# taz.de -- Kommentar IS in Libyen: Es droht ein Irak am Mittelmeer | |
> Libyen ist einem Bürgerkrieg zwischen dem Ost- und dem Westteil des | |
> Landes näher als je zuvor. Daran ist auch die EU schuld. | |
Bild: Zerbombtes Auto in Misrata: Libyen war noch nie näher an einem Bürgerkr… | |
Die EU will den Vormarsch des Islamischen Staates (IS) in Libyen stoppen. | |
Doch den Schutz der Botschaften und des in der Hauptstadt Tripolis fest | |
sitzenden Premierministers Fajes al-Sarradsch sollen Blauhelme übernehmen. | |
Europa selbst beschränkt sich auf die Entsendung von Spezialeinheiten und | |
Munition. Dabei wird man ausgerechnet mit den Milizen kooperieren, die vor | |
zwei Jahren putschten, weil ihnen das Ergebnis der Parlamentswahlen nicht | |
passte. | |
Weil sich al-Sarradsch von der Islamisten-Allianz schützen lässt, weigert | |
sich das nach Ostlibyen geflohene Parlament, ihm die nötige Legitimierung | |
zu geben. Kurzum: Libyen ist einem Bürgerkrieg zwischen dem Ost- und dem | |
Westteil des Landes näher als je zuvor. | |
Zwischen den Milizen in Tripolis und der Armee im Osten liegt Sirte, die | |
Hochburg des ehemaligen Diktators Muammar al-Gaddafi. Rund 6000 IS-Kämpfer | |
haben sie zu einer Festung ausgebaut. Die Hoffnung, dass die Libyer vereint | |
gegen die Extremisten vorgehen werden, ist naiv – zumal dann, wenn Europa | |
offen Partei für eine Seite ergreift, die zu allem Überfluss keinerlei | |
Interesse am Aufbau einer neutralen Armee und Polizei hat. | |
[1][Die Libyen-Konferenz von Wien] wird nicht die Expansion des IS und die | |
lebensgefährliche Migration über das Mittelmeer stoppen, sondern genau die | |
mafiösen Milizen stärken, die einen stabilen Staat ablehnen. Anders als die | |
Diplomaten sehen die Konfliktparteien den IS nicht als ihren Hauptfeind, | |
sondern eine Chance, die Gegenseite auf Distanz zu halten. Dem IS werden | |
sie sich deshalb wohl erst dann entgegenstellen, wenn es zu spät ist. | |
Wenn der Friedensprozess überhaupt eine Chance haben soll, dann müssen die | |
noch funktionierenden Armee- und Stammes-Strukturen endlich einbezogen | |
werden. Denn gerade im Osten gibt es Bestrebungen, eigene | |
Regierungsstrukturen aufzubauen, weil Europa die libysche Bevölkerung | |
derart lange der Gewalt der Islamisten überließ. | |
Als Vorbedingung für jegliche militärische Hilfe des Westens müssten | |
außerdem die Kommandeure beider Seiten – und nicht die machtlosen Politiker | |
– an den Verhandlungstisch geholt werden. Der internationale | |
Strafgerichtshof in Den Haag und die bestehenden UN-Resolutionen zum Schutz | |
der Zivilbevölkerung machen ein robustes politisches Eingreifen möglich. | |
Die Alternative wäre ein Irak am Mittelmeer. | |
17 May 2016 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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