# taz.de -- Bremen baut Palliativbetreuung aus: Mehr Begleitung für Sterbende | |
> Die ambulante Sterbebegleitung in Bremen soll ausgebaut werden. Viele | |
> Ärzte erkennen dennoch den Bedarf zu spät und Patienten sterben auf | |
> Wartelisten. | |
Bild: Die Palliativversorgung soll die Lebensqualität sterbenskranker Menschen… | |
BREMEN taz | Die Palliativ-Versorgung in Bremen wird ausgebaut. Ab | |
September 2016 sollen insgesamt 30 PatientInnen zeitgleich von der | |
spezialisierten ambulanten Palliativbetreuung (SAPV) behandelt werden | |
können. Derzeit sind es noch 20 bis 24 Personen. Grund für die | |
Aufstockungen ist zusätzliches Personal. Das teilte der | |
Vize-Geschäftsführer der Zentrale für private Fürsorge, Klaus Vosteen, der | |
taz mit. | |
Neben der Aufstockung soll ein fester ambulanter Palliativ-Dienst für | |
Kinder institutionalisiert werden. Palliative Versorgung für Kinder durch | |
den SAPV gibt es in Bremen seit Juli 2015, ab September 2016 wird es auch | |
eine festen Internetauftritt geben. | |
In Bremerhaven gibt es laut Senat eine verhältnismäßig bessere Versorgung: | |
Dort können derzeit 15 bis 30 Patienten zeitgleich palliativ behandelt | |
werden. Der Senat sieht dies als ausreichend an. Demgegenüber gibt es dort | |
kein stationäres Hospiz. | |
## Wartezeiten bis zum Tod | |
In Bremen betreute der SAPV 2015 insgesamt 337 Patienten, stationär bekamen | |
255 Menschen eine palliative Versorgung. Die ambulanten Dienste, die ein | |
Arzt bei der Kasse beantragen muss, waren voll ausgelastet. Genaue Zahlen | |
darüber, wie viele PatientInnen es bei ausreichenden Kapazitäten gewesen | |
wären, können auf taz-Anfrage weder die SAPV noch die stationären Hospize | |
nennen. Immer wieder kommt es allerdings vor, dass Patienten noch auf den | |
Wartelisten sterben. | |
Zudem erkennen vor allem Krankenhausärzte oftmals zu spät den Bedarf an | |
Palliativ-Versorgung. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine | |
Anfrage von SPD und Grünen von vergangenem Mai hervor. Noch im Juni | |
bewertete der Senat das Angebot sowohl der stationären als auch der | |
ambulanten Palliativbetreuung aufgrund langer Wartezeiten als nicht | |
ausreichend. | |
„Die Anfragen von Krankenhäusern sind derzeit verschwindend gering“, sagt | |
auch Friedhelm Pielage, Geschäftsführer des Hospiz- und Palliativverbands | |
Bremen. Noch immer sagten die ÄrztInnen zu selten, dass sie „mit ihren | |
kurativen Mitteln am Ende sind“. Pielage fordert vom Senat die Einführung | |
von festen Palliativteams in Bremer Krankenhäusern. Ähnlich wie etwa | |
Wundheilteams, die es bereits flächendeckend gibt, könnten diese sich für | |
Sterbebegleitung verantworten. | |
## Nur ein Drittel der Patienten wird aufgenommen | |
Die Chancen auf die Einführung solcher Palliativteams schätzt Pielage als | |
gut ein: Derzeit laufe in Bremer Krankenhäusern eine Vorlaufzeit für die | |
Schaffung dieser Maßnahmen. Ab 2017 soll es vermehrt palliative | |
Liaisondienste geben, also die Einbeziehung von Palliativfachkräften auch | |
auf anderen als nur Palliativstationen. | |
Diese Maßnahmen stehen im Einklang mit dem seit Dezember 2015 geltenden | |
Bundesgesetz zur Verbesserung der Hospiz und Palliativversorgung. Allgemein | |
trägt die gesetzliche Krankenversicherung Palliativmedizin bereits seit | |
2007. Im Klinikum Bremen-Mitte und im Krankenhaus Links der Weser gibt es | |
solche Liaisondienste bereits. Links der Weser gibt es zudem eine | |
Palliativstation mit zwölf Betten. | |
Dennoch schätzt Alena Schütte, Einrichtungsleiterin des Lilge-Simon-Stift | |
in Schönebeck, einem von zwei Hospizen in Bremen, dass etwa nur ein Drittel | |
der möglichen PatientInnen aufgenommen werden können. Die restlichen | |
Personen auf der Warteliste kommen entweder im Hospiz „Brücke“ in Walle | |
unter oder sterben, ohne den beantragten Platz wahrnehmen zu können: „Zwei, | |
bis drei Wochen Wartezeit sind realistisch.“ Die durchschnittliche | |
Verweildauer von PatientInnen im Hospiz liegt bei 25 Tagen, über 50 Prozent | |
sterben in den ersten 14 Tagen. | |
## Rund um die Uhr erreichbar | |
Für Klaus Vosteen ist auch das ein Grund, warum so wenig PatientInnen | |
Palliativmedizin in Anspruch nehmen. Denn oftmals, sagt er, „wollen | |
Patienten nicht ins Hospiz, weil sie sich nicht richtig mit dem Tod | |
auseinandersetzen“. | |
Dabei hilft Palliativmedizin da, wo der Hausarzt aufhört: Üblicherweise | |
sind ambulante Palliativdienste rund um die Uhr erreichbar. Im Gegensatz zu | |
vielen Pflegediensten, Haus- oder Krankenhausärzten geht die | |
Palliativmedizin offen mit dem Tod von schwerkranken PatientInnen um. | |
Kernaspekte der jungen medizinischen Disziplin sind Symptomkontrolle, | |
psychosoziale Kompetenz, Teamarbeit und Sterbebegleitung. Trotz der | |
jüngeren Fortschritte erhält laut der Deutschen Stiftung Patientenschutz | |
nur ein Bruchteil der Sterbenden eine palliative Versorgung. | |
Hauptziel der Palliativversorgung ist die Verbesserung der Lebensqualität | |
von schwer und unheilbar Kranken. Deswegen steht nicht die heilende, | |
sondern die palliative (lindernde) Behandlung im Mittelpunkt. Cicely | |
Saunders, englische Begründerin der modernen Hospizbewegung, sagte: „Wir | |
können dem Leben nicht mehr Tage geben, wir können aber den Tagen mehr | |
Leben geben.“ | |
31 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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