# taz.de -- Repression in Russland: Petersburger Dialog ohne NGOs | |
> Deutsche NGOs sagen ihre Teilnahme am Petersburger Dialog wegen | |
> Repressalien Russlands ab. Gleichzeitig droht Teilen der Organisation | |
> „Memorial“ die Auflösung. | |
Bild: „Wer jetzt nicht mitkommt, ist ein Gesprächsverweigerer“, sagt Lotha… | |
BERLIN/MOSKAU afp/dpa | Mehrere deutsche Nichtregierungsorganisationen | |
haben einem Bericht zufolge ihre Teilnahme an der nächsten Runde des | |
Petersburger Dialogs mit Russland abgesagt. Der Deutsch-Russische | |
Austausch, die Heinrich-Böll-Stiftung und weitere Gruppen hätten in einem | |
Brief an die Bundesregierung erklärt, sie wollten nicht „an der Aufstellung | |
einer Potemkinschen Fassade“ mitwirken, [1][berichtete der] Tagesspiegel am | |
Samstag unter Berufung auf das Schreiben. Auch der Europäische Austausch | |
sowie Vertreter von Amnesty International und Greenpeace hätten | |
unterschrieben. | |
Als Gründe für die Absage werden dem Bericht zufolge die Ukraine-Krise | |
sowie Repressalien der russischen Führung gegen zivilgesellschaftliche | |
Organisationen in dem Land angeführt. Die Unterzeichner fordern demnach | |
eine grundsätzliche Reform des Petersburger Dialogs. Bei den Organisationen | |
war am Samstag zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. | |
Das deutsch-russische Gesprächsforum Petersburger Dialog soll als offene | |
Diskussionsplattform die Verständigung zwischen den Zivilgesellschaften | |
beider Länder fördern. Es wurde im Jahr 2001 ins Leben gerufen und steht | |
unter der Schirmherrschaft des jeweiligen deutschen Bundeskanzlers und des | |
russischen Präsidenten. Zuletzt trafen sich die Teilnehmer im April in | |
Leipzig, die nächsten Gespräche soll es Ende Oktober im russischen Sotschi | |
geben. | |
Nach der Absage der deutschen Organisationen wollte die Bundesregierung dem | |
Tagesspiegel zufolge eine Verschiebung des Termins erreichen. Dies sei | |
jedoch von russischer Seite abgelehnt worden. Der Vorsitzende des | |
Lenkungsausschusses im Petersburger Dialog, Lothar de Maizière, kritisierte | |
die Absage der Nichtregierungsorganisationen. | |
„Wer jetzt nicht mitkommt, ist ein Gesprächsverweigerer“, sagte er dem | |
Tagesspiegel. „Nur Gespräche können ernsthafte Konflikte dauerhaft lösen.�… | |
Bereits vor der jüngsten Gesprächsrunde in Leipzig war angesichts der | |
Ukraine-Krise der Sinn des Petersburger Dialogs in Frage gestellt worden. | |
## Neue Repressalien | |
Russlands Regierung bemüht sich offenbar um die Zerschlagung der | |
landesgrößten Menschenrechtsorganisation Memorial. Das sagte | |
Memorial-Direktor Alexander Tscherkassow am Freitag der Nachrichtenagentur | |
AFP. Der Oberste Gerichtshof in Moskau teilte in einer knappen Ankündigung | |
auf seiner Internetseite mit, er werde den Fall am 13. November behandeln. | |
Laut Tscherkassow zweifelt das Justizministerium die Rechtmäßigkeit der | |
Organisationsstruktur von Memorial an. Dies sei jedoch ebenso „absurd“ wie | |
alle anderen Vorwürfe gegen die Gruppe. | |
Wie der Dachverband der Memorial-Organisationen am Samstag mitteilte, hat | |
das Justizministerium die Auflösung der Russischen Gesellschaft für | |
historische Aufklärung, soziale Fürsorge und Menschenrechte beantragt. Nach | |
Angaben des Ministeriums soll das Oberste Gericht darüber am 13. November | |
verhandeln. Memorial ist ein Netzwerk aus mehreren Verbänden, die sich | |
neben Menschenrechten auch für soziale Belange und Geschichtsaufarbeitung | |
engagieren. | |
Memorial hat sich um die Dokumentation der Verbrechen aus der Stalin-Zeit | |
verdient gemacht und positioniert sich regelmäßig zu Menschenrechtsfragen, | |
steht aber unter wachsendem staatlichen Druck. Im Mai wurde die | |
Nichtregierungsorganisation von der russischen Justiz dazu verpflichtet, | |
sich ins Register „ausländischer Agenten“ eintragen zu lassen, weil sie | |
finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalte und politische Ziele | |
verfolge. | |
Memorial macht zwar keinen Hehl daraus, sich mithilfe ausländischer | |
Unterstützer zu finanzieren, weist den Vorwurf einer politischen Steuerung | |
aus dem Ausland aber zurück. Keiner der Finanziers habe „jemals von uns | |
verlangt, seinen Anweisungen zu folgen“, sagte Alexander Tscherkassow | |
damals nach dem umstrittenen Beschluss. Memorial handele stets nach eigenen | |
Vorstellungen. | |
Nach Darstellung der Justiz beeinflusst die NGO gezielt die öffentliche | |
Meinung und wichtige Entscheidungsträger. [2][Die Bezeichnung] als | |
„ausländischer Agent“ wiederum ist im russischen Sprachgebrauch historisch | |
stark belastet: Unter Sowjet-Diktator Josef Stalin wurden damit | |
tatsächliche und vermeintliche Oppositionelle gebrandmarkt, die später | |
hingerichtet oder ins Gulag geschickt wurden. In den 70er und 80er Jahren | |
diffamierten die sowjetischen Behörden auf diese Weise Dissidenten, denen | |
sie vorwarfen, im Auftrag westlicher Auftraggeber zu handeln. | |
11 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland-und-russland-petersburger-di… | |
[2] /!145694/ | |
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