# taz.de -- Draußen vor der Tür: „Das war nicht rassistisch motiviert“ | |
> Kai Villbrandt nimmt Stellung zu Vorwürfen gegen seine Bremer Firma | |
> „Public & Private Security“, sie habe einem Flüchtling den Zugang zu | |
> einem Club verwehrt | |
Bild: Gehört eigentlich zu den Guten: Das „Moments“ im Bremer Steintorvier… | |
taz: Herr Villbrandt, gegen Ihre Türsteher-Firma sind Rassismus-Vorwürfe | |
laut geworden. Was ist aus ihrer Sicht passiert? | |
Kai Villbrandt: Es war am Halloween-Tag. Die „Gay Candy-Party“ im Club | |
„Moments“ war sehr voll und wir hatten schon zwei Mal Einlass-Stopp. | |
Deshalb wurde sehr konsequent kontrolliert. Einer unserer Mitarbeiter, der | |
neben der Tür stand, hat gemerkt, dass zwei Personen hinter ihm | |
reingegangen sind. Das hat er persönlich als „vorbeischleichen“ | |
interpretiert, deshalb hat er sie angehalten. Eine Person war außerdem | |
beinahe vermummt, nur Augen und Nase waren noch erkennbar. Er hat ihn | |
aufgefordert, die Kapuze abzunehmen. Und er forderte beide auf, die | |
Ausweise zu zeigen. Eine der Personen war Julia Schlecht, sie hat dann die | |
Security auf den Flüchtlingsstatus ihres Freundes hingewiesen, und darauf, | |
dass er als Homosexueller und Flüchtling mehrfach diskriminiert ist. | |
Worüber haben sie geredet? | |
Der Mitarbeiter musste schnell wieder in seine Position, deshalb war das | |
eine relativ kurze Diskussion, aber er hat ihnen angeboten, dass sie am | |
darauffolgenden Donnerstag wiederkommen könnten, um das zu besprechen. | |
Damit ist er ihnen eigentlich schon entgegengekommen. | |
Und sind keine rassistischen Bemerkungen gefallen? | |
Was passiert ist, war nicht rassistisch motiviert und erst recht kein | |
Racial Profiling. Die Beschreibung unseres Mitarbeiters gleicht der von | |
Julia, so wie sie in der taz wiedergegeben wird. Aber die Dinge sind | |
unterschiedlich interpretiert worden, da gab es Unterschiede in der | |
Wahrnehmung. | |
Warum wurde der junge Mann nicht in den Club gelassen? | |
Der Türsteher war sich sicher, dass Julias Freund zu den Leuten gehört, die | |
unter der Woche und am Wochenende im Viertel stehen, und die mehrfach dabei | |
beobachtet wurden, dass sie Leute beklauen. Vom Moments hat man nämlich | |
eine gute Sicht auf den Ziegenmarkt und die Helenenstraße. Er ist sich | |
heute noch sehr sicher, dass der junge Mann mit auffälligen Gruppen im | |
Viertel unterwegs ist. Und dass er außerdem minderjährig ist und schon | |
einige Male versucht hat, das Moments zu betreten. | |
Wie sehen grundsätzlich ihre Kriterien am Einlass aus? | |
Bei der Ausweiskontrolle akzeptieren wir Ausweise und alle Arten von Pässe. | |
Bei Geflüchteten akzeptieren wir die rosa-lila Aufenthaltsgenehmigungen, | |
Duldungen und Erstaufnahmebescheinigungen, die kommen mittlerweile aber | |
selten vor. Ein weiteres Auswahlkriterium bei vollen Veranstaltungen sind | |
Deutsch– oder Englischkenntnisse. Aus Sicherheitsgründen, um sich im | |
Ernstfall mit Gästen verständigen zu können. Das betrifft natürlich weniger | |
ausländische Studenten, sondern eher Arbeiter auf der Durchreise oder eben | |
die Flüchtlinge. | |
Stellen solche Gäste besondere Herausforderungen an die Sicherheitskräfte | |
dar? | |
Auf jeden Fall. Vor allem Geflüchtete, aber auch andere Menschen aus | |
anderen Kulturkreisen. Das sind mitunter die sprachlichen Unterschiede, | |
aber zum Beispiel auch, was den Umgang mit Frauen angeht – oder mit | |
Alkohol. Mittlerweile haben wir auch traumatisierte Flüchtlinge. Bislang | |
ist das bei uns erst einmal vorgekommen: In einem der Clubs hatte sich | |
jemand an der Hand verletzt. Danach war er nicht mehr ansprechbar und | |
völlig apathisch. Er wurde vom Türsteher vorsichtig nach draußen begleitet | |
und es wurde ein Krankenwagen gerufen. | |
