| # taz.de -- Künftige Chefin über Weserburg-Zukunft: „Museen können nachhal… | |
| > Die künftige Weserburg-Chefin Janneke de Vries über die Einzigartigkeit | |
| > des Sammlermuseums, Ehrgeiz, vorauseilenden Gehorsam und Bremens Vorzüge. | |
| Bild: „Mail Nothing To The Tate Modern“: David Horvitz' Raum in der Bremer … | |
| taz: Warum wollten Sie Direktorin des Bremer Museums Weserburg werden, Frau | |
| de Vries? | |
| Janneke de Vries: Ich wollte das zunächst gar nicht unbedingt, sondern habe | |
| lange hin und her überlegt, ob es für mich und das Haus richtig wäre. Aber | |
| bei der Weserburg ist Gestaltungswille gefragt, schon angesichts der | |
| Diskussionen der vergangenen Jahre und des anstehenden Gebäudeumbaus. Das | |
| ist extrem spannend – und gleichzeitig eine Riesenaufgabe. | |
| Das Museum war in den letzten Jahren existenziell bedroht. Ist es nicht | |
| undankbar, dort jetzt Chefin zu werden? | |
| Überhaupt nicht! Gelegentlich werde ich mir sicher die Haare raufen, weil | |
| ich so wahnsinnig war, mich darauf einzulassen. Aber wenn ich an die denke, | |
| die meinen, dass die Weserburg in Bremen überflüssig sei oder man aus dem | |
| Standort Teerhof nichts machen könne, habe ich eine unbändige Lust, sie ins | |
| Unrecht zu setzen. Den Gegenbeweis anzutreten und die Möglichkeiten für das | |
| Haus zu nutzen, ist eine sehr dankbare Aufgabe. | |
| Ihre Berufung liegt nahe: Sie sind Direktorin der Gesellschaft für Aktuelle | |
| Kunst (GAK), die im gleichen Haus sitzt wie das Museum. In der Debatte | |
| waren trotzdem eher andere KandidatInnen. Waren Sie überrascht? | |
| Nein, denn ich war von Anfang an dabei. Es war sofort klar, dass mein | |
| Konzept für das Museum auf Gegenliebe in der Findungskommission stieß. Aber | |
| natürlich mussten die KollegInnen genau abwägen, ob es gut ist, dass ich so | |
| „nah“ bin. | |
| Warum ist das gut? | |
| Ich kenne die ProtagonistInnen in der Stadt und die Themen des Museums, | |
| sowohl in der Finanzierung, der Standortfrage oder der Konzeption. Ich muss | |
| mich also nicht von Null an einarbeiten, was in der aktuellen Situation | |
| hilfreich sein kann – und bin trotzdem unabhängig genug, um neue Ideen zu | |
| entwickeln. | |
| Bei der GAK arbeiten Sie in eher geschütztem Rahmen. Das wird in der | |
| Weserburg anders. | |
| Das stimmt. Die Weserburg steht ganz anders im Blickpunkt der | |
| Öffentlichkeit. Mein Tun wird dort stärker auf dem Prüfstand stehen, als | |
| ich es aus der GAK gewohnt bin. | |
| Und Sie müssen nun Ausstellungen machen, zu denen möglichst viele Leute | |
| kommen. | |
| Das ist noch die Frage. Aber eines ist ja klar: Ich mache Ausstellungen, | |
| damit die Leute sie sich ansehen! Nur: Ist eine Ausstellung erfolgreich, | |
| wenn 100 Leute am Tag kommen, die anschließend schulterzuckend und auf | |
| Nimmerwiedersehen von dannen ziehen? Oder ist sie nicht erfolgreicher, wenn | |
| 20 Leute kommen, die einen Mehrwert aus dem Gesehenen ziehen und | |
| wiederkommen? Es geht mir in dieser Frage nicht vorrangig um die Quantität, | |
| sondern um die Qualität des Besuchs. | |
| Die Kulturpolitik interessiert sich eher für die Quantität. | |
| Das mag so sein. Aber ich habe nicht vor, mich diesem Dogma in | |
| vorauseilendem Gehorsam zu unterwerfen. Ich will gute Arbeit machen. Und | |
| die siedelt sich gelegentlich jenseits des Konsens an. | |
| Muss man nicht große Namen ausstellen, die viele Leute anlocken? | |
| Man muss nicht, aber man kann – wenn der Name nicht nur groß, sondern auch | |
| gut ist. Ich halte aber eine gewisse Durchmischung für lebendiger. | |
| Ist die Debatte, ob es überhaupt ein Sammlermuseum braucht, jetzt | |
| ausgestanden? | |
| Ich habe diese Diskussion nie verstanden. Wenn man sich in den Museen der | |
| Welt umschaut, kann man ja nicht zu dem Schluss kommen, dass sich das | |
| Konzept überlebt hat – ganz im Gegenteil. Es war so erfolgreich, dass in | |
| Zeiten klammer öffentlicher Kassen auch alle anderen mit Sammlungen | |
| zusammenarbeiten. Es ist also nur kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Das | |
| macht aber nichts. Die Idee des Sammlermuseums ist auch zukünftig die | |
| Struktur, die die Weserburg überleben lässt. | |
| Was macht die Weserburg einzigartig? | |
| Die Weserburg hat Zugriff auf wichtige Arbeiten und künstlerische | |
| Bewegungen seit den 1960er-Jahren, über die kein anderes Haus in Bremen | |
| verfügt. Sie kann also einen ganz einzigartigen Blick auf die jüngste | |
| Kunstgeschichte präsentieren. | |
