| # taz.de -- Kolumne Deutschland, was geht?: Der wahre Champion | |
| > Muhammad Ali beharrte trotz öffentlicher Kritik auf seiner Religion. Das | |
| > macht ihn für viele junge Muslime in der westlichen Welt zum Vorbild. | |
| Bild: Muhammad Ali bekannte sich als Amerikaner öffentlich und unmissverständ… | |
| „Muhammad Ali ist tot“, sagt ein Freund mit bedrückter Stimme und legt sein | |
| Smartphone zur Seite. Auch mein Handy quillt über vor Meldungen zum Tod des | |
| Boxers, den jetzt alle nur noch „The Champion“ nennen. | |
| Was ich auffällig finde, ist, dass besonders viele junge Muslime weltweit | |
| ihre Anteilnahme ausdrücken. Und das, obwohl sie nie in ihrem Leben einen | |
| Kampf des Boxweltmeisters live mitverfolgt haben. | |
| Auch ich bin betroffen, weil ich das Gefühl habe, dass jemand Großes fortan | |
| fehlen wird. Mit Muhammad Ali ist nicht nur ein Sportler verloren gegangen, | |
| sondern ein noch größerer Redner, Poet und Pazifist. | |
| Ich glaube, was viele der jungen Muslime fasziniert, die im Westen geboren | |
| und aufgewachsen sind, ist die Art seines Auftretens. Muhammad Ali bekannte | |
| sich als Amerikaner öffentlich und unmissverständlich zum Islam und sprach | |
| immer wieder darüber, wie seine religiöse Überzeugung sein Leben und | |
| Handeln beeinflusste. | |
| ## Gegen Rassismus, Klassismus und Krieg | |
| Die Religion war für ihn wegweisend in seinem Engagement gegen Rassismus, | |
| Klassismus und Krieg. Er verweigerte den Dienst im Vietnamkrieg und nahm | |
| dafür eine Gefängnisstrafe und die Aberkennung seines Weltmeistertitels in | |
| Kauf. Er tat das mit einer unglaublichen Standhaftigkeit und wählte die | |
| Worte eines Dichters. | |
| Einiges von dem, was er verlangte, mag für Nichtmuslime unverständlich | |
| erscheinen. Er ist der Einzige, dessen Stern auf dem Walk of Fame an einer | |
| Wand angebracht ist statt auf dem Boden. Muhammad Ali wollte nicht, dass | |
| auf dem Namen des Propheten herumgetrampelt wird. | |
| Dass er trotz öffentlicher Kritik auf seinen religiösen Prinzipien | |
| beharrte, macht ihn für viele junge Muslime in der westlichen Welt zum | |
| Vorbild, sind doch gerade sie es gewohnt, sich permanent für ihre | |
| Religiosität rechtfertigen zu müssen. | |
| Muhammad Ali war schon lange und ist spätestens mit seinem Tod eine | |
| Leitfigur, auf die sich nicht nur Schwarze und Benachteiligte in den USA, | |
| sondern auch junge Europäer mit arabischem, türkischem oder pakistanischem | |
| Hintergrund berufen und die seine Geschichte im Rahmen ihrer Kämpfe um | |
| Gleichberechtigung und Anerkennung deuten. | |
| ## Den Sklavennamen legte er ab | |
| Umso erstaunlicher ist es, wie jetzt weiße Rassisten à la Donald Trump | |
| versuchen, die Geschichte des Muhammad Ali zu verklären. Der amerikanische | |
| Präsidentschaftskandidat wetterte erst letzten Dezember gegen Barack Obama, | |
| der in einer Rede gesagt hatte, dass muslimische Sportler Helden seien. | |
| Jetzt bekundet er öffentlich, welch großer Champion Muhammad Ali aus seiner | |
| Sicht gewesen sei, den er in Zukunft vermissen werde. | |
| Andere wiederum weigerten sich, Muhammad Ali so zu nennen, wie er es sich | |
| zu Lebzeiten ausgesucht hatte. Und weil ich das als eine ungeheure | |
| Dreistigkeit empfinde, hat Muhammad Ali zumindest in diesem Text das letzte | |
| Wort: „Cassius Clay ist ein Sklavenname. Ich habe ihn mir nicht ausgesucht | |
| und ich will ihn nicht. Ich bin Muhammad Ali, ein freier Name – er bedeutet | |
| Geliebter Gottes, und ich beharre darauf, dass die Leute ihn benutzen, wenn | |
| sie über mich sprechen.“ | |
| 5 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Nemi El-Hassan | |
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