| # taz.de -- Neue Ausstellung in der GAK Bremen: Die Wände raus | |
| > In der Ausstellung „Power of Style“ spielt Max Schaffer mit Erwartungen | |
| > und vertreibt das Personal der GAK. | |
| Bild: Hauptsache erreichbar: Max Schaffer in der GAK Bremen. | |
| BREMEN taz | Skandalverheißung. Aufs Plakat seiner Bremer Solo-Schau ließ | |
| Max Schaffer, Jahrgang 1