| # taz.de -- Brexit und Klimapolitik: Goodbye, Green Britain | |
| > Der Brexit schwächt die Öko-Achse in der EU, die eine knappe Mehrheit | |
| > hatte. Britische Umweltschützer machen sich auf harte Zeiten gefasst. | |
| Bild: Konkurrenz für die Möwen: Britischer Fisch muss sich auf mehr menschlic… | |
| Berlin taz | Für das Weltklima wird der Brexit erst einmal ein Segen sein. | |
| Denn: Experten prognostizieren nach dem EU-Ausstieg zumindest für ein Jahr | |
| eine kleine Rezession in Großbritannien – und die senkt die CO2-Emissionen. | |
| In der Krise 2008/2009 fiel der Ausstoß des Treibhausgases im Vereinigten | |
| Königreich um 1,4 Prozent – um allerdings danach wieder um 6 Prozent | |
| zuzulegen. | |
| Der Brexit führt also nicht ins Öko-Paradies. Im Gegenteil. Auch wenn es | |
| für belastbare Studien noch viel zu früh ist, ist doch schon klar: Auf | |
| mittelfristige Sicht könnte der Ausstieg der Briten einen Rückschlag für | |
| eine nachhaltige Politik in der EU und auf der Insel bringen. Denn mit den | |
| Briten verabschiedet sich ein Land aus dem fortschrittlichen Block der 28 | |
| EU-Länder. | |
| Gegenüber den Oststaaten der Visegrád-Gruppe, die auf Kohle setzen, und den | |
| Südländern, die traditionell andere Sorgen haben als die Einhaltung der | |
| Umweltgesetze, stärkte London in der Achse mit Deutschland, oft Frankreich, | |
| Benelux und den Skandinaviern ein grünes Kern-Europa, das in den letzten | |
| Jahrzehnten für Fortschritte bei Luftreinhaltung, Gewässern, Chemikalien | |
| und Rohstoffpolitik gesorgt hat. In der „Green Growth Group“ versammeln | |
| sich seit 2014 insgesamt 13 EU-Länder, um in der Energie- und Klimapolitik | |
| ein Gegengewicht gegen die Kohlefreunde des Ostens zu bilden. Die Gruppe | |
| repräsentierte etwa 60 Prozent der Länderstimmen im EU-Rat. Mit dem Brexit | |
| fällt diese Mehrheit auf knapp über 50 Prozent. | |
| Die EU-Kommission kann jetzt zudem ihre Planungen zum Klimaschutz in die | |
| Recyclingtonne werfen. In der ersten Jahreshälfte wollte sie eigentlich das | |
| „Effort Sharing“ für die Klimaziele 2030 vorschlagen. Damit wird bestimmt, | |
| welches Land wie viel leisten muss – nun muss ganz neu gerechnet werden. | |
| Unklar ist auch, ob und wie London dem Pariser Klimaabkommen neu beitreten | |
| muss, ob die EU deshalb erst später ratifizieren kann, und wie die | |
| EU-Klimapolitik ohne die britische Diplomatie international auskommt. | |
| Prompt fiel nach der Entscheidung der Preis für die CO2-Zertifikate im | |
| europäischen Emissionshandel auf etwa 5 Euro die Tonne – nach dem Abkommen | |
| von Paris hatte er noch bei 8 Euro gelegen. Das zeigt, dass noch mehr | |
| Zertifikate auf dem Markt erwartet werden, wenn die britischen Kraftwerke | |
| keine Emissionsscheine mehr kaufen. Andererseits hat Großbritannien seit | |
| 2008 ein vorbildliches „Klimagesetz“, das dem Land ein Kohlenstoff-Budget | |
| vorschreibt und die Emissionen bereits um 38 Prozent gesenkt hat. | |
| ## „Klimaskeptiker“ in Brexit-Kampagen | |
| Auch wenn in der Brexit-Kampagne viele Klimaskeptiker prominent vertreten | |
| sind, sieht Jonathan Gaventa vom Londoner Thinktank E3G „im Brexit kein | |
| Mandat, das Klimagesetz zu verändern“. Er kann sich auch vorstellen, dass | |
| die Briten Wege finden, trotz Austritts im EU-Emissionshandel zu bleiben. | |
| Schwer wiege allerdings die Verunsicherung für die Investoren. | |
| Großbritannien benötigt dringend neue Kraftwerke, aber „die Schwankungen, | |
| die wir derzeit beim Währungskurs sehen, können Investitionen in grüne | |
| Technologien verzögern“. | |
| Wie sich der leere Stuhl auf die Brüsseler Verhandlungen zu Öko-Fragen | |
| auswirken wird, ist unsicher. In der Landwirtschaft habe London zwar zu | |
| Hause ordentlich Geld für Öko-Maßnahmen und kleine Höfe eingesetzt, sei | |
| aber in Brüssel eher als „umweltpolitisches Neutrum“ aufgefallen, sagt Lutz | |
| Ribbe, EU-Experte vom Umweltverband Euronatur. | |
| Auf der Insel jedenfalls machen sich die Ökos auf harte Zeiten gefasst. | |
| „Jetzt beginnt der Kampf, um zu verhindern, dass Großbritannien | |
| Umweltstandards verwässert, die wir von der EU geerbt haben“, schreibt | |
| Craig Bennett, der Vorsitzende des Umweltverbands Friends of the Earth. Die | |
| Vorteile Europas aus Umweltschützersicht: EU-Gesetze wie die FFH-Richtlinie | |
| schützen die Natur, die Strände sind sauberer, weil Abwässer nicht mehr | |
| ungefiltert ins Meer fließen dürfen, Bienen profitieren vom Pestizidverbot. | |
| Beim Recycling gebe es „dramatische Verbesserung“, bei den grünen Energien | |
| „schnelles Wachstum“, beim Kampf gegen Luftverschmutzung und in der | |
| Chemiepolitik schütze die EU auch die Briten. Und die Fischbestände in der | |
| Nordsee hätten sich durch die EU-Fangquoten teilweise erholt. Nicht umsonst | |
| waren viele Fischer schlecht auf die EU zu sprechen. | |
| 27 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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