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# taz.de -- Diskriminierung: Besondere Härte
> Rassistische Türpolitik vor Clubs ist noch immer gängige Praxis, wie ein
> aktueller Vorfall in Bremen wieder mal zeigt.
Bild: Kritik unerwünscht: Der Eingang zum Club „Moments“
BREMEN taz |Dass an der Tür zu Diskotheken aussortiert wird, ist keine
Seltenheit. Doch ein Vorfall an der Tür des Bremer Clubs Moments zeigt
besondere Härte. Die „Gay Candy“-Party soll nach Angaben der
VeranstalterInnen „Bremens beliebteste Party für Schwule, Lesben,
Bisexuelle und alle, die ausgelassen feiern wollen“ sein. Für alle? Nein,
denn für Josef*, einem jungen Geflüchteten, fand der Abend am vergangenen
Halloween-Samstag schnell ein Ende.
„Ein Antanz-Dieb kommt hier nicht rein“, habe der Türsteher zu ihm gesagt.
So berichtete es jedenfalls seine Begleitung Julia Schlecht der taz. „Ich
kenne dein Gesicht, mit dir hatten wir schon Probleme“, habe der Türsteher
auf Nachfrage behauptet.
Josef sagt, er sei kurz vor dem Eingang vom Sicherheitspersonal zunächst
aufgefordert worden, seine Kapuze abzunehmen. Ein Freund aus seiner Gruppe
war zu diesem Zeitpunkt bereits ohne Probleme durch die Tür gekommen. Doch
als der Türsteher Josef ins Gesicht sehen konnte, habe er ihn sofort
angehalten und der Tür verwiesen.
Die Kapuze hat Josef sich über den Kopf gezogen, da er fürchtete, an der
belebten Ausgehmeile von anderen Personen aus seinem Herkunftsland erkannt
zu werden. Denn Josef floh vor 16 Monaten nach Bremen. Aus Afrika, genauer
möchte er seine Herkunft nicht öffentlich benennen. Dort ist Homosexualität
illegal und kann mit dem Tod bestraft werden. Daher wäre es sein erstes Mal
auf einer queeren Party gewesen.
Seine Freundin Schlecht versucht, die Situation zu retten. Josef hat bunt
gefärbte Haare und Glitzer im Gesicht, da könne man doch sehen, dass er
sich extra für die Party zurechtgemacht habe und kein Dieb sei. Sie weist
noch darauf hin, dass die „Gay Candy“-Party besonders für ihren
ungeouteten, queeren Freund ein Schutzraum sein müsse. Doch der Türsteher
blockt ab, die Gruppe verlässt frustriert den Ort.
„Ich durfte nicht rein, weil ich nicht wie ein Deutscher aussehe“, sagt
Josef. „Danach wollte ich nur noch nach Hause.“ Er ist verzweifelt, nochmal
will er es nicht versuchen. Denn er hat Angst vor weiterer Ablehnung.
Auf Bitten von ihrem Freund Josef hinterlässt Julia Schlecht nach dem
Erlebnis eine negative Bewertung auf der Seite der Partyreihe. In der
steht, dass ihrem Freund aufgrund rassistischer Vorurteile der Eintritt
verwehrt worden ist. „Ein sensibler Umgang mit ungeouteten geflüchteten
Menschen sieht anders aus!“, schreibt sie zum Schluss.
Daraufhin wird ihr Account von Facebook gesperrt, mehrere Personen müssen
Julia Schlecht bei Facebook gemeldet haben – nur auf diese Weise kann eine
negative Bewertung von der Seite gelöscht werden. Als ein User daraufhin
den letzten Satz von Schlechts Text in einem neuen Beitrag postet, entgegen
die AdministratorInnen schnippisch, er solle sich „eventuell einfach mal
raushalten“, bis die Sache geklärt sei.
Ob das passieren wird und die VeranstalterInnen Einsicht zeigen? Das ist
fraglich. Die Clubbetreiber haben zwar mit dem Türsteher gesprochen,
nachdem Julia Schlecht Kontakt mit ihnen aufgenommen hatte. Bedauern über
den Vorfall hätten sie jedoch nicht geäußert, sagt Schlecht.
Auch rechtliches Vorgehen sei schwierig, da eine Anzeige bei der Polizei
mit einem Outing verbunden sei, sagt Rainer Neumann vom Rat&Tat–Zentrum
Bremen. Ein Aktionsplan des Landes beinhalte explizit den Abbau von
Mehrfachdiskriminierungen, denen queere Geflüchtete ausgesetzt sind. Doch
Türsteher hätten ein Hausrecht, von dem sie auch Gebrauch machten. Da ist
Bremen kein Einzelfall. Laut Neumann zeigen Statistiken, dass es auch an
Clubtüren in anderen deutschen Städten eine Art von „Racial Profiling“
gibt, eine Selektion nach rassistischen Kriterien.
Der Verein Rat&Tat, dem Neumann vorsteht, setzt sich daher für die Beratung
von Veranstaltern und Sicherheitskräften ein, um Diskriminierungen
abzubauen. Auch bietet er an, in Gruppen gemeinsam auf Veranstaltungen zu
gehen. Bei Julia Schlecht hat sich nach ihrem Beitrag ein Ausbilder für
Sicherheitspersonal gemeldet, der den von ihr beschriebenen Vorfall in
seine Schulungen einbauen möchte.
*Name geändert.
7 Nov 2016
## AUTOREN
Elisabeth Nöfer
## TAGS
Geschlechterdiskriminierung
Clubszene
Bremen
Migration
antimuslimischer Rassismus
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