# taz.de -- Aus der Bremer Kunstszene: Von Nippeln und Speichel | |
> Die Bremer GAK setzt mit ihrer neuen Reihe „Interludium“ vermehrt auf | |
> lokale KünstlerInnen. Das Ergebnis ist bisweilen banal, manchmal aber | |
> auch wunderbar. | |
Bild: Die zerstörte Gitarre bleibt leider nur ein Nachahmen leer gewordener Ro… | |
Die GAK wird jetzt bremischer. Und das stellt durchaus auf den Kopf, was | |
die Gesellschaft für Aktuelle Kunst sonst so tut, nämlich internationale | |
KünstlerInnen, die hier noch keiner kennt, nach Bremen zu holen. Jetzt soll | |
es umgekehrt sein, einmal im Jahr zumindest. | |
Und das ist durchaus programmatisch zu verstehen: „Die Bremer Kulturszene | |
muss mehr Selbstbewusstsein entwickeln“, sagt GAK-Direktorin Janneke de | |
Vries – und sieht diesbezüglich auch eine „wachsende Solidarität“ in der | |
Stadt. Auch vor dem Hintergrund der quälenden Debatten um die Weserburg. | |
Die GAK nennt ihre neue Reihe „Interludium“, Zwischenspiel also. Dafür | |
haben sie eben KünstlerInnen aus der örtlichen Szene eingeladen, sagen wir: | |
irgendwas mit Musik zu machen. Oder jedenfalls mit Rhythmus und Klang. Und | |
das sind natürlich solche, die diesbezüglich schon mal einschlägig | |
aufgefallen sind. | |
## Manches eher banal | |
Das ist manchmal eher banal, so wie bei Sebastian Reuschel, dem Betreiber | |
des kleinen Bremer Musiklabels ZCKR, der 136 halbwegs unverkäufliche | |
Schallplatten zu einer überraschend schweren Skulptur verschmolzen und in | |
der Ausstellung verklappt hat. So findet sich vielleicht ja doch noch ein | |
Abnehmer. Allein: Die Idee ist nicht neu, man hat das anderswo auch schon | |
gesehen. | |
Das gilt auch für Jannis E. Müllers Arbeit „The Winner Takes it All“, für | |
die er eine Akustikgitarre mit Beton verfüllt und auf den Boden der GAK | |
geworfen hat. Eine Referenz an eine zur Ikone verkommenen Geste der | |
Rockmusik, klar, mit der diese zugleich noch weiter ad absurdum geführt | |
wird. Doch über die Geste des Nachahmens kommt die Arbeit nicht hinaus. Da | |
war, schon vor ein paar Jahren, Sophia Hulténs Arbeit „Fuck it up and start | |
again“ im Künstlerhaus am Deich weiter. | |
## Anderes ist wunderbar verstörend | |
Doch es gibt auch wunderbar Verstörendes und herrlich Irritierendes zu | |
entdecken. Zum Beispiel Irene Streses „shake yer tiz“, eine Referenz an den | |
Song „Shake Yer Dix“ von Peaches. Aus Porzellanabgüssen ihrer eigenen | |
Brüste hat Strese mehrere entzückend kitschige Halsketten mit goldenen | |
Nippeln gefertigt, die man übrigens auch kaufen kann. Kommt man ihnen | |
näher, ziehen sie sich mit leisem Klacken an die Wand zurück. Um dann, | |
einen Moment später, sanft vor und zurück zu schwingen. Ein liebenswert | |
ironischer, unverkrampfter und doch eindringlicher Beitrag über Sexismus im | |
Musikbusiness. | |
Nicht vorbei kommt man auch an Claudia Kapps eindrücklicher Installation | |
„Meanwhile“, einer computergenerierten Choreografie zahlloser | |
Leuchtstoffröhren, die in der Mitte der GAK bedrohlich tief von der Decke | |
hängen. Neben dem mit der Zeit anstrengenden, leicht hysterischen, | |
stroboskopartigen Lichtgewitter erzeugt dieser neue Klangkörper ganz sanfte | |
Klänge – und wirkt dadurch ebenso angenehm wie aggressiv. | |
## Hommage an Jazz-Legende | |
Der wahrscheinlich bekannteste der zehn hier ausgestellten KünstlerInnen | |
ist Christian Haake aus Bremerhaven, der bereits 2011 in der GAK mit einer | |
Einzelausstellung zu sehen war und praktisch alle Kunstpreise bekommen hat, | |
die in der Region Rang und Namen haben. Seine unscheinbare Arbeit „My | |
favourite Things“ ist eine Art Hommage an eines der wichtigsten Stücke des | |
Modern Jazz und seinen Interpreten John Coltrane. | |
Dieses Werk machte ihn Anfang der Sechziger berühmt, verhalf zugleich dem | |
Sopransaxophon zum Durchbruch im Jazz und erhob nebenbei einen | |
unbedeutenden Song aus irgendeinem Musical zum Standard. Haake inszeniert | |
das Werk als Reliquie: In einem Glasröhrchen mit goldenem Deckel | |
konserviert er den Speichel eines Saxophonisten. Das ist natürlich | |
irgendwie eklig, aber auch faszinierend. Oder ist doch nur Wasser in dem | |
Kolben? Egal! | |
Die neue Reihe „Interludium“ in der GAK löst das bisherige Format | |
„Frei.Zeit“ ab, mit dem ebenfalls die Zeit zwischen zwei Ausstellungen | |
genutzt werden sollte. Es war eine unkuratierte Plattform für | |
selbstorganisierte Projekte der örtlichen Szene. Nur hat das Ganze nicht so | |
funktioniert wie von de Vries erhofft. Und so nimmt die GAK die Förderung | |
der lokalen Szene jetzt wieder selbst in die Hand. | |
Ausstellung bis zum 10. April | |
6 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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