# taz.de -- Migrationsrechtler über politischen Kurswechsel: „Hamburg lässt… | |
> Afghanischen Geflüchteten drohen Sammelabschiebungen, obwohl sich weder | |
> ihre asylrechtliche Situation noch die Konflikte im Land verändert haben. | |
Bild: Nach Anschlägen auf Polizisten: Soldaten der afghanischen Armee sind im … | |
taz: Herr Brenneisen, stellen Sie in Ihrer Beratungsstelle fest, dass | |
tatsächlich afghanische Geflüchtete abgeschoben werden? | |
Claudius Brenneisen: Bisher nicht, aber es kommen schon mehr Afghanen mit | |
Ablehnungsbescheiden zu uns, das stimmt. Die Zahl der Anerkennungen | |
afghanischer Geflüchteter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht | |
nach unten. | |
Was hat sich denn rechtlich verändert? | |
Gar nichts. Nur die politische Motivation, afghanische Flüchtlinge | |
abzuschieben, hat sich geändert. Es gibt jetzt das Rücknahmeabkommen mit | |
der afghanischen Regierung, das Abschiebungen in großer Zahl zulassen soll. | |
Das müssen Sie erklären. Rechtlich hat sich nichts verändert und trotzdem | |
werden AfghanInnen jetzt seltener als Flüchtlinge anerkannt? | |
Die Anerkennung von Asylgesuchen ist eine Sache. Die liegt bei afghanischen | |
Flüchtlingen immer noch bei knapp 50 Prozent. Das Spannende ist, wie mit | |
einer Ablehnung umgegangen wird. In den letzten Jahren wurden die | |
Abschiebungen eben nicht vollzogen. | |
Und das könnte sich jetzt mit dem Rücknahmeabkommen ändern. | |
Genau. | |
Aber Sie sagten auch: Gleichzeitig sinkt die Quote der Anerkennungen. | |
Die Anerkennungszahl lag letztes Jahr bei knapp 80 Prozent, jetzt liegt sie | |
unter 50 Prozent. Der Grund dafür ist aus der rechtlichen Lage nicht | |
ersichtlich. Die Zustände in Afghanistan haben sich auch nicht verbessert. | |
Das führt eben zu dem Schluss, dass es ein politischer Kurs ist. | |
In Hamburg gibt es allerdings eine rechtliche Besonderheit, die sich | |
verändert hat. | |
Ja, die Senatorenregelung wurde abgeschafft. 2008 hat der damalige | |
Innensenator Christoph Ahlhaus von der CDU unter dem schwarz-grünen Senat | |
verfügt, dass Menschen nach 18 Monaten Duldung einen Aufenthalt bekommen. | |
Das war bundesweit einmalig? | |
Jein. Es geht auf ein Bundesgesetz zurück, Paragraf 25, Absatz 5 des | |
Aufenthaltsgesetzes, wo genau das drin steht. Nur Hamburg war das einzige | |
Land, das das umgesetzt hat, auf öffentlichen Druck hin. | |
Diese Regelung hat der rot-grüne Senat jetzt einfach wieder abgeschafft. | |
Ja. | |
Fährt Hamburg aktuell einen besonders harten Kurs gegen Geflüchtete? | |
Bisher kann man das im Vergleich zu anderen Bundesländern noch nicht sagen. | |
Aber Hamburg hat die größte afghanische Community. Wenn die jetzt verstärkt | |
abgeschoben werden, wird sich das bemerkbar machen. Wobei – die Abschaffung | |
der Senatorenregelung ohne jede Ankündigung oder das Aufzeigen von | |
Alternativen war schon hart. | |
Welche Alternativen meinen Sie? | |
Bisher wusste man, auch wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde, dass es andere | |
Möglichkeiten gibt, um hierzubleiben. Asyl ist ja nicht die einzige | |
Grundlage, auf der man hier bleiben kann. Gründe können sein, wenn man zum | |
Beispiel zur Schule geht, eine Ausbildung macht oder eben | |
Ausreisehindernisse vorliegen – wie die unsichere Lage in Afghanistan. Das | |
ist jetzt weggefallen und alle fragen sich: „Wann geht’s los?“ | |
Was passiert mit den Geflüchteten, die aufgrund der Senatorenregelung | |
bleiben dürfen – wird ihnen der Status wieder aberkannt? | |
Wir hoffen nicht, aber das ist alles offen. Die Stadt lässt die Afghanen | |
völlig im Unklaren darüber, wie es weitergeht. | |
Haben schon AfghanInnen die „freiwillige“ Ausreise angetreten, weil sie | |
fürchten, ohnehin abgeschoben zu werden? | |
Das wäre mir nicht bekannt und ich kann es mir nicht vorstellen, weil | |
Afghanistan im Ranking der Herkunftsländer von Geflüchteten aktuell auf | |
Platz zwei liegt. Die Sicherheitslage hat sich dort nicht entspannt, | |
sondern viele Städte und Regionen werden von den Taliban „zurückerobert“ | |
und der sogenannte Islamische Staat (IS) ist auch schon tätig. Wir sind da | |
in einem Zustand wie vor der Invasion westlicher Truppen. Auch die Zahl von | |
über einer Million afghanischen Flüchtlingen im Iran spricht dagegen. Und | |
wenn man sich die Bilder anguckt: Frauen tragen Burka und in Kabul gab es | |
im Juli einen Anschlag auf eine friedliche Demonstration mit 80 Toten und | |
über 200 Verletzten. | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) meint, es gebe genügend | |
„sichere Regionen“. | |
Aber davon auszugehen, dass wir dort sichere Verhältnisse haben, ist | |
absurd. Seit 2009 gab es 60.000 Opfer durch zivile Anschläge. Und wenn man | |
sich anguckt, unter welchen Sicherheitsvorkehrungen ausländische | |
Organisationen arbeiten, spricht alles dagegen, dass es eine große | |
freiwillige Bewegung zurück nach Afghanistan gibt. | |
1 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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