Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jobcenter Bremen schickt Geld zurück: Wenn das Geld im Topf bleibt
> Förderung in zweistelliger Millionenhöhe lassen die Jobcenter der
> Arbeitslosigkeitshochburgen Bremen und Bremerhaven 2016 laut Prognose
> liegen.
Bild: Wo das Geld hinmuss ist klar, nur wie steht nicht fest: Wegweiser ins Job…
BREMEN taz | Sie scheinen es ja zu haben: Die Jobcenter in Bremen und
Bremerhaven könnten so wenig Geld benötigen, dass sie Ende des Jahres
Millionen an den Bund zurückzahlen müssen. Voraussichtlich fließen 14,6
Millionen Euro nicht genutzter Mittel zur Förderung, Weiterbildung und
Wiedereingliederung arbeitsloser Menschen – sogenannte „Mittel des
Eingliederungstitels“ (EGT) – nach Berlin zurück.
Auf diese Zahlen kommt man, wenn man die Ausschöpfung der EGT-Mittel,
Stand: 4. Juli, aufs ganze Jahr hochrechnet. Diesen hatte der Bremer
Senator für Arbeit und Wirtschaft für die Sitzung der Wirtschaftsdeputation
am kommenden Mittwoch vorgelegt. Demnach hat das Jobcenter Bremen mit 85
Prozent eine Ausschöpfungsquote leicht oberhalb des prognostizierten
Bundesdurchschnitts. Dafür liegt Bremerhaven mit rund 60 Prozent
Ausschöpfung deutlich darunter.
## Neuer Negativrekord
Sollten sich diese Zahlen am Jahresende bestätigen, wäre das ein neuer
Negativrekord. Bereits in den Jahren 2012 und 2014 hatten die beiden
Jobcenter Fördermittel an den Bund zurückzahlen müssen. Allerdings lag die
Ausschöpfungsquote in beiden Jahren bei über 80 Prozent. Das
Wirtschaftsressort hat vor vier Jahren Konsequenzen gezogen und das
Ausgeben dieses Geldes engmaschiger kontrolliert – ohne Erfolg, wie es
scheint. Insgesamt dürften mehr als 20 Prozent der Bundesmittel, die nach
Bremen geflossen sind, in diesem Jahr ungenutzt bleiben.
„Erschütternd“ findet das Claudia Bernhard, arbeitsmarktpolitische
Sprecherin der Bremer Linksfraktion, „und angesichts der Arbeitslosenzahlen
im Land Bremen geradezu peinlich.“ Auch die Deputationsvorlage vom
zuständigen Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen klingt unglücklich:
Die Quoten seien „nicht zufriedenstellend“, heißt es, und dass „das den
Trägern monatlich vorgelegte Controlling (…) seine Steuerungswirkung nicht
erzielt“. Immerhin sei festzustellen, dass nicht nur die in Bremen und
Bremerhaven, „sondern sämtliche Jobcenter erhebliche Probleme bei der
Verausgabung der Mittel haben“.
Friedrich-Wilhelm Gruhl, Leiter des Jobcenters Bremerhaven, begründet das
vor allem mit dem späten Bewilligungstermin: „Wir haben erst im April
erfahren, wie viel Geld wir überhaupt bekommen“, sagt er – „und das war
deutlich mehr als angenommen.“ Denn geplant würden Beschäftigungs-,
Weiterbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen stets schon im Spätherbst des
Vorjahres, so Gruhl. Ein Umsteuern sei im April „nicht mehr möglich“. Und
Aktivierungsmaßnahmen neu auszuschreiben dauere viele Monate.
Keineswegs halte sein Haus Geld zurück, sagt Gruhl: „Wir haben die
geförderte Beschäftigung um fast 260 Plätze erhöht – aber mehr als die
jetzt ungefähr 1.700 Ein-Euro-Jobber, die wir haben, kann eine Stadt wie
Bremerhaven nicht leisten.“ Darüber hinaus seien Mittel für die
Eingliederung von 1.000 Zuwanderern nicht verwendet worden, weil diese
Menschen gar nicht mehr in Bremerhaven lebten. Und als Folge der guten
Beschäftigungssituation hab man eingeplante Zuschüsse nicht ausgeben
müssen.
## „Einfach hochgerechnet“
Gruhl hält die nun publizierte Prognose für falsch: „Da ist ja einfach nur
linear hochgerechnet worden.“ Jetzt, nach Ende der Sommerferien, ziehe der
Bedarf an Förderung an, sagt der Jobcenter-Chef, „und zwar ganz kräftig“.
Und dann das Geld, das eigens für Geflüchtete zu verwenden wäre: Die
„Hauptwelle an Anerkennungen“ durch das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) stehe ja erst bevor, sagt Gruhl: „Ungefähr ab Herbst
haben die meisten Menschen erst Anspruch auf Leistungen von uns.“ Statt der
prognostizierten sechs Millionen Euro nicht verbrauchter Bundesmitteln,
geht er von drei Millionen aus – „genau die Summe, die wir nicht mehr
verplanen konnten“.
