# taz.de -- Kolumne Habibitus: Wallah, Jörgie, mach nicht so! | |
> Wenn Tussis und Kanack_innen linke Räume betreten wollen, müssen sie | |
> erstmal am Türsteher vorbei. Und sich rechtfertigen. | |
Bild: Lindsay Lohan in „Mean Girls“. Sie musste sich auch ständig an den C… | |
Kennt ihr das noch aus der Schulzeit, als irgendwelche Bratzen immer die | |
Deutungsmacht über die Coolness der anderen beanspruchten? Gegen Ende der | |
Pubertät hoffte ich sehr darauf, diese lästigen Dynamiken aus meinem Umfeld | |
hinter mir zu lassen. Bestimmen zu wollen, wer top und wer flop ist, ist | |
einfach voll „Mean Girls“-mäßig. Also richtig 2000er und doch irgendwie z… | |
Kult geworden. | |
Selbst Kontexte, die sich als herrschaftskritisch und alternativ sehen, zum | |
Beispiel Linke™ oder Feministische™, reproduzieren dieses Gatekeeping aus | |
der Mittelstufe. Immer wieder drückt es mir auf den Schläfen, wenn ich | |
mitbekomme, dass Leute sich wie die Türsteher_innen exklusiver Clubs fühlen | |
und an anderen Leuten herumbewerten wollen – also gäbe es nur ihr | |
Verständnis von politischem Handeln. | |
Konstruktive Kritik und das Hinterfragen der eigenen Praxis halte ich immer | |
für gut. Den Ausschluss von Personen, die nicht so privilegiert sind wie | |
man selbst, ist hingegen richtig Katastrophe. Und genau das bewirkt dieses | |
Gatekeeping oft. Viele wundern sich, warum Linke™ oder Feministische™ Räume | |
so weiß, häufig auch cisgeschlechtlich, hetero und bürgerlich dominiert | |
sind. | |
Schuld an diesem Einheitsbrei ist der Einheitsbrei selbst, weil er nicht | |
genug dafür tut, dass sich die fehlenden Gruppen bei ihm willkommen fühlen. | |
Sehr viele meiner Freund_innen mit sehr radikalen Denk- und Lebensweisen – | |
so anti-kapitalistisch, queer und anti-rassistisch, dass so manche | |
Linken™-Gruppe neben ihnen so bourgie wie ein paar Segelschuhe aussieht – | |
zum Beispiel erzählen mir davon, dass sie in weißen Linken™ oder | |
Feministischen™ Räumen ein großes Unbehagen durchfährt. Sie müssen ihre | |
Daseinsberechtigung permanent unter Beweis stellen und absurde Fragen à la | |
„Weißt du überhaupt, was Feminismus ist?“ beantworten. Vor allem Tussis u… | |
Kanack_innen geraten ständig in einen Rechtfertigungszwang. | |
Sobald Personen von sich das Bild einer extrem politischen Person haben, | |
machen sie eine_n auf Sven Marquardt. Dabei bedarf es nur einer weiteren | |
Person, die sich selber als noch krasser wahrnimmt, um erstere in die | |
Situation der_des Dillitant_in zu bringen. | |
Ich werde von weißen Cisheten gerne gefragt, ob muslimische Frauen | |
überhaupt Feministisch™ sein können, ganz so, als wäre diese Bezeichnung | |
nur für ihren privilegierten Arsch reserviert. Sie kapieren nicht, dass | |
jede Person andere politische Ansprüche hat: Ich frage diese Heten | |
schließlich auch nicht, ob sie keine Widersprüche zwischen ihrer | |
Heterokleinfamilie in der Eigentumswohnung und ihrer politischen Praxis | |
sehen. Das können sie für sich selbst abwägen. | |
Der Unterschied zwischen „Mean Girls“ und Feminismus ist, dass es sich bei | |
dem einen um eine exklusive Mittelstufenclique und bei dem anderen um eine | |
politische Praxis handelt. Bei letzterem braucht es keine von sich | |
überzeugten Gatekeeper_innen, die eine selektive Türpolitik machen wollen. | |
Wovor haben sie Schiss? | |
Dass ihr begrenztes Weltbild aus der Mode kommt, wenn zu viele Alis und | |
Zozans ihre intersektionalen Perspektiven einbringen? Keine Sorge, wenn die | |
ganzen Jörgs uns keinen Einlass gewähren wollen, machen wir halt unser | |
eigenes Ding. Denn wenn ich Bock auf Gatekeeping hätte, würde ich direkt | |
ins Berghain gehen und nicht zu Möchtegern-Aktivist_innen in teurer | |
Trekkingkleidung. | |
22 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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