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# taz.de -- Kommentar Kleiner Grünen-Parteitag: Die Mitte ist kein sicherer Ort
> Derzeit lautet die Erklärung des grünen Erfolges, dass die Partei sich
> zur politischen Mitte bewegt hat. Eine wohl klingende Geschichte. Und
> eine gefährliche.
Bild: In der Bundespolitik herrschen andere Regeln
Den Grünen ging es lange nicht mehr so gut. Sie sind in zwei Dritteln aller
Landesregierungen vertreten. In Baden-Württemberg sind sie zur stärksten
Partei geworden. Winfried Kretschmann erscheint derzeit geradezu als
Verkörperung eines ebenso soliden wie intellektuell satisfaktionsfähigen
Politikers, pragmatisch, aber nicht prinzipienlos. Und somit wie das
Gegenbild zu dem sprunghaften SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Und die Grünen haben scheinbar einen strategischen Vorteil. Das
Parteiensystem differenziert sich aus. Die Lager lösen sich nicht auf, aber
sie werden undeutlicher, wie Schatten. Und gerade in dieser wachsenden
Unübersichtlichkeit ist es günstig flexibel zu sein und mit vielen zu
können. Die Grünen regieren in Erfurt mit der Linkspartei (die dort
allerdings sozialdemokratisch auftritt), in Stuttgart bald mit der CDU, in
Rheinland-Pfalz bald mit SPD und FDP. Also eine Partei, die bestens
gerüstet für die nächste Phase postideologischer Politik ist?
Vorsicht. Auf die letzte durch Fukushima ausgelöste Hausse für die Grünen
folgte die ernüchternde Bundestageswahl 2013. Die Konjunkturen in der
Stimmungsdemokratie sind jäh und kurz. Der Parteilinke Gerhard Schick
[1][warnte beim Länderrat in Berlin zu Recht davor], schon „den nächsten
Dienstwagen im Kopf zu haben.“
Derzeit lautet die eingängige Erklärung des grünen Erfolges, dass die
Partei, symbolisiert durch Kretschmann, sich endlich auf die soziale und
politische Mitte zubewegt hat. Diese Geschichte von Aufbruch und Ankommen
erzählen sich die Grünen derzeit gern. Sie hat etwas Wärmendes, sie
verknüpft die Vergangenheit der, was die eigene Geschichte angeht ansonsten
ziemlich ignoranten, grünen Partei mit der Aussicht auf eine lichte
Zukunft. Es ist eine wohlklingende Geschichte. Und eine gefährliche.
In der Bundespolitik herrschen noch immer andere Regeln als in den Ländern,
in denen der Typus des pragmatischen Bürgermeisters gefragt ist, bei dem
das Parteibuch nicht das Wichtigste ist. Im Bund sind die Lager noch
sichtbarer als in den Ländern, und Lagerwechsel können Kollateralschäden
verursachen.
Es stimmt: Schwarz-Grün ist 2017 für Hofreiter und Göring-Eckhart wohl die
einzige machtbare Regierungsoption. Gerade wenn die Grünen da schon vorab,
wie Kretschmann rät, ganz viel von Kompromiss reden, kann das 2017 nach
hinten losgehen. Und: Man muss nur ein paar Kapitel der Mitte-Erzählung
etwas drehen – schon sieht die historische Reifung und die erstaunliche
politische Flexibilität aus wie die Beliebigkeit einer liberalen
Scharnierpartei, die mit CSU und der Linkspartei koalieren kann. Und die
viel tut, um an die Macht zu kommen und wenig dafür verlangt.
Die Mitte für die Bundesgrünen kein sicherer Ort.
9 Apr 2016
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## AUTOREN
Stefan Reinecke
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