Geschlechtern | |
„männlich“ und „weiblich“ zu verorten. Erfolg hatte damit die | |
Verfassungsbeschwerde einer Person, die sich „Vanja“ nennt. Die Richter | |
sprechen nicht von einem „dritten Geschlecht“, sondern von einem „weiteren | |
Geschlecht unter einer einheitlichen dritten Bezeichnung“. | |
Vanja wurde 1989 geboren. Im Geburtsregister wurde Vanja als Mädchen | |
eingetragen. Als die Pubertät ausblieb, wurde festgestellt: Vanja hat eine | |
ungewöhnliche Chromosomen-Konstellation, zwischen Mann und Frau. Zunächst | |
nahm Vanja Östrogen, also weibliche Sexualhormone, um fraulicher | |
auszusehen. Doch auf Dauer fühlte Vanja sich damit nicht wohl. Seit einigen | |
Jahren nimmt Vanja Testosteron, das männliche Sexualhormon, und trägt jetzt | |
einen Bart. Vanja wählte für öffentlichen Auftritte mit Bedacht einen | |
Vornamen, der je nach Kulturkreis männlich oder weiblich verstanden wird. | |
Vanja sieht sich nach wie vor nicht als Frau und nicht als Mann. | |
Mit Unterstützung der Kampagne „Die dritte Option“ versuchte Vanja, den | |
Eintrag im Personenstandsregister zu ändern. Statt „weiblich“ sollte dort | |
„inter/divers“ oder nur „divers“ stehen. Eine dritte Möglichkeit ist a… | |
weder in den Formularen noch im Gesetz vorgesehen. Deshalb scheiterte Vanja | |
zunächst in allen Instanzen, zuletzt 2016 beim Bundesgerichtshof. | |
Der Gesetzgeber hatte allerdings zwischenzeitlich reagiert und das | |
Personenstandsgesetz geändert. Seit 2013 heißt es dort: „Kann das Kind | |
weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so | |
ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister | |
einzutragen.“ | |
Das Bundesverfassungsgericht hält diese Reform nicht für ausreichend. | |
Menschen wie Vanja hielten sich schließlich nicht für geschlechtslos. | |
Erforderlich sei eine „dritte Möglichkeit“, ein Geschlecht neben Mann und | |
Frau einzutragen. Das Personenstandsgesetz sei in der bisherigen Form | |
verfassungswidrig. | |
## Selbstbestimmte Entwicklung gefährdet | |
Der Personenstand sei „keine Marginalie“, erklären die Richter, sondern | |
zentral für die rechtlich relevante Identität einer Person. Wenn die | |
rechtliche Anerkennung der geschlechtlichen Identität verweigert wird, | |
gefährde dies eine selbstbestimmte Entwicklung. Das Grundgesetz schreibe | |
auch keineswegs vor, dass es nur zwei Geschlechter geben dürfe. Im | |
Gegenteil: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze auch die sexuelle | |
Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem | |
weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Und wenn es im Grundgesetz heiße: | |
„Niemand darf wegen seines Geschlechts (…) benachteiligt werden“, dann sei | |
damit auch ein weiteres Geschlecht neben Mann und Frau gemeint. | |
Nun muss der Bundestag bis zum 31. Dezember 2018 eine Neuregelung | |
beschließen. Bis dahin ist das alte Recht nicht mehr anwendbar. | |
Gerichtsverfahren wie das von Vanja sind auszusetzen. Der Gesetzgeber hat | |
nun zwei Möglichkeiten, das Personenstandsgesetz nachzubessern. Entweder er | |
verzichtet völlig auf die Zuordnung zu Geschlechtern oder er räumt eine | |
zusätzliche Möglichkeit ein, positiv ein Geschlecht zu bestimmen, „das | |
nicht männlich oder weiblich ist“. Auch den Namen dieser Option müsste der | |
Bundestag dann festlegen. | |
Die Richter betonen, dass eine Neuregelung niemandem etwas wegnehme. | |
Weiterhin könnten sich intersexuelle Personen auch als Mann oder Frau | |
registrieren lassen, falls sie sich so fühlen, oder auf eine | |
Geschlechtszuordnung verzichten. | |
Eine neue Option werde zwar in der Verwaltung für gewissen „Mehraufwand“ | |
sorgen. Es stellten sich jedoch die gleichen Zuordnungsprobleme wie bei der | |
geltenden Rechtslage, die ja bereits den Verzicht auf eine | |
Geschlechtsangabe erlaube. | |
8 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-BVerfG--Geschlechtervielfalt/!5461482 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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