# taz.de -- Petersburger Dialog: Höflich distanzierte Grußworte | |
> Deutsche und Russen verstehen sich derzeit nicht. Das wurde auf dem | |
> Petersburger Dialog deutlich: Wladimir Putin und Angela Merkel fehlten. | |
Bild: Wollten nicht über Russland sprechen: Merkel und Premierminister der Ukr… | |
Potsdam taz | Im altehrwürdigen Kaiserbahnhof in Potsdam-Sanssouci wandelt | |
der Gast zwangsläufig auf den Spuren der Geschichte. Früher empfing hier | |
der Kaiser den russischen Zaren. Nun kamen erneut Deutsche und Russen hier | |
zusammen – allerdings nicht Kaiser und Zar, sondern rund 200 | |
Wirtschaftsbosse, Politiker und NGO-Vertreter. Angela Merkel und Wladimir | |
Putin waren allerdings nicht dabei. | |
Nach der Absage des „Petersburger Dialogs“ im vergangenen Jahr versuchte | |
das deutsch-russische Diskussionsforum dieses Jahr wieder, das seit der | |
Krimkrise zerrüttete Vertrauen zwischen den beiden Ländern aufzubauen. 2001 | |
gründeten die damaligen Regierungschefs Wladimir Putin und Gerhard Schröder | |
das Forum, um die Beziehungen beider Länder zu fördern. Bisher war die | |
Veranstaltung an deutsch-russische Regierungskonsultationen geknüpft. Im | |
Vergangenen Jahr jedoch wurden sie auf Wunsch der Bundesregierung | |
ausgesetzt - und mit ihnen der Petersburger Dialog. Deutschland betrachtete | |
die russische Annexion der Krim als völkerrechtswidrig. | |
Nun folgt ein Neustart, jedoch ohne Austausch auf Regierungsebene. Den | |
Vorsitz auf deutscher Seite hat Ronald Pofalla, ehemals Kanzleramtschef | |
unter Angela Merkel und heute Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bahn. Er | |
soll ausloten, wie groß das beiderseitige Verständnis eigentlich noch ist. | |
Dass er dabei klare Erwartungen an die Russen hat, machte er bereits in | |
seiner Eröffnungsrede am Donnerstag klar: Es solle „kein Tabu“ bei den | |
Gesprächen geben. Demonstrativ hat die deutsche Seite in diesem Jahr auch | |
Vertreter mehrerer Nichtregierungsorganisationen eingeladen, die in | |
jüngster Zeit in Russland in Schwierigkeiten geraten waren. | |
Darunter auch Greenpeace. Die Organisation kam bereits in der Vergangenheit | |
regelmäßig zum Petersburger Dialog, allerdings nicht als festes Mitglied. | |
Nun ist sie vor allem auf Betreiben Pofallas ganz offiziell dabei – und | |
das, obwohl Greenpeace dem letztjährigen Dialog aus Protest ferngeblieben | |
wäre, hätte er stattgefunden. Diese Wende sei „vielversprechend“, findet | |
der Greenpeace-Vertreter in Potsdam, Tobias Münchmeyer. | |
## Vielen einseitige Vorträge | |
Die diesjährige Tagung verlässt er allerdings mit gemischten Gefühlen: | |
Seine Arbeitsgemeinschaft, die sich mit Wirtschaftsfragen beschäftigte, | |
habe kaum einen Dialog führen können, der diesen Namen verdiente. | |
Stattdessen habe man in den drei Stunden vielen einseitigen Vorträgen | |
gelauscht. Allein 50 Minuten habe ein hochrangiger Vertreter des russischen | |
Energiekonzerns Gazprom monologisiert – „ob das nun bewusst inszeniert war | |
nicht, will ich mal offenlassen“, so Münchmeyer. Er will Pofalla nun einen | |
Brief schreiben: „Diese verknöcherten Strukturen müssen dringend reformiert | |
werden.“ | |
Natürlich war auch die Wirtschaft auf beiden Seiten personenstark | |
vertreten: Gazprom hatte gleich mehreren Delegierte geschickt, dazu kamen | |
Vertreter russischer Banken ebenso wie Vorstände deutscher Unternehmen und | |
Verbände. Neben NGO-Vertretern waren auch erfahrene Diplomaten unter den | |
deutschen Delegierten, darunter der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz | |
Wolfgang Ischinger, der in seiner Eröffnungsrede Russlands Umgang mit der | |
Zivilgesellschaft scharf kritisierte und die westlich-russischen | |
Beziehungen als „gescheitert“ erklärte. Auch der ehemalige | |
Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung war dabei. | |
## Wie soll die Hausordnung aussehen? | |
Sie alle versuchten, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Das Motto des | |
Petersburger Dialogs lautete in diesem Jahr „Modernisierung als Chance für | |
ein gemeinsames europäisches Haus“. Ob beide Seiten solch ein gemeinsames | |
Haus überhaupt wollten, und wie dessen Hausordnung aussehen sollte, schwang | |
unausgesprochen in vielen Debatten mit. | |
Expliziter wurden die Meinungsverschiedenheiten beim Thema Syrien geäußert: | |
In der abschließenden Podiumsdiskussion zeigte sich, dass der Bürgerkrieg | |
und Russlands Rolle darin das wahre Thema der Veranstaltung waren. Der | |
russische Duma-Abgeordnete Wjatscheslaw Nikonow ließ in seinem | |
Abschlussstatement erkennen, dass auch Russland deutliche Erwartungen an | |
Deutschland hat. Wenn Deutschland mit Russland zusammen arbeiten wolle, | |
müsse die Bundesregierung die Sanktionen gegen sein Land lockern: „Wenn die | |
andere Seite uns ständig als Feind sieht“, so Nikonow, „sind wir wieder in | |
einer Situation wie im Kalten Krieg – vielleicht noch schlimmer. Damals | |
haben die Dialogformate gegriffen. Heute tun sie das nicht mehr.“ | |
Seine Diskussionspartner, allen voran die Grünen-Politikerin Marieluise | |
Beck, blickten ratlos in die Runde – hatte man doch in den Arbeitsgruppen | |
noch Positives herausstellen wollen. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft | |
verkündete, einen „Virtuellen Petersburger Dialog“ einzurichten, an dem | |
dann wirklich alle mitwirken sollen. Und die Arbeitsgruppe Politik betonte, | |
man habe über die Krisen in Syrien und der Ukraine „miteinander und nicht | |
gegeneinander“ geredet. | |
Das sind die zarten Erfolge des Peterburger Dialogs. Wie groß die | |
Differenzen jedoch noch sind, zeigte die Abwesenheit der Regierungschefs | |
beider Staaten. Sie ließen höflich-distanzierte Grußworte verlesen – und | |
anstatt wie üblich dem Petersburger Dialog beizuwohnen, traf die | |
Bundeskanzlerin in Berlin ausgerechnet den ukrainischen | |
Ministerpräsidenten. | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
Johanna Roth | |
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