# taz.de -- Kommentar Integrationsgesetz: Nur ein weiteres Asylpaket | |
> Die Koalition hat den Entwurf für ein Integrationsgesetz vorgelegt. Statt | |
> Integration zu fördern, werden strengere Auflagen für Flüchtlinge | |
> vorgestellt. | |
Bild: Bei der Vorstellung der Ergebnisse des Koalitionsgipfels: Gabriel, Merkel… | |
Für Flüchtlinge ist es egal, ob die AfD schon im Bundestag sitzt. Denn über | |
die CSU und Teile der CDU regiert sie in Berlin jetzt schon mit. Die Angst | |
vor den Rechtspopulisten führte auch teilweise die Feder bei dem so | |
genannten „Integrationsgesetz“, [1][das die Bundesregierung jetzt vorgelegt | |
hat]. Dem Maßnahmenkatalog ist diese Furcht anzumerken. | |
Erstmals seit November traten Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar | |
Gabriel am Donnerstagmittag wieder vor die Presse. Der demonstrative | |
Schulterschluss der Parteichefs soll suggerieren, dass der Koalitionskrach | |
beigelegt und man sich grundsätzlich einig sei. Dabei greift man auf die | |
bewährte „Good cop, bad cop“-Arbeitsteilung zurück, nach der der | |
CDU-Innenminister die Folterinstrumente vorzeigt, und sich die | |
SPD-Arbeitsministerin für die Wohltaten verantwortlich darstellt. | |
Das geplante „Integrationsgesetz“, das in Wirklichkeit nur ein weiteres | |
Asylpaket ist, sieht strenge Auflagen für anerkannte Flüchtlinge vor, was | |
ihre Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen und ihren Wohnsitz | |
betrifft. Wer sich nicht daran hält, soll empfindlich bestraft werden – | |
dieser Punkt ist noch umstritten. Einen dauerhaften Aufenthalt sollen | |
anerkannte Flüchtlinge nur erhalten, wenn sie sich an alle Auflagen halten | |
und Sprachkenntnisse, Arbeit oder Ausbildungsplatz nachweisen können. Auf | |
ein verpflichtendes Werte-Bekenntnis, dass die CSU ursprünglich gefordert | |
hatte, hat die Koalition jedoch verzichtet. | |
Die SPD hat durchgesetzt, dass Flüchtlinge leichter eine Ausbildung machen | |
und schneller an Integrationskursen teilnehmen können. Die Vorrangprüfung | |
wird für eine Probezeit von drei Jahren ausgesetzt und bestehende Hürden | |
bei der Leiharbeit sollen beseitigt werden. Aus Bundesmitteln sollen | |
außerdem 100.000 neue Jobs geschaffen werden, um Flüchlinge auch mit | |
„Ein-Euro-Jobs“ zu beschäftigen. | |
## Aus Fehlern lernen | |
Es bleibt das Problem, dass nicht genug Integrations- und Sprachkurse | |
angeboten werden, um die Nachfrage zu stillen, und dass sie nicht allen | |
offen stehen. Solange ihr Asylverfahren nicht abgeschlossen ist, dürfen | |
afghanische oder somalische Flüchtlinge zum Beispiel gar nicht daran | |
teilnehmen und müssen monatelang warten. | |
Statt sich immer neue Sanktionen auszudenken, um angebliche | |
„Integrationsverweigerer“ in die Pflicht zu nehmen, sollte die | |
Bundesregierung lieber mehr Angebote schaffen, um die Integration zu | |
erleichtern. Sonst bleibt die Behauptung, man habe aus den Fehlern der | |
Vergangenheit gelernt, eine hohle Phrase. Denn es war die jahrelange | |
Verweigerung eines sicheren Aufenthaltstitels, der Möglichkeit, Deutsch zu | |
lernen und einer geregelten Arbeit nachzugehen, die zu jenen | |
Desintegrationserscheinungen früheren Flüchtlingen geführt haben, die heute | |
beklagt wird. Auch das neue „Integrationsgesetz“ könnte am Ende eher die | |
Integration erschweren. | |
14 Apr 2016 | |
## LINKS | |
[1] /!5295704/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Migration | |
Integrationsgesetz | |
Schwerpunkt Flucht | |
Freistaat Bayern | |
Schwerpunkt Flucht | |
Integrationsgesetz | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Integration | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Große Koalition | |
Integration | |
Schwerpunkt Flucht | |
Kreuzberg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Migrationsrechtler über politischen Kurswechsel: „Hamburg lässt Afghanen im… | |
Afghanischen Geflüchteten drohen Sammelabschiebungen, obwohl sich weder | |
ihre asylrechtliche Situation noch die Konflikte im Land verändert haben. | |
Streit um Integrationsgesetz in Bayern: Mehr als Dirndl und Lederhose | |
Was ist gelungene Integration? Der bayerische Landtag kann sich nicht | |
einigen. Gegner des Gesetzes kündigen eine Klage in Karlsruhe an. | |
Kommentar Integrationsgesetz: Alles andere als historisch | |
Ein Integrationsgesetz ist längst überfällig. Doch der jetzt vorliegende | |
Entwurf geht in die falsche Richtung. Einige Regeln verhindern sogar die | |
Integration. | |
Geplantes Integrationsgesetz: Neue Regeln für Flüchtlinge stehen | |
Die große Koalition hat sich auf einen Entwurf für das neue | |
Integrationsgesetz geeinigt. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick. | |
Bayern gegen die Bundesregierung: Grenzen offen, Seehofer ruhig | |
Die Grenze ist für Flüchtlinge immer noch geöffnet, doch Bayern will die | |
Bundesregierung nicht mehr verklagen. Die CSU verkauft das als Sieg. | |
Kritik an Integrations-Masterplan: EhrenamtlerInnen haben einen Plan | |
Willkommensinitiativen für Flüchtlinge fordern mehr Mitspracherecht bei der | |
Erstellung des Masterplans für Integration. | |
Debatte Geschlechterverhältnis im Islam: Die Ehre der Frauen | |
Wie wichtig ist ein verweigerter Handschlag? Im Islam gibt es keine | |
einheitliche Konvention. Die Debatte schürt islamfeindliche Ressentiments. | |
Anti-Terror-Maßnahmen der Koalition: Offene Grenzen für Dateien | |
Die Koalition hat sich auf Maßnahmen gegen den Terrorismus geeinigt. | |
Geheimdienste sollen stärker zusammenarbeiten. | |
Koalition einigt sich auf Integrationsgesetz: Fördern und fordern | |
CDU, CSU und SPD haben sich auf Maßnahmenpakete zur Integration und zur | |
Terrorismusabwehr verständigt. Weitere strittige Punkte blieben zunächst | |
offen. | |
Debatte Flüchtlingspolitik: Geht fürs Asyl auf die Straße! | |
Wer eine humanitäre Flüchtlingspolitik will, muss Druck auf Kanzlerin | |
Angela Merkel machen. Nur so löst sie ihr Versprechen ein. | |
Zwei Jahre Räumung Oranienplatz: Die unsichtbaren Flüchtlinge | |
Die meisten Flüchtlinge, die einst den Platz besetzt hatten, kämpfen immer | |
noch um legalen Aufenthalt – und nicht wenige verzweifeln daran. |