Ist Rassismus an der Tür ein Problem? | |
Ja, definitiv. Aus Erzählungen von Flüchtlingen oder Austauschstudenten | |
wissen wir, dass sie in einigen Clubs nicht mal die Chance haben, ihre | |
Papiere rauszuholen, sondern beim Sehen gleich weggeschickt werden. Und da | |
rede ich auch nicht von „ihr kommt hier nicht rein, weil eure | |
Sprachkenntnisse ein Problem sind“ oder weil die passenden Dokumente nicht | |
da sind. Die werden abgewiesen, bevor überhaupt ein Dialog stattfindet! Bei | |
uns sind die dann überrascht, dass sie einfach reinkommen. | |
Dabei gilt Bremen als liberal. | |
Außerhalb von Bremen halte ich das für noch ausgeprägter. In Bremen hat | |
sich das stark verbessert, weil es eine Zuverlässigkeitsüberprüfung für | |
Türsteher gibt. Bei der wird unter anderem das erweiterte Führungszeugnis | |
und die Zugehörigkeit zu kriminellen Vereinigungen überprüft. | |
Ist das Thema Rassismus Teil der verpflichtenden Schulung für | |
Sicherheitskräfte? | |
Die Schulung ist bei mir sieben Jahre her, deshalb weiß ich nicht, | |
inwieweit die inzwischen geändert wurden. Aber das Thema wird in der | |
Prüfung nicht explizit angesprochen. Es gibt so einen sozialen Teil, da | |
wird man nur darauf hingewiesen, dass man immer freundlich bleiben sollte | |
oder woran man bestimmte Emotionen erkennt. | |
Und Ihre Firma versucht, es besser zu machen? | |
Wir versuchen schon bei der Einstellung zu gucken, ob die Leute ein | |
gewisses Bewusstsein haben. Das betrifft nicht nur Rassismus, sondern auch | |
Homophobie und Sexismus. Wir versuchen, die KollegInnen in der direkten | |
Arbeit zu sensibilisieren. Und wir versuchen auch drauf zu achten, dass | |
faschistische und rechtsradikale Symboliken keinen Einlass finden, das ist | |
uns persönlich sehr wichtig. | |
Welche Konsequenzen ziehen Sie und die Beteiligten aus dem Vorfall? | |
Mittlerweile stehen alle in Kontakt, ich habe bisher jeden Tag mit jedem | |
telefoniert. Wir sind momentan an dem Punkt, dass es in den nächsten Tagen | |
ein Gespräch mit allen Beteiligten geben soll. Der betreffende Türsteher | |
wird allerdings nicht dabei sein, damit eine negative Situation für den | |
Betroffenen verhindert wird. | |
Worüber wollen Sie reden? | |
An dem runden Tisch soll es einen Austausch darüber geben, was an dem Abend | |
vorgefallen ist – auch wenn wir den Rassismus-Vorwurf vielleicht nicht | |
gänzlich widerlegen können. Wir wollen niemandem seine persönliche | |
Wahrnehmung absprechen. Dann wird es darum gehen, was man in Zukunft anders | |
machen kann, das heißt Lösungsvorschläge für den Fall der | |
Mehrfachdiskriminierung. Wir glauben, dass wir in der Regel einen guten | |
Umgang mit Flüchtlingen haben. Mehrfachdiskriminierung ist uns nicht | |
unbekannt, aber das ist uns an diesem Tag zum ersten Mal an der Tür | |
begegnet. Da wurde nicht sofort erkannt, was das für die einzelne Person | |
bedeutet. | |
Werden Sie noch mal an die Öffentlichkeit gehen? | |
Wenn das gut läuft, wollen wir ein gemeinsames Statement über den Diskurs | |
und die Ergebnisse veröffentlichen. Es ist wichtig zu sagen, warum es bis | |
jetzt keine Stellungnahme gibt: Wir wollen nicht einfach ein Statement mit | |
leeren Worthüllen raushauen. Das machen alle, sobald sie mit solchen | |
Vorwürfen konfrontiert werden. Wir wollen aber leere Phrasen vermeiden, das | |
halten wir nicht für den richtigen Umgang mit einem zu ernsten Thema. Wir | |
wollen ein Ergebnis, an dem alle beteiligt sind, und mit dem alle zufrieden | |
sind. | |
15 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Nöfer | |
## TAGS | |
antimuslimischer Rassismus | |
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Gewaltverbrechen | |
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Kolumne Habibitus | |
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