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# taz.de -- Kolumne #Waterloo in Stockholm 7: Empörungswellen aus Russland
> Die putineske Propaganda hat ihren Auftritt nach der Show. Das aber liegt
> nicht am russischen Kandidaten Sergej Lazarev.
Bild: Sergej Lazaerev präsentiert eine gigantisch aufwändige Show
Es ist eine seltsame Erfahrung, macht man sie das erste Mal: Dass auf einer
Pressekonferenz Journalisten von anderen Journalisten allein schon für eine
Frage ausgebuht werden. Nicht von allen, aber doch von sehr vielen
russischen Kolleg*innen. Und so geschah's etwa um Mitternacht in Stockholm,
eine Dreiviertelstunde nach dem ersten Halbfinale ([1][hier die
Länderanalyse]) des ESC.
Russlands Sergej Lazarev hatte sich mit einer gigantisch aufwändigen Show
für das Grand Final am Samstag – neben neun anderen Kandidat*innen –
qualifiziert. Alle hatten Fragen zu beantworten, als sie dann dem jungen,
schüchternen, endlich vom Lampenfieber erlösten Herrn Lazarev gestellt
wurden, ging das in etwa so.
Die erste Frage kam von einer russischen Journalistin: „Sergej, magst du
uns den Gefallen tun zu sagen, was Dir an Russland, Deiner Heimat gefällt?
Wie würdest Du dein Land preisen?“ Das tat, deutlich irritiert, der Sänger
auch. Es war peinlich für ihn, weil es ihn zwang, die Sprechgebote der
putinesken Kohorte einzuhalten. Dann fragte ein Journalist aus Kanada:
„Herr Lazarev, wie steht es, falls Sie gewinnen, um die Fans und
Journalisten und die LGBTI-Rechte in Ihrem Land? Könnten sie unbesorgt
einreisen?“
Die Frage ging noch ein paar Worte weiter, aber etwa ein Drittel der
Anwesenden im Saal muhte und buhte, so laut wurde es. Lazarev aber
erwiderte das, was [2][er der taz auch schon erzählt hatte]. Alles schick
in Russland, klar. Herzlich willkommen. Es soll so schön werden, wie
damals, beim ESC vor sieben Jahren in Moskau.
Man merkte seiner Antwort das Einstudierte an. Identische Sätze bei beiden
gelegenheiten, nun allerdings mit dem Zusatz, dass er sich an 2009 nicht
erinnere und auch nicht daran, wie es für „gays“ war. Falls man eine Prise
psychologischer Spekulation einstreuen darf: Sergej Lazarev, von dem
erwartet wird zu gewinnen, was ein Künstlerleben auch nicht gerade leichter
macht, hat schwule Fans, und er schätzt sie.
Aber 2009 war es so: Der damalige Bürgermeister Luschkow kam nicht zum
ESC-Eröffnungs-Catwalk, er begründete dies mit dem zu stark „schwuchteligen
Charakter“ des ESC selbst. Und als am Tage des Finales eine
Mikro-CSD-Parade um Solidarität bei den ESC-Fans bat, kamen dennoch
Kolleg*innen zur Parade (wer nicht dabei war, kann auch nicht wissen, dass
der ESC 2012 in Baku eine Offenbarung an Neugier und Zugewandtheit war für
die Gäste aus dem Ausland – dabei war es dies nur in zwiespältiger Weise):
Und wurden Augenzeugen, wie russische Milizen die Parade brutal
zerkloppten. Nicht metaphorisch, sondern echt, live und in Farbe mit
Knüppeln und Gefängniswagen. Nein, das war ein kalter, angsterfüllender ESC
– und Sergej Lazarev kann das wahrscheinlich nicht wissen. Aber muss er
lügen?
Die meisten russischen Journalist*innen, die ihren kanadischen Kollegen
ausbuhten, verließen nach den Fragen an Sergej Lazarev den Saal.
Interessiertheit an den anderen neun Qualifizierten mochten sie nicht
einmal simulieren.
11 May 2016
## LINKS
[1] http://www.eurovision.de/feddersens_kommentar/Jan-Feddersen-kommentiert-das…
[2] /Kolumne-%2523Waterloo-in-Stockholm-6/!5302573/
## AUTOREN
Jan Feddersen
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