| Die GAK zeigt vor allem KünstlerInnen, die noch nicht etabliert sind. In | |
| der Weserburg ist das anders. Was reizt Sie am Musealen? | |
| Ich werde immer eine Liebe für projekthafte und experimentelle Arbeiten | |
| haben. Aber mir ist auch wichtig, aus der Kunstgeschichte heraus auf die | |
| jüngste Kunstproduktion zu blicken, sie also in Beziehung mit ihren | |
| ImpulsgeberInnen zu setzen. Das ist ein musealer Ansatz. Auch ermöglicht | |
| der Zugriff auf Sammlungen vielfältigere Ausstellungsformate. Museen können | |
| nachhaltiger arbeiten, als es im Kunstverein möglich ist: Wenn eine | |
| Ausstellung dort vorbei ist, verlassen die Arbeiten das Haus. Beim Museum | |
| bleiben sie, wenn sie zum Sammlungsbestand gehören, und können unter | |
| anderer Fragestellung erneut gezeigt werden. | |
| Wollten Sie nicht aus Bremen weg? | |
| Es war kein Vorsatz von mir, in Bremen zu bleiben. Mein Wunsch, die | |
| Weserburg zu leiten, hat mich tatsächlich anfangs selbst überrascht. Aber | |
| es war großartig, meine Ideen auszuarbeiten, die ich in den letzten Jahren | |
| als beobachtende Nachbarin entwickelt habe. Und wenn ich nun die Chance | |
| habe, sie in die Realität umzusetzen, ist das fantastisch! Außerdem mag ich | |
| Bremen sehr – als Stadt wie auch als Standort für zeitgenössische Kunst. | |
| Das erzähle ich auch den KollegInnen aus Berlin oder dem Ausland, die oft | |
| meinen, sie müssten mir kondolieren, weil ich in Bremen bin. Ein absoluter | |
| Trugschluss, der eben jenen KollegInnen sofort aufgeht, wenn sie selbst | |
| hier sind. Die meisten sind baff, wie lebendig die Szene ist. Ich bin in | |
| Berlin oft enttäuscht von den Ausstellungen. Zentrum oder Peripherie sind | |
| keine Kategorien in der Beurteilung von Qualität. | |
| Hat sich Bremens Kulturbehörde bei Ihnen gemeldet? | |
| Ich habe mich mit der Kultur-Staatsrätin getroffen, als der Stiftungsrat | |
| des Museums und ich in Verhandlungen standen. Ich wollte wissen, wie man | |
| meine eventuelle Berufung in der Behörde einschätzt – und habe | |
| uneingeschränkt Unterstützung zugesagt bekommen, zum Teil sogar recht | |
| konkret. Als Kirsche auf der Torte wünsche ich mir nun als Morgengabe von | |
| der Kulturdeputation noch eine schnellstmögliche politische Entscheidung in | |
| Sachen Standort und Sanierungszeitpunkt auf dem Teerhof, damit wir Häuser | |
| dort endlich Planungssicherheit haben. | |
| 22 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
| ## TAGS | |
| Bremen | |
| Museum Weserburg | |
| Museum Weserburg | |
| Grüne Bremen | |
| Kunst | |
| GAK | |
| Moderne Kunst | |
| Kunst | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neue Museums-Leiterin: Lichtblicke im Labyrinth | |
| Mit Janneke de Vries leitet erstmals eine Frau die Bremer Weserburg. Und | |
| öffnet das Haus mit einem gelungenen kuratorischen Neuanfang. | |
| Vorauseilender Jahresrückblick 2018: Aufbruch zu neuen Ufern | |
| 2018 reißt alle Brücken ein und singt bei beim Weser-Übersetzen im | |
| Paddelboot Lieder von Simon and Garfunkel. Nah am Wasser gebaut: der | |
| Jahresrückblick 2018. | |
| Foto-Kunst: Ohne symbolische Aufladung | |
| Eine Möhre deutet die Zentralperspektive an, ein Pfannenwender sorgt für | |
| Klarheit: Jan Groovers Bilder sind eine Entdeckung | |
| Neue Ausstellung in der GAK Bremen: Die Wände raus | |
| In der Ausstellung „Power of Style“ spielt Max Schaffer mit Erwartungen und | |
| vertreibt das Personal der GAK. | |
| Aus der Bremer Kunstszene: Von Nippeln und Speichel | |
| Die Bremer GAK setzt mit ihrer neuen Reihe „Interludium“ vermehrt auf | |
| lokale KünstlerInnen. Das Ergebnis ist bisweilen banal, manchmal aber auch | |
| wunderbar. | |
| Tierschutz versus Kunstfreiheit: Kein Platz für Papageien | |
| Kann Kunst die Gesellschaft verändern, ohne sich selbst aufzugeben? Nein, | |
| sagt eine brillante Ausstellung in der GAK - aber versuchen muss sie‘s. | |
| Neues Ausstellungsformat in der Weserburg: Bis zur Wahl in der Schwebe | |
| Während die Politik die Entscheidung über die Weserburg verzögert, zeigt | |
| man dort mit den „Künstlerräumen“, wie ein Sammlermuseum heute aussehen | |
| kann. | |
| Zukunft der Weserburg: Die Rettung des Herrn Ahrens | |
| Obwohl Bremens Fachleute mit Kopfschütteln auf ein Konzept von Direktor | |
| Carsten Ahrens reagieren, darf der die Weserburg fünf weitere Jahre leiten. | |
| Standortdebatte: Lauter offene Fragen | |
| Bis zum Sommer soll Klarheit über die Zukunft des Museums Weserburg | |
| herrschen. Kulturstaatsrätin Emigholz (SPD) findet klare Positionen noch | |
| "verfrüht". |