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# taz.de -- Russisch-deutsches Verhältnis: Ein schwieriger Dialog
> Erstmals seit der Annektion der Krim 2014: Vertreter
> zivilgesellschaftlicher Organisationen treffen sich wieder zu Gesprächen
> in St. Petersburg.
Bild: Die Isaakkathedrale in St. Petersburg
Moskau taz | Allenthalben ist vom Dialog die Rede. Immer wieder wird die
Mahnung laut, Gesprächskontakte zu Russland nicht abreißen zu lassen. Als
gäbe es Kräfte, die es vorzögen, sich dem Austausch mit Moskau zu
verweigern.
Unterschwellig suggeriert dies: wer sich nicht jedem Dialog mit Russland
stellt, sehnt sich zurück in den Kalten Krieg. Übersehen wird dabei, dass
erst Moskau Krieg und Gewalt durch sein Vorgehen in der Ukraine wieder auf
die Tagesordnung hob und einen Dialog ablehnte.
Diese Woche versuchen sich Russland und der Westen gleich zweimal im
Dialog. Beim Nato-Russland-Rat in Brüssel und ab Donnerstag Abend beim
Petersburger Dialog zwischen der russischen und deutschen
Zivilgesellschaft.
Das Forum, das 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und
Präsident Wladimir Putin ins Leben gerufen wurde, tagt nach zwei Jahren
Pause zum ersten Mal wieder. Nach der Annexion der Krim setzte Berlin die
jährlichen Treffen aus.
## Neuer Supervisor
Inzwischen hat der Petersburger Dialog mit Ronald Pofalla auch einen neuen
Supervisor, der die heiklen Streitpunkte versteht und der russischen Seite
nicht aus der Hand frisst.
Kritik an der Art des Konvents wurde auf deutscher Seite in den zwei Jahren
Auszeit auch vorsichtig aufgegriffen. NGOs wurden nun mit Funktionen
betraut, die sich durch ihre Nähe zu Russland, nicht aber zur Politik des
Kreml hervortun. Deutsche Hörigkeit hatte dem Dialog die Glaubwürdigkeit
genommen.
Formate wurden geändert, die einen direkteren Zugang zu den Problemen
erlauben könnten. Jens Siegert, Ex-Chef der Moskauer Böll-Stiftung,
formuliert es vorsichtig. Die Reformen böten eine kleine Chance. Ob die
Neuerungen sich durchsetzen werden, sei schwer zu sagen.
Die russische Seite hat mit der Ernennung des Greenpeace-Vertreters
immerhin einen Aktivisten als stellvertretenden Vorsitzenden in die AG
Ökologische Modernisierung gesetzt. Greenpeace Russland war bisher nicht im
Dialog vertreten. Dies gilt als Zugeständnis Russlands, das bislang
vornehmlich Beamte in den Dialog schickte. Trotz aller Skepsis sieht
Wladimir Tschuprow vom Moskauer Greenpeace daher eine Chance, „fernab der
Geopolitik“ Energiethemen voranzutreiben.
## Ausländische Agenten
Gleichzeitig häufen sich jedoch Anzeichen, dass die russische Seite
deutsche Initiativen zu bremsen versucht. So wurde ein Besuch der AG
Zivilgesellschaft im Petersburger „Haus der NGOs“ unterbunden. Dort sitzen
auch Organisationen, die Gelder aus dem Ausland erhalten und sich daher als
„ausländische Agenten“ registrieren lassen müssen. Pofalla soll sich nun
mit diesen NGOs im Hotel der deutschen Delegation treffen.
Auch ein Versuch der AG Zivilgesellschaft scheiterte, auf den Fall der
Bürgerrechtlerin Valentina Tscherewatenko hinzuweisen. Der Leiterin der
„Frauen vom Don“ wird zur Last gelegt, die NGO nicht als „ausländische
Agentin“ registriert zu haben. Ihr drohen zwei Jahre Haft.
Die zivilgesellschaftliche Arbeitsgruppe konnte sich auch nicht
durchsetzen, eine Erklärung im Rahmen des Dialogs zu veröffentlichen.
Offensichtlich verwahrte sich nicht nur die russische Seite dagegen. Alte
Seilschaften wirken fort.
Ein schwieriger Dialog dürfte es werden. Doch wird sich zeigen, ob Russland
für ein fruchtbares Gespräch offen ist. Das setzt Interesse am jeweils
anderen voraus. Bislang wollte Moskau nur vom Westen als andersartig
anerkannt werden: als ein Staat, der anderen Gesetzen verpflichtet ist und
sich nicht an westliche Werte gebunden fühlt.
## Unterschiedliche Sichtweise
Der Koordinator der AG Politik, Wjatscheslaw Nikonow, brachte die
unterschiedliche Sichtweise bereits beim Dialog 2012 – vier Jahre nach dem
Krieg gegen Georgien – sinngemäß so auf den Punkt: Seid ihr bereit, für
Georgien in den Krieg zu ziehen? Nein – aber wir – und das haben wir 2008
gezeigt. Dies ließ sich auch als Aufkündigung des Dialogs verstehen.
Wjatscheslaw Nikonow ist Wjatscheslaw Molotows Enkel, Stalins
Außenminister, der den sowjetisch-deutschen Angriffskrieg gegen Polen 1939
mit zu verantworten hat. Nikonow leitet auch die Stiftung „Russische Welt“,
die russische Kultur im Westen verbreiten soll, sich aber nicht nur auf
Kulturvermittlung beschränkt.
Auch andere „Dialoge“ haben einen schweren Stand in Sankt Petersburg.
Soeben stellte die Diskussionsreihe „Dialoge“ in der Petersburger
Majakowski-Bibliothek die Arbeit ein. Mitarbeiter der Antiterrorabteilung
des Inlandsgeheimdienstes FSB hatten vor kurzem das Bibliotheksbüro
durchsucht und den Dialog-Veranstalter aufgefordert, seine Stelle selbst zu
kündigen. Der intellektuelle Austausch war ihnen ein Dorn im Auge. Der
Veranstalter ging ins Exil – nach Lettland.
14 Jul 2016
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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Russland
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Repression
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