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# taz.de -- Peaceniks für Rüstungsexporte: Frieden schaffen mit Waffen
> Bremens Wirtschaftssenator plädiert für eine Aufhebung der
> Russlandsanktionen und liegt damit auf der Linie des Bremer
> Friedensforums
Bild: Porsches statt Panzern: Ohne Kriegswaffen-Ausfuhr nach Russland darbt Bre…
BREMEN taz| Auswirkungen des Ukraine-Konflikts sind auch im Norden spürbar.
Laut Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) ist der
Russland-Handel in Bremen 2015 auf 1,07 Milliarden Euro geschrumpft – rund
280 Millionen weniger als im Vorjahr. In einer [1][Antwort auf eine
Anfrage] des Bremer Friedensforums warnte Günthner vor einer
Sanktionsspirale: „Eine langfristige Aufrechterhaltung des Sanktionsregimes
würde die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen manifestieren.“
Das Problem kennt man auch anderswo im Norden: In Hamburg ist das
Handelsvolumen 2015 um 48 Prozent von 4,4 Milliarden im Jahr 2014 auf 2,98
Milliarden Euro 2015 zurückgegangen. Auch in Schleswig-Holstein hat der
Russland-Export 2015 um 20 Prozent abgenommen und beträgt nunmehr 326
Millionen Euro.
Allerdings warnte Corinna Nienstedt von der Handelskammer Hamburg davor,
das geschrumpfte Handelsvolumen allein auf die Sanktionen zu beziehen. In
Hamburg führten nur 35 Prozent der betroffenen Firmen den Rückgang auf das
Embargo zurück, 59 Prozent [2][sahen] als Grund eher die russische
Rezession.
Die EU-Sanktionen [3][beziehen sich hauptsächlich] auf Rüstungsgüter,
Maschinen und Anlagen zur Ölförderung. Russische Sanktionen betreffen zu
einem großen Teil europäische Nahrungsmittelexporte – etwa Milchprodukte
aus Schleswig-Holstein.
Günthner zufolge sind von den 200 bremischen Unternehmen mit
Wirtschaftsbeziehungen zu Russland 66 Prozent von den Sanktionen betroffen.
Der Bremer Wirtschaftssenator plädiert einhellig mit dem Bremer
Friedensforum für die Einstellung der Russland-Sanktionen. Tenor: Dialog
und Kooperation statt Konfrontation.
Ekkehard Lentz vom Friedensforum sagt: „Wir sind optimistisch, dass der
Senat jetzt aktiv wird. Friedlicher Handel ist immer kriegerischen
Handlungen vorzuziehen.“ Auch wenn diesbezügliche Sanktionen gegenüber
Russland aufgehoben würden, sei das Friedensforum selbstsverständlich gegen
den Export von Rüstungsgütern und Militärtechnologie.
„Den Ausbau der Rüstungsindustrie müsste man grundsätzlich außerhalb der
Sanktionen politisch beeinflussen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler
Rudolf Hickel. Auch er spricht sich angesichts der Zahlen für eine
Aufhebung der Sanktionen aus: „Die Übernahme der Krim ist letztlich
Ausdruck imperialer Politik. Diese Bewertung rechtfertigt jedoch nicht die
Sanktionen vom März 2014 und den Rauswurf aus der G 8-Gruppe.“
Hickels Ansicht nach wird die Rückkehr zu stabilen Handelsbeziehungen um so
schwieriger, je länger das Embargo anhält. Er sagt: „Erforderlich ist der
Verzicht auf ökonomische Sanktionen einerseits und die scharfe politische
Kritik an der russischen Aggressionspolitik andererseits.“
Der Bremer [4][Osteuropawissenschaftler] und Historiker Wolfgang Eichwede
widerspricht Hickels Auführungen: „Jetzt die Sanktionen aufzuheben, ist ein
falsches Signal. Russland verstärkt seine Truppen und Kampfhandlungen
nehmen laut OSZE von russischer Seite zu.“ Putin habe die Grundsätze der
Entspannungspolitik und die Politik des Gewaltverzichts mit der
Annektierung der Krim gebrochen. Ohnehin seien die EU-Sanktionen auf
bestimmte Güter wie Militärtechnik beschränkt und hätten ein Einreiseverbot
für bestimmte Politiker zur Folge, die einen Einmarsch in der Ukraine
befürworteten.
Marieluise Beck, bremische Bundestagsabgeordnete der Grünen und Sprecherin
für Osteuropapolitik, sieht das ähnlich. Sie sagt: „Wir können unsere
Außenpolitik nicht nach den Interessen deutscher Konzerne ausrichten. Mit
einer bedingungslosen Aufhebung der Sanktionen würde man dem Kreml einen
Freifahrtschein für die Zerstückelung der Ukraine geben.“
Eichwede ergänzt: „Die Werte, die wir einklagen, sind im Übrigen nicht
westlich. Wir haben sie auch aus friedlichen Revolutionen in Osteuropa und
der Sowjetunion und von Sacharow gelernt. Putins Politik ist eine Negation
Gorbatschows.“
18 Aug 2016
## LINKS
[1] http://www.bremerfriedensforum.de/699/aktuelles/Auswirkungen-der-Wirtschaft…
[2] https://www.hk24.de/produktmarken/beratung-service/international/laenderinf…
[3] http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/russland-sanktionen,did=65099…
[4] http://www.forschungsstelle.uni-bremen.de/de/3/20120906153817/2012101613531…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Russland
Sanktionen
Krim
EU-Sanktionen
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Türkei
Russland
Karl-Georg Wellmann
Cem Özdemir
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