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# taz.de -- Prozess gegen Radovan Karadžić: Seine Eitelkeit führte zum Fall
> Das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag fällt am Donnerstag das
> Urteil über den bosnisch-serbischen Kriegsherrn Radovan Karadžić.
Bild: Kriegsverbrecher beim Spaziergang: Ratko Mladić und Radovan Karadžić i…
Sarajevo taz | Dem amtierenden Ministerpräsidenten der serbischen
Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, machte der Regen
nichts aus. Er hatte schließlich Großes vor. Am Montag eröffnete er ein
Studentenwohnheim im Luftkurort Pale bei Sarajevo, benannt nach seinem
Vorgänger, dem ehemaligen Serbenführer Dr. Radovan Karadžić.Die Feier war
eine Demonstration der serbischen Nationalisten, wenige Tage vor dem Urteil
des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien.
Dodik erklärte Karadžićzum Gründungsvater der „Republika Srpska“. Für …
und die serbischen Nationalisten bleibt der Doktor, wie immer das Urteil am
Donnerstag ausfallen wird, ein nationaler Held. Auf die mit dem
NamenKaradžić verbundenen Kriegsverbrechen gehen serbische Nationalisten
wie Dodik nicht ein.
Schon 1992 wurden bei ethnischen Säuberungen über zwei Millionen Menschen
aus den von serbischen Truppen eroberten Gebieten vertrieben und über
40.000 Menschen, vornehmlich Muslime, systematisch ermordet.
Nur die Ermordung von 8.000 Männern und Jungen in Srebrenica 1995 kann
Dodik nicht leugnen. Für ihn zählt aber das Resultat des Krieges: Die
Serben beherrschen heute die Hälfte des Territoriums von Bosnien und
Herzegowina. RadovanKaradžić weiß, dass er in den nationalen
Geschichtsbüchern als großer Serbe verehrt werden wird. Dieses Bild will
jedoch nicht ganz zu seiner Vita passen. Er war früher nämlich anders.
Der am 19. Juni 1945 in Montenegro geboreneKaradžić bekam Ende der
sechziger Jahre ein Stipendium für den Besuch der Universität in Sarajevo.
Und lebte fern seiner Familie ein Leben als gut aussehender Bohemien. Er
ließ sich die Haare wachsen, war politisch aufmüpfig, wie ihn sein
kurzzeitiger Mentor im Bund der Kommunisten beschreibt, studierte
Psychologie, wurde Psychiater am Kosevo-Krankenhaus.
Er heiratete Ljiljana, die Tochter der Gastfamilie, in der er ein Zimmer
gemietet hatte, nahe der Kosevostraße in Sarajevo. Noch heute erinnert sich
der alte Frisör dort an ihn. „Er war lustig, spielte Karten mit Freunden in
der Café-Bar um die Ecke, trank auch ganz nett.“
Als er einige Gedichte veröffentlichen wollte, erntete er in der
Kulturszene zwar nur Spott, aber das ging vielen Schriftstellern und
Dichtern in Sarajevo so. Kurz, er lebte ein ziemlich normales Leben in der
damals liberalen Stadt. Bis zum Zusammenbruch des politischen Systems Ende
der 80er Jahre.
1990 gründeteKaradžić die Grüne Partei, die aber bedeutungslos blieb. Er
wechselte zur Serbischen Demokratischen Partei und wurde unter nicht ganz
geklärten Umständen zum Parteiführer erkoren. Vor ihm sollen sechs andere
serbische Persönlichkeiten es abgelehnt haben, diesen Posten zu übernehmen.
„Montenegriner wollen immer eine Rolle spielen,“ erklärte einmal sein
früher Weggefährte Marko Vešović,selbst Montenegriner und Journalist.
## Die Bevölkerung voneinander trennen
Karadžić hatte es nun geschafft. Er wurde ein nationaler Führer, der die
ethnonationale Trennung der Bevölkerung durchsetzen wollte. Als der Autor
ihn im März 1992 im von serbischen Milizen besetzten Hotel Hollywood, drei
Wochen vor dem Krieg in Bosnien und Herzegowina, traf, sprach er in
fließendem Englisch ganz offen über die Teilungspläne, die er für Bosnien
und für die Stadt Sarajevo bereithielt.
Die Muslime sollten die Altstadt, die Baščaršija, behalten, Neu-Sarajevo
sollte an die Serben fallen und der westliche Teil bis Rajlovac an die
Kroaten. Die Bevölkerung des Vielvölkerstaates müsse man voneinander
trennen. Wenig später rief er die serbische Bevölkerung dazu auf, die Stadt
zu verlassen. Das Bombardement begann am 6. April 1992. Sein General Ratko
Mladićeroberte mit den bekannten Folgen 70 Prozent des Landes. Bis dann die
Nato nach dem Massaker von Srebrenica im Sommer 1995 eingriff. Das
Dayton-Abkommen von 1995 beließ 49 Prozent des Territoriums unter
serbischer Kontrolle.Karadžić undMladić hatten zwar nicht ganz den Traum
von Großserbien verwirklicht, doch einen Teilerfolg errungen.
Im Jahre 1996 legte das UN-Tribunal in Den Haag eine Anklageschrift
gegenKaradžić vor. Nun war er als Präsident der „Republika Srpska“ in
Bosnien nicht mehr zu halten, machte seiner Nachfolgerin Biljana Plavšić
Platz und tauchte ab.
Wir Journalisten versuchten natürlich herauszufinden, wo er war,
durchforsteten abgelegene Gebiete in Bosnien, gingen Spuren in Montenegro
nach, recherchierten in Belgrad, saßen oftmals von verschiedenen Seiten
gestreuten falschen Informationen auf. Bis er am 21. Juli 2008 plötzlich
verhaftet wurde. Er hatte sich die grauen Haare lang und einen Bart wachsen
lassen, sah hässlich aus.
## Karadžić am Straßenrand
Er hatte als Heilpraktiker Dr. Dabićin Belgrad gelebt und in einer Kneipe
verkehrt, wo ein Poster mit dem Bild von Präsident Radovan Karadžić hing.
Und plötzlich tauchte eine Erinnerung auf. Im Sommer 2007 saß der Autor mit
einer Gruppe von internationalen Journalisten im Garten des Restaurants
Skrapa in Trogir und erzählte ihnen von einem Traum, indem RadovanKaradžić
am Straßenrand stand und mitgenommen werden wollte. Im Auto dann sagte er,
bringe mich nicht zu den Amerikanern, sondern zu den Deutschen.
Wir lachten und machten Witze. Am Nebentisch saß jedoch ein Mann mit langen
grauen Haaren und einem Bart, der ständig zu uns herüberguckte. Später
erzählten zwei Vermieter von Ferienwohnungen in Okrug und in Slatine, sie
hätten jeweils Dr. Dabićfür ein paar Tage beherbergt. War er es wirklich
gewesen?
Gefasst wurde er nach Geheimdienstquellen wegen seiner eigenen Eitelkeit.
Auf der Website des Dr. Dabić gab es einen link: young man. Der hübsche
Jugendliche war erkennbar als Dr. RadovanKaradžić.
24 Mar 2016
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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