Das Jobcenter Bremen argumentiert ähnlich: „Nach dem Sommer beginnen
traditionell viele Maßnahmen wie Umschulung oder berufliche
Qualifizierungen und wir rechnen mit einer Herbstbelebung“, heißt es in
einer Stellungnahme. „Alles deutet darauf hin, dass mehr Kundinnen und
Kunden in Arbeit oder Ausbildung gehen oder an Maßnahmen teilnehmen werden
und wir mehr als 85 Prozent des Eingliederungstitels verwenden werden.“
Das sieht die Linken-Abgeordnete Claudia Bernhard anders:
„Erfreulicherweise werden in Bremen 500 geförderte Jobs für
Langzeitarbeitslose geschaffen, aber das wird ja nicht mehr in diesem Jahr
passieren“, sagt sie. Einzig „fette Projekte“ könnten noch dafür sorgen,
dass die Fördermittel komplett in Anspruch genommen werden – „aber die gibt
es zumindest für 2016 nicht“, so Bernhard. Sie sieht den Senat in der
Verantwortung: „Der sieht tatenlos zu, wie Geld verschwindet, das reichen
würde, um in Bremen und Bremerhaven 700 zusätzliche sozialversicherte
Stellen mit Mindestlohn zu finanzieren.“
Dass Bremen mit dem Problem nicht allein da steht, weiß Bernhard:
„Bundesweit wird in diesem Jahr voraussichtlich eine halbe Milliarde Euro,
die zur Unterstützung von Arbeitslosen gedacht ist, einfach nicht
ausgegeben.“ So liegt auch Niedersachsen voraussichtlich nur bei knapp 83
Prozent der Mittel – und damit im prognostizierten Bundesschnitt.
Eine Idee zur Lösung hätte Friedrich-Wilhelm Gruhl: „Die Jobcenter fordern
schon lange Haushalte für wenigstens zwei Jahre – so wie das bei Kommunen
ja auch der Fall ist.“ Dann könnte man auch unvorhergesehene Mittel
ausschöpfen.
Wie es aber auch jetzt schon anders geht, zeigt das Beispiel Hamburg: Hier
wurde im ersten Halbjahr über die Hälfte des Geldes ausgegeben – das ist
überdurchschnittlich. Und auch die restlichen Mittel, heißt es auf
taz-Anfrage, seien weitesgehend, „durch vertragliche Verpflichtungen
gebunden“.
5 Aug 2016
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Jobcenter
Bürokratie
Bremerhaven
Integrationskurs
Sozialleistungen
Mindestlohn
Schwerpunkt Flucht
Bremen
Schwerpunkt Flucht
Bremen
Hartz IV
Prekäre Arbeit
Schwerpunkt Flucht
Hartz IV
Arbeitslosigkeit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Integration von Flüchtlingen in Bremen: Die gute Seite der Ein-Euro-Jobs
Im Programm „Arbeit und Integration“ helfen Ein-Euro-Jobs Geflüchteten in
Arbeitssituationen, die Sprachhürde zu meistern.
Vorwurf Sozialbetrug: Prüfen kann man immer noch
Bremerhaven streicht EU-Bürgern aus Südosteuropa die Leistungen – manchmal
auch prophylaktisch und ohne Bescheid.
Folgen der Mindestlohneinführung: Soziale Nullnummer
Die Einführung des Mindestlohns hat weder die Armut gesenkt noch die
Lohnungleichheit verringert. Experten bezweifeln, dass es an mangelnder
Kontrolle liegt.
Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise: Flüchtlinge mit Job sollten bleiben
Viele Syrer dürfen zunächst nur noch ein Jahr in Deutschland bleiben. Viele
Unternehmen zögern deshalb, sie einzustellen. Bamf-Chef Weise fordert mehr
Klarheit.
Ungenutzte Jobcenter-Gelder in Bremen: Seid verschenkt, Millionen!
Auch 2016 fließt viel Fördergeld an den Bund zurück. Die Jobcenter sagen,
ihnen seien die Hände gebunden. Das könne nicht sein, sagt die
Arbeitnehmerkammer Bremen.
Kommentar Migration und Arbeitsmarkt: Ausweg Selbstständigkeit
Dass Migranten sich selbstständig machen und damit Jobs schaffen, hat oft
nur einen Grund: Sie haben keine andere Wahl.
Mehr Geld für Bremer BeamtInnen: Für ein paar Euro mehr
Die Gewerkschaften fordern höhere Zulagen für Bremer BeamtInnen – auch der
Senat erkennt Ungerechtigkeiten und macht deshalb vorsichtige
Zugeständnisse
Kritik an Hartz-IV in Berlin: Die größten Verlierer am Mietmarkt
Eine günstige Wohnung? Für Menschen, die die Miete selbst nicht zahlen
können, ist die Situation noch dramatischer. Eine Studie zeigt das ganze
Ausmaß.
taz-Serie Abgeordnetenhaus-Wahl (1): Arbeit? Welche Arbeit?
Alle reden vom „Jobwunder“ in Berlin – doch ein Gutteil der Bevölkerung
bekommt vom neuen Aufschwung nichts mit oder arbeitet höchst prekär.
Bürokratieabbau für Flüchtlinge: Der Sisyphos aus Kirchentellinsfurt
Einen Antrag auf Kindergeld stellen, obwohl er aussichtslos ist? Wolfgang
Werner hat dem Papierkrieg von Flüchtlingen den Kampf angesagt.
Joblose Jugendliche unter Druck gesetzt: „Treibt Kids in die Kriminalität“
Hamburgs Jobcenter kürzen Geld, wenn Minderjährige Termine zur
Berufsberatung verschwitzen. Die Linke kritisiert „pädagogisches
Fehlverhalten“.
Mutter mit Kind beim Jobcenter: Immer fehlt was
Es ist besser, an einen Stromzaun zu pinkeln, als zum Jobcenter zu gehen,
wenn man Hilfe braucht. Ein Beitrag zum Weltkindertag.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.