| # taz.de -- Kolumne #Waterloo in Stockholm 2: Ausflug ins Pop-Mekka | |
| > Das Abba-Museum in Stockholm zeigt eine schöne Sammlung über die | |
| > Popgruppe. Da kann man wunderbar den Siebzigern nachspüren. | |
| Bild: Bilder von früher: die schwedische Popband Abba | |
| Seit zwei Jahren ist ein Museum in der schwedischen Haupstadt besonders | |
| populär, bei Einheimischen oder auch Touristen: das ist das Haus, welches | |
| sich der Geschichte der Pop-Gruppe Abba widmet. Es liegt inmitten in | |
| Djurgården, einem Wald- und Villenstück des großbürgerlichen Teils der | |
| Stadt, wo allerdings die Volksparks wie Skansen und Gröna Lund siedeln. | |
| Es ist eine beeindruckende Sammlung, die [1][das Abba-Museum] parat hat – | |
| als Vorbild nahm man das Beatles-Museum: Originalstücke wie die gezackte | |
| Silber-E-Gitarre von Björn Ulvaeus beim Eurovisionssieg 1974 in Brighton | |
| sind ebenso zu bestaunen wie das Mischpult, an dem Michael B. Tretow den | |
| genialen, an Phil Spectors Wall of Sounds orientierten Klangteppich aus | |
| Reglern heraus webte. | |
| Hübsch auch die rekonstruierte Garderobe der beiden Frauen Frida Lyngstad | |
| und Agnetha Fältskog, in dem auf dem Kosmetikkoffer der einen ein sonniger | |
| Button mit „Atomkraft – Nej Tack“ zu sehen ist. Es können schwelgerische | |
| zwei Stunden sein, die man dort sich aufhält – und zugleich auch die | |
| Menschen beguckt, die das Gleiche tun wie man selbst: gucken, wiederhören, | |
| sich freuen und offenkundig in eigenen Erinnerungen an die Zeit der frühen | |
| Siebziger bis zu den Achtzigern umhertauchen. | |
| Ein metaphysischer Überbau fehlt natürlich, so ein Abba-Museum ist keine | |
| wissenschaftliche Einrichtung, die die zwei Kilometer Diskurs (in | |
| Vorträgen, Aufsätzen etc.) parat hätte. Man kann aber auch so der Zeit | |
| nachspüren – und besonders fällt ein Filmschnipsel auf, der den | |
| Abba-Manager Stikkan Andersson unmittelbar nach dem Sieg von Abba 1974 | |
| zeigt. „Waterloo“ war ja der Titel, und die Schweden traten inklusive | |
| Dirigent Sven-Eric Waldoff in grellen Kostümen auf, dem Napoleonischen | |
| nachempfunden. | |
| Der Reporter des schwedischen Fernsehens fragte in einem Anflug von | |
| abenteuerlicher Sauertöpfischkeit den Mann, der seine Band gerade ins | |
| Universum des Pop hochgeschossen hatte: „Ist es zu gewagt zu fragen, wie es | |
| denn sein kann, dass der Siegertitel ästhetisch im Tod von 40.000 Menschen | |
| wurzelt?“ Andersson, offenbar verblüfft: „Ich würde Popmusik nicht so | |
| zynisch interpretieren.“ | |
| ## Leichtigkeit und Schwere zugleich | |
| Aber so war es wirklich damals: TV-Reporter und die beginnende politische | |
| Korrektheit um die mittleren Siebzigerjahre herum, unfähig, Pop wie | |
| Leichtigkeitig und Schwere zugleich zu lesen. Dieser Mann wollte Haare in | |
| der Suppe finden. In Schweden war nämlich damals das Kulturestablishment | |
| linksradikal und den ESC empfand man als kulturimperialistisches Projekt | |
| zur Verdummung der Massen. Ich schätze, so sieht man es im Abba-Museum, mit | |
| solchen politischen Empfindungen, dem „Volk“ belehrend zur Seite zu | |
| springen und es zu mahnen, pariert es nicht, fing der Niedergang der Linken | |
| an. | |
| Dabei hätte in Abba damals schon, so ließe sich eine These formulieren, | |
| alles zeitläuftig gelesen werden können, was heute zu den fetten | |
| Diskursdingern zählt, ausgedrückt in Liedern: die Neuordnung der | |
| klassischen Familie („One Man, One Woman“), die Berücksichtigung der | |
| postkolonialen Welt („Chiquitita“), die Lust am Vergnügen („Summer Night | |
| City“) und der Aufbruch in Liebe bei Älteren („Die Day Before You Came“). | |
| Abba war ein modernes Pop-Projekt, kein Jungsding wie die Beatles oder die | |
| Stones. In dieser schwedischen Formation begegneten sich vier Berufstätige, | |
| die sich zu einem Start-up zusammentaten. | |
| ## Gefühle am Ende der Nachkriegszeit | |
| Und in Abba mit dem typisch melancholischen Grundklang kündigt sich das an, | |
| was man die große europäische Nervosität nennen könnte: Gefühle am Ende der | |
| guten Nachkriegszeit, vor der Ära der Migrationen und ökonomischen | |
| Instabilitäten. Abba waren noch blond – das Stockholmer Stadtbild zeigt ein | |
| Schweden, wie es ethnisch diverser kaum sein könnte, die allermeisten mit | |
| dem robusten Akzent der Vorstädte, soweit flüchtige Höreindrücke nicht | |
| täuschen. | |
| Agnetha, Björn, Benny und (Anna) Frid standen, symbolisch, für einen Pop | |
| des Antirassismus und Inklusion zu einer Zeit, als solch explizite Worte | |
| noch nicht gang und gäbe waren. Die Besucher im Abba-Museum zogen mit | |
| glücklichen Gesichtern durch die weitläufigen Kellerräume. Soweit man weiß, | |
| wie Björn Ulvaeus neulich auf den [2][ESC zur Aachener Karlsmedaille | |
| laudatierte], waren und sind die Abbas Helden einer Epoche von Frieden. Das | |
| ist kein Stoff für Rechtspopulisten, was das Quartett zu liefern hatte: | |
| Ästhetik des coolen Starrsinns, dass es ohne Hass gehen muss. | |
| 6 May 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.abbathemuseum.com/ | |
| [2] /Karlsmedaille-fuer-Eurovision-Song-Contest/!5300092/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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