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# taz.de -- Kolumne #Waterloo in Stockholm 5: Oh Gott, Bargeld
> In Schweden ist Bargeld faktisch abgeschafft, Diskussionen darum gibt es
> auch nicht. Am meisten haben darunter die Bettler zu leiden.
Bild: Sind sie nicht schön? Schwedische Kronen
Am Fahrkartenautomaten des Stockholmer Flughafens Arlanda stand eine
wirklich nicht sehr alte Frau, vielleicht so um die Mitte 60. Rollkoffer,
ein Rucksack auf den Schultern – aber eine Fahrkarte bekam sie auf Anhieb
nicht. „Gibt es keinen Schlitz für Bargeld?“ Nein. Abgeschafft. Vielleicht
ist sie eine Auswanderin, die irgendwo anders ihr Glück suchte, nicht in
ihrer Heimat Schweden.
Jedenfalls: In Schweden ist Bargeld faktisch abgeschafft. Man wird, möchte
man eine Taxe, ein Eis, eine Fahrkarte, eine Flasche Wasser oder auch nur
ein Bier mit Kronen bezahlen, angeguckt, als hätte man gerade mit
nikotingelben Fingern um eine Zigarette gebeten: Das ist nämlich in
Schweden ganz igittigitt.
So doitsche Debatten um das kostbare Bargeld – und der Verfemung von
Kreditkarten als recht eigentlich gefühlt imperialistische
Selbstauslieferung an die Welt des Kommerzes – gibt es hier nicht. Viele
Prominente unterstützen seit vielen Monaten die Kampagne für bargeldloses
Zahlen. Niemand käme auch nur auf die Idee zu meckern, dass die Gebühren
bei den Kreditkarteninstituten so hoch seien. Nein, man begleicht alle
Schuld im Monetären mit Karten.
Es ist zwar nicht so, dass in der Diskussion um das neue Level des
Bezahlens nicht auch Bedenken gegeben hätte. Die Kronenscheine – sehen sie
nicht schön aus? Müssen die wirklich ins Museum gebracht werden? Aber so
wie in Deutschland zu sprechen, wo an Scheinen und Münzen nationale
Identitäten geklebt werden: undenkbar in dem Land, das nicht einmal den
Euro einführen wollte.
## Salat mit Magnetstreifen
Björn Ulvaeus, der Gitarrist von Abba, der neulich so schön über die
Tradition der europäischen Aufklärung sprach und dies gestern Abend im
Stockholmer Rathaus wieder tat, vor allem, so meinten Beobachter gesehen zu
haben, in Richtung der osteuropäischen Delegationen, der russischen vor
allem, dieser Herr Ulvaeus war einer der wichtigsten Promotoren gegen das
klimprige Kleingeld.
Jetzt haben wir den Salat mit Magnetstreifen – und am meisten haben die
Bettler darunter zu leiden. Denn, großzügig, wie der Schwede oder die
Schwedin als solche oder solcher ist, so neigt er doch nicht dazu, um
Almosen bittende gleich Kreditkarten in die Hüte zu werfen. Und das liegt
nicht daran, dass Bettelei, das offene Angehen um Spenden eigentlich in
Schweden ein No-Go ist: Man bettelt nicht, man bietet wenigstens im Tausch
eine Dienstleistung an, sei es Schneeschippen, Laub harken oder
Fensterscheiben putzen. Sonst hat der arme Mann, die arme Frau, heißt es,
ein schlechtes Gewissen, wenn er Geld bekommt für nichts.
Dass das in Berlin gar kein Problem ist mit den Schuldgefühlen, versteht in
Schweden so recht niemand. Wie kann man nur etwas für nichts wollen?
Der Frau am Flughafen Arlanda konnte geholfen werden. Einfach ihr Ticket
mitgebucht, auf Karte, dann Bargeld erhalten. Nur: Wie wird man es wieder
los? Neulich dauerte die Begleichung einer Rechnung am Asia-Imbiss eine
halbe (!) Stunde – nur weil man partout in Münzen und kleinen Scheinen
bezahlen wollte.
9 May 2016
## AUTOREN
Jan Feddersen
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