# taz.de -- Bayern gegen die Bundesregierung: Grenzen offen, Seehofer ruhig | |
> Die Grenze ist für Flüchtlinge immer noch geöffnet, doch Bayern will die | |
> Bundesregierung nicht mehr verklagen. Die CSU verkauft das als Sieg. | |
Bild: Ob Horst Seehofer die Bundeskanzlerin wieder „liebe Angela“ nennt? | |
Berlin taz | Bevor er unfreundlich wurde, schickte Horst Seehofer der | |
Bundeskanzlerin noch einen Brief. „Liebe Angela“, hatte er im Januar | |
geschrieben, auf das Briefpapier des Ministerpräsidenten von Bayern | |
gedruckt und ins Kanzleramt geschickt. So lieb gemeint, wie die Anrede | |
klang, war der Brief aber nicht: Horst Seehofer, Ministerpräsident von | |
Bayern, hatte darin der Bundesregierung gedroht, gegen sie vor das | |
Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Der Grund: die vielen Geflüchteten, die | |
von Österreich aus nach Bayern kamen. „Die Entwicklung kann so nicht | |
weitergehen“, schrieb Seehofer in demm Brief. Und: „In Erwartung einer | |
Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen …“ Eine Floskel. | |
Das war im Winter. An manchen Tagen kamen mehr als 3.000 Geflüchtete am Tag | |
nach Deutschland. Inzwischen sind es nicht einmal mehr 200 täglich. Aber | |
die Grenze ist immer noch offen, das Dublin-Prinzip weiter außer Kraft. Der | |
Klagegrund besteht also weiterhin, denn schließlich ging es ja um die | |
Befürchtung, der Rechtsstaat sei ausgehebelt, und nicht um Zahlen – oder? | |
Nun gibt Horst Seehofer nach – und deutet das Ergebnis als Sieg: Bayern | |
habe sich mit seinen Forderungen nach schärferen Grenzkontrollen und einer | |
rigorosen Sicherung der Außengrenzen durchgesetzt, ließ er über den Chef | |
der bayerischen Staatskanzler, Marcel Huber, am Dienstag mitteilen. Die | |
Grenzen entlang der Flüchtlingsroute sind dicht, die deutschen | |
kontrolliert. Eine Klage sei also nicht nötig. Ganz wichtig aber: | |
„vorerst“. | |
Bayern übernahm in der Erstversorgung Geflüchteter eine wichtige Rolle. Der | |
überwiegende Teil der Geflüchteten kam zunächst dort an. In der Gesamtschau | |
versorgten die dortigen Gemeinden und Städte die Asylbewerber vorbildhaft – | |
trotzdem eröffnete die CSU an diesem Thema einen massiven Streit in der | |
Union. | |
Horst Seehofer nannte die Politik der Bundesregierung eine „Herrschaft des | |
Unrechts“. Er sprach von der Endlichkeit ihrer Fraktionsgemeinschaft. | |
Zuletzt drohte er damit, zur Bundestagswahl einen eigenen CSU-Wahlkampf zu | |
veranstalten – mit sich als Spitzenkandidat. Er bekam die Rückendeckung | |
seiner Männer. | |
Dobrindt bezeichnete die Kanzlerin als Schuldige am Aufstieg der AfD. | |
Markus Söder sagte, inhaltlich sei die CSU von der CDU weiter entfernt als | |
1976. Ein Schlüsseljahr: Damals drohte die CSU, die Fraktionsgemeinschaft | |
mit der CDU nicht zu verlängern. | |
## Grenzkontrollen gehen weiter | |
Die Kanzlerin ließ sich drei Monate Zeit, bevor sie ihrerseits einen Brief | |
schrieb. Ihre Antwort auf Seehofers Vorwürfe: Sie seien nicht | |
gerechtfertigt. Doch folgenlos blieb die Drohung aus Bayern nicht. Erst | |
eine gute Stunde nach den Neuigkeiten aus Bayern tritt der | |
Bundesinnenminister vor die Presse. | |
Doch die Bayern hatten seine Nachricht schon vorweggenommen. Denn die | |
Voraussetzung für Klageverzicht hatte Seehofer längst geäußert: Die | |
Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze müssten fortgesetzt | |
werden. Genau das verkündete de Maizière in Berlin. | |
Die Grenzkontrollen wären am Freitag ausgelaufen, ursprünglich hatte de | |
Maizière in Aussicht gestellt, sie aufgrund der niedrigen Flüchtlingszahlen | |
nicht zu verlängern. Seehofer reagierte darauf erbost. Jetzt argumentierte | |
de Maizière: Solange die EU-Außengrenzen nicht ausreichend geschützt seien, | |
müssten die nationalen Grenzen kontrolliert werden. Dafür soll das Personal | |
der Bundespolizei aufgestockt werden. | |
## AfD versus CSU | |
De Maizière sprach sich erneut für einen Ausbau der Grenzschutzagentur | |
Frontex aus „mit dem Ziel, dass sie zu einer echten EU-Küstenwache wird“. | |
Er wiederholte seine Forderung nach einem europäischen Reiseregister. | |
„Damit sollte dieser Punkt das Verhältnis der Schwesterparteien nicht | |
belasten“, sagte er. | |
Trotzdem ging am Dienstag eine Klage ein – vor dem Münchner | |
Verwaltungsgericht. Der Kläger: die AfD. Der Beklagte: Horst Seehofer. Weil | |
er noch immer nicht geklagt hat. | |
11 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Christina Schmidt | |
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