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# taz.de -- Kolumne Gott und die Welt: Was die AfD und Playmobil eint
> Nicht nur der BaWü-Ableger der Gauland-Partei hat ein
> Antisemitismus-Problem. Auch die Martin-Luther-Figur von Playmobil ist
> nicht ohne.
Bild: Eine Frage der Typographie – Martin Luthers Bibel, hier im Original
Die letzte Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gibt Anlass,
über Gemeinsamkeiten von AfD und Playmobil nachzudenken . . . Wie bitte?
Playmobil? AfD? Unterliegt der Autor einer Form von Beziehungswahn?
Gemach – und hübsch der Reihe nach: Die FAS vom 5. Juni brachte auf Seite 2
einen großen Artikel zum Streit zwischen CDU und CSU und betitelte ihn
angemessen mit „Verkrachte Geschwister“. Um dies schon zum Überdruss
traktierte Thema ansprechend zu präsentieren, kamen die Blattmacher auf die
Idee, in die Mitte des Artikels eine besonders große, farbige Fotografie
von zwei Playmobilmännchen zu platzieren, eines, das erkennbar einem
Indianer glich, ein anderes, das eine Art roten Frack trug.
So weit, so gut – aber was in aller Welt soll das mit der AfD zu tun haben?
Noch etwas Geduld: Die AfD hat, wie die Presse nicht nur im Südwesten der
Republik vermeldete, [1][derzeit ein Antisemitismusproblem] – sitzt doch in
ihrer Landtagsfraktion in Stuttgart ein Arzt, Wolfgang Gedeon, der längst
ob einer Reihe obskurer und paranoider Annahmen über die „Protokolle der
Weisen von Zion“ sowie über die mittelalterlichen, den Talmud studierenden
Juden als „innere Feinde des christlichen Abendlandes“ aufgefallen ist.
Parteichef Jörg Meuthen sieht sich daher mit Forderungen konfrontiert,
Gedeon aus der Fraktion auszuschließen. So weit, so – je nach Sichtweise –
gut oder schlecht. Aber was hat das denn nun mit der ach so beliebten
Spielzeugfirma Playmobil – sie hat ihren Sitz in Zirndorf bei Fürth – zu
tun?
## Ein freundlich lächelndes Emoji
Playmobil, sichtlich um kulturelles Engagement bemüht, hat vor einiger Zeit
im Vorgriff auf das Lutherjubiläum 2017 ein Lutherfigürchen ediert, das –
buchstabiert man es richtig aus – kaum anders als auf jeden Fall als
antijudaistisch, wenn nicht gar antisemitisch zu bezeichnen ist. Das
Figürchen, das online für € 2,39 zu erwerben ist, steckt in einem schwarzen
Talar, hat ein freundlich lächelndes Emoji als Gesicht und trägt in der
rechten Hand eine weiße Feder. So weit, so unspektakulär.
Tatsächlich enthält das Figürchen jedoch eine theologische Botschaft, hält
es doch dem Betrachter mit seiner linken Hand zwei Buchseiten entgegen, auf
denen für den Betrachter gut lesbar steht: „Bücher des Alten Testaments
Ende“ sowie – auf der rechten Seite – „Das Neue Testament übersetzt von
Doktor Martin Luther.“
Dabei ist nicht zu verkennen, dass sich diese Seiten bewusst an die Käufer
wenden – würde das Figürchen das Buch nämlich selbst lesen, stünden die
Buchstaben auf dem Kopf. Luther selbst beendete übrigens seine Übersetzung
der hebräischen Bibel – nach dem Gebet „Dreier Menner im Fewr“ – in eh…
beiläufiger Kürze: „Ende der Bücher des alten Testaments.“
## Ein moderner Antisemit
Warum, so ist jetzt zu fragen, hat der Konstrukteur des Figürchens – es ist
im Internet abgelichtet – die bei Luther noch unauffällige Anzeige „Ende“
so hervorgehoben und typografisch in ebenso großen Buchstaben wie „Das neue
Testament“ gesetzt? Theologisch dürfte es dafür kaum einen anderen Grund
geben als den, das „Alte Testament“ und mit ihm seine Gültigkeit für
beendet und damit überwunden anzusehen – ein Thema, das die Geschichte der
Kirche seit der späten Antike bis in die Gegenwart immer wieder beschäftigt
hat und noch heute umtreibt.
Ist das Alte Testament, also die Juden und Christen gemeinsame Schrift des
Volkes Israel, veraltet und überkommen, wie es nicht wenige Nazis, die
sogenannten Deutschen Christen wollten, oder hat es nicht doch auch für die
christlichen Konfessionen eine ebenso große Bedeutung wie die Evangelien?
Nun war der alte Martin Luther als Autor einer Schrift aus dem Jahr 1543,
die unter dem Titel „Von den Juden und ihren Lügen“ erschien, tatsächlich
einer der Gründerväter des modernen Antisemitismus, nicht nur des
kirchlichen Antijudaismus: Diese Schrift wurde von den
nationalsozialistischen „Deutschen Christen“ während der Novemberpogrome
des Jahres 1938 emphatisch gefeiert.
Man will sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet die Firma Playmobil, die
so viele Kinderherzen erfreut, in diese Tradition gehört. Daher ein
bescheidener Vorschlag zur Güte: Nein, es geht nicht um den Rückruf all
dieser Figürchen, sondern nur darum, dass ein kleiner Teil, die erwähnten
Buchseiten, künftig leicht verändert werden: Gefordert wird, entweder das
Wort „Ende“ einfach wegzulassen oder es doch wenigstens typografisch auf
die Größe der anderen Buchstaben zu bringen.
8 Jun 2016
## LINKS
[1] /AfD-Fraktion-in-Baden-Wuerttemberg/!5311591
## AUTOREN
Micha Brumlik
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Schwerpunkt AfD
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