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# taz.de -- Kommentar Urteil Karadžić: Nur 40 Jahre
> Das Urteil ist symbolisch zu verstehen. Jetzt hat Karadžić bessere
> Aussichten, in die Revision zu gehen. Die Opfer seiner Politik können
> nicht zufrieden sein.
Bild: Enttäuschung auf Seiten der Opfer
Eigentlich steht in fast jedem Land für erwiesenen Mord das Urteil
lebenslang an. Wenn man den Mord an Zehntausenden von Opfern zu
verantworten hat, offenbar nicht. Angesichts des fortgeschrittenen Alters
des Angeklagten könnte man aber milde gestimmt meinen, dass ein
Siebzigjähriger 40 Jahre Haft nicht überleben wird, auch wenn die acht
Jahre, die er sich schon in Haft befindet, angerechnet werden.
Doch es geht bei diesem Urteil auch um Symbole. Das Zurückweichen des
Gerichts von der Forderung der Anklage, eine lebenslängliche Strafe zu
verhängen, bietet für Karadžić selbst die Möglichkeit, mit besseren
Aussichten als zuvor in die Revision zu gehen. Für die serbische Seite
bedeutet das Urteil gegen ihren „Helden“ so eine Art halben Etappensieg,
weil man weitermachen kann.
Die Opfer seiner Politik können nicht zufrieden sein. Dass er in zehn von
elf Anklagepunkten für schuldig gesprochen wurde, ist zwar bedeutsam und
war unumgänglich. Dass aber das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag sich,
wie schon bei anderen Verfahren vorher, wiederum davor drückte, die
Ereignisse von 1992 ins rechte Licht zu rücken, ist schon bedenklich. Die
Systematik der Verbrechen der „ethnischen Säuberungen“ zu negieren, als
über 2,2 Millionen Menschen vertrieben und mit über 40.000 weit mehr
Menschen ermordet wurden als in Srebrenica 1995, hat – durchaus möglich –
etwas mit Politik zu tun.
Ob die Ereignisse von damals nun Genozid heißen müssen oder nicht, ist
nicht so erheblich. Doch im Sinne der Anklage die Systematik der damaligen
serbischen Politik festzustellen, hätte das Gericht durchaus gekonnt. Das
hätte allerdings die Legitimität des heutigen serbischen Teilstaates, die
„Republika Srpska“, untergraben.
Geht es also darum, Karadžić zwar zu verurteilen, sein Lebenswerk aber, die
durch Verbrechen und Vertreibung errungene serbische Herrschaft über fast
der Hälfte des Landes Bosnien und Herzegowinas, zu bestätigen?
Dass die ehemalige rechte Hand der Chefanklägerin Carla del Ponte vor der
Urteilsverkündung festgenommen wurde, lässt so etwas vermuten. Denn
Florence Hartmann hätte protestiert, sie hat in ihrem Buch schon vor Jahren
diesen Zusammenhang thematisiert. Auch den Umstand, dass die Verantwortung
Belgrads in anderen Prozessen von Den Haag systematisch ausgeklammert
wurde. Soll Serbiens Weg in die EU nicht weiter belastet werden?
24 Mar 2016
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Radovan Karadžić
Serbien
Kriegsverbrechen
Ex-Jugoslawien
Bosnien und Herzegowina
Literatur
Den Haag
UN-Tribunal Ex-Jugoslawien
Radovan Karadžić
Radovan Karadžić
Urteil
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