# taz.de -- Kolumne #Waterloo in Stockholm 6: Russlands Charmeoffensivoffizier | |
> Der russische ESC-Kandidat Sergej Lazarev sieht aus wie ein H&M-Model, | |
> ist aber „keine Maschine“. Und: Er singt gern vor schwulem Publikum. | |
Bild: Vielleicht schafft er es, Russland ein wenig zu lockern: Sergej Lazarev | |
Die Veranstalter des ESC finden, diplomatisch gesehen, alles gut, was die | |
42 Länder hier in Stockholm auffahren werden. Am Dienstagabend (21 Uhr, | |
Phoenix) findet die erste Qualifikationsrunde für das Finale am Samstag | |
statt, auch dabei ist der russische Popstar Sergej Lazarev. | |
Er ist Kandidat der europäischen Wetter, liegt in allen Prognosen haushoch | |
vorne. Gut möglich, dass im kommenden Jahr der ESC in Russland ausgerichtet | |
wird, in Sotschi oder Petersburg. Der 33-jährige Performer, optisch eine | |
Art H&M-Model, ist gut in Form – er hat als ausgebildeter Entertainer | |
millimetergenaue Arbeit auf der Bühne des Globen zu verrichten, um die | |
vorgegebene Bildchoreographie nicht albern wirken zu lassen. | |
Er sitzt mir gegenüber zum Interview, er ist freundlich, gelegentlich fragt | |
er seine griechische Betreuerin (das ist Europa!), ob er richtig verstanden | |
habe. Und spricht dann: „Ja, ich bin kein Roboter, ich bin ein Mensch. Es | |
soll perfekt aussehen, aber dann bin ich immer noch keine Maschine. Ich | |
freue mich auf den Auftritt. Ich kümmer mich nicht um Favoritenvorhersagen, | |
ich will für mein Land mein Bestes geben.“ | |
Andere ESC-Aspiranten aus anderen Ländern getroffen, etwa Jamala aus der | |
Ukraine, die „1944“, eine verkappte Anklage in Sachen Krim und deren | |
russische Besetzung? Sergej Lazarev weicht nicht, gut so – er soll nur | |
singen: Warum sollte er politischer werden als ihm selbst gut tun könnte? | |
„Oh, ich habe hier in Stockholm Freunde gewonnen und kenne nun so viele. | |
Für mich ist die Eurovision größer und schöner, als ich vorher dachte.“ | |
## „Russland ist sehr gastfreundlich, zu allen“ | |
Lazarev, wir fragen Sie: „Wenn Russland wieder den ESC ausrichten sollte – | |
würde dann zur Eröffnungsgala, wie vor sieben Jahren in Moskau, der | |
Bürgermeister nicht kommen, weil er so ein ‚Schwuchtelding‘ nicht besuchen | |
mochte?“ Der Sänger erwidert: „Ich kenne den Vorfall nicht, aber Russland | |
ist sehr gastfreundlich, zu allen.“ Auch zu den überwiegend schwulen | |
Besuchern, Journalisten und Fans, des ESC? „Natürlich, ich habe so oft vor | |
schwulem Publikum gesungen – ich mag das, ich mag das sehr.“ | |
Er wirkt in diesen Sekunden fast verloren, in aller Routine, die sein Beruf | |
zu erwerben ermöglicht hat. Er leidet offenbar unter Lampenfieber, | |
vielleicht Erwartungsdruck: „Ich kann nur mein Bestes tun, aber ich bin | |
keine Maschine.“ | |
In gewisser Weise muss er eine solche sein: Er hat ein Lied zu | |
interpretieren, das extrem von der körperlichen Fitness des Sängers lebt. | |
Er muss mit der Kritik leben, dass sein [1][„You Are The Only One“] | |
faktisch wie ein ästhetisches Cope/Paste-Produkt aus der Erbschaft des | |
Vorjahresgewinners klingt. | |
Aber, im Gegensatz zu Måns Zelmerlöw, dessen Titel „Heroes“ nur ein | |
mittlerer Charterfolg außerhalb Skandinavien wurde, hat Sergej Lazarev mit | |
dem Verdruss der queeren Fans zu tun: In den vergangenen zwei Jahren wurden | |
russische ESC-Acts ausgebuht – unhöflich war das, aber ein Ausdruck des | |
politischen Protests gegen die russischen Pro-Homophobie-Gesetze eben auch. | |
Vielleicht ist es mit Sergej Lazarev komplizierter. Er würde sich, | |
fantasiert man, über den Sieg freuen, weil dann im kommenden Jahr seine | |
„gay friends“ zum ESC reisen können: Und sei es, dieses Land ein wenig zu | |
lockern. | |
10 May 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=gHgxi57Um0w | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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