| # taz.de -- Grüne wollen Vermögensteuer: Vermögen nach links steuern | |
| > Nach den Landtagswahlen wird wieder um Inhalte gestritten: Anton | |
| > Hofreiter und Simone Peter plädieren für eine dezidiert linke | |
| > Steuerpolitik. | |
| Bild: Ein kleines bisschen besteuern – große Wirkung | |
| Berlin taz | Bei den Grünen war die Frage, ob der Staat Reichen höhere | |
| Steuern zumuten müsse, gut zwei Jahre lang tabu. Diejenigen, die eine | |
| Umverteilung des Reichtums für richtig halten, waren nach der Wahl 2013 in | |
| der Defensive. Schließlich machten andere Grüne das linke Steuerprogramm | |
| für das Debakel verantwortlich. Später schwiegen Linksgrüne aus Rücksicht | |
| auf den Wahlkampf von Winfried Kretschmann. | |
| Doch nun, nachdem die Wahlen in Baden-Württemberg überstanden sind, | |
| formiert sich in der Ökopartei eine starke Bewegung für eine Vermögensteuer | |
| – eine dezidiert linke Forderung in der Steuerpolitik. Führende Grüne im | |
| Bund werben jetzt in der taz dafür, das Eigentum von Superreichen in | |
| Deutschland wieder zu besteuern. „Wir müssen uns trauen, sehr große | |
| Vermögen zu besteuern“, sagt Fraktionschef Anton Hofreiter. | |
| Das Privatvermögen sei in Deutschland so ungleich verteilt wie in keinem | |
| anderen Staat der Eurozone, argumentiert Hofreiter. „Das ist ein | |
| ökonomisches, aber auch ein demokratisches Problem.“ Nur sehr Reiche | |
| könnten sich schwache Kommunen oder ein schwaches Gemeinwesen leisten. | |
| Hofreiter, der zum linken Parteiflügel gehört, will im Bundestagswahlkampf | |
| 2017 Spitzenkandidat der Grünen werden. | |
| Auch die Parteivorsitzende Simone Peter, ebenfalls eine Linksgrüne, steht | |
| hinter der Idee. „Gute Gründe für eine Vermögensteuer gibt es viele“, sa… | |
| Peter. Sie wirke nicht nur der massiven Vermögenskonzentration und | |
| wachsenden sozialen Ungleichheit entgegen, sondern auch der mangelnden | |
| Transparenz. „Dass Vermögen heute gar nicht besteuert wird, macht es | |
| einigen Leuten leider zu leicht, ihren Besitz und ihr Einkommen daraus vor | |
| dem Fiskus zu verstecken – zum Beispiel in Steueroasen.“ | |
| ## Innovative Unternehmen fördern | |
| Die beiden Spitzengrünen sind mit ihrer Forderung nicht allein. Experten in | |
| der Bundestagsfraktion halten eine Einführung der Vermögensteuer für | |
| überfällig. „Eine verfassungskonforme Vermögensteuer ist machbar und | |
| notwendig“, sagt der Finanzpolitiker Gerhard Schick. Das Ziel müsse sein, | |
| die zunehmende Kapitalkonzentration in den Händen von wenigen zu stoppen. | |
| „Dafür braucht man eine Vermögensteuer, die relevante Milliardenbeträge | |
| ergibt.“ | |
| Wer viel besitze, könne sich schlagkräftige Lobbys leisten, sagt Lisa Paus, | |
| die Steuerexpertin der Fraktion. „Superreiche haben deshalb mehr Chancen, | |
| Themen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das ist in einer Demokratie | |
| problematisch.“ Paus hält die Steuer auch aus Wettbewerbsgründen für nöti… | |
| Vermögen konzentriere sich oft in großen Familienunternehmen. „Dieser Trend | |
| kann jungen und innovativen Unternehmen den Marktzugang erschweren.“ | |
| Mehrere Landesverbände der Partei haben sich zur Vermögensteuer bekannt, | |
| [1][zum Beispiel die Grünen in Nordrhein-Westfalen], Niedersachsen, | |
| Rheinland-Pfalz, Berlin und Bremen. Ein Grund: Viele Länder und Kommunen | |
| haben hohe Schulden, und sie werden durch die Schuldenbremse noch stärker | |
| eingeengt. Sie argumentieren also aus der Not heraus. | |
| „Wir wollen keinen bis zur Magersucht verschlankten Staat“, heißt es in | |
| einem Thesenpapier des NRW-Fraktionschefs der Grünen, Mehrdad Mostofizadeh. | |
| Das Papier, das der taz vorliegt, haben 17 grüne Minister und | |
| Landtagsabgeordnete unterschrieben – Linke sind dabei, aber auch mehrere | |
| Realos. Schulen, Schwimmbäder, Brücken und Straßen seien in schlechtem | |
| Zustand, heißt es in dem Papier. Oft fehle Geld für elementare Reparaturen. | |
| Eine Vermögensteuer würde gerade arme und vom Strukturwandel betroffene | |
| Regionen entlasten. „Das Ziel einer solchen Steuer soll mehr Fairness und | |
| Gerechtigkeit sein.“ | |
| ## Auch Realos sind für die Steuer | |
| Die Länder haben Interesse an der Steuer, denn die Erträge kommen ihnen | |
| zugute. Dabei geht es um sehr viel Geld: Selbst wenn sie nur das reichste | |
| eine Prozent der Haushalte träfe, würden dem Staat zwischen 10 und 20 | |
| Milliarden Euro zufließen. Das hat das Deutsche Institut für | |
| Wirtschaftsforschung im Januar errechnet. Bei den Grünen wird die Steuer | |
| deshalb nicht entlang der Flügel diskutiert, auch realpolitische | |
| Haushaltsexperten oder Landespolitiker befürworten sie. | |
| Die Vorstöße passen in die parteiinterne Agenda. In diesem Jahr diskutieren | |
| die Grünen das Thema Gerechtigkeit. Und die Vermögensteuer-Fans fühlen sich | |
| von Ökonomen wie Thomas Piketty oder DIW-Chef Marcel Fratzscher bestätigt, | |
| die die hohe Ungleichheit in Deutschland anprangern. Das Ziel: Die | |
| Vermögensteuer, die im Moment als „mittelfristiges Ziel“ im Wahlprogramm | |
| steht, soll dort bleiben. Andere Grüne würden sie dagegen am liebsten | |
| herausstreichen. | |
| Fraktionsvize Kerstin Andreae weist auf die Belastung für Unternehmen hin. | |
| „Der Knackpunkt ist das Betriebsvermögen.“ Wenn das besteuert wird, das | |
| betonen Wirtschaftsverbände, könnten Arbeitsplätze verloren gehen. Andreae | |
| sagt: „Falls dies passiert, haben wir mit Zitronen gehandelt.“ Sie schlägt | |
| deshalb Alternativen vor – und fordert zum Beispiel „mehr Mut bei der | |
| Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer.“ Diese beiden Varianten | |
| schälen sich in der Debatte heraus. | |
| Auch taktische Erwägungen spielen eine Rolle. Wirtschaftsverbände wie der | |
| DIHK lehnen eine Vermögensteuer strikt ab. Mancher Parteistratege fürchtet, | |
| dass es den Grünen mit einer solchen Forderung ergeht wie 2013. Damals | |
| starteten die Verbände eine massive Kampagne gegen die Steuerpläne der | |
| Grünen, die angeblich Hunderttausende Menschen den Job kosten würden. | |
| Im Moment tagt bei den Grünen intern eine Steuerkommission, die mit grünen | |
| Haushältern, Finanz- und Wirtschaftspolitikern besetzt ist. Die Runde | |
| trifft sich alle paar Monate unter der Leitung von Parteichefin Peter, dort | |
| prallen die Linien aufeinander. Offiziell heißt es bei den Grünen, ein | |
| Ergebnis liege bis Mitte Juni vor. Ob das angesichts der Fronten gelingt, | |
| ist fraglich. Eine Grüne, die sich mit der Materie auskennt, sagt: „Wir | |
| sind bereit, für die Vermögensteuer zu kämpfen.“ | |
| 20 Apr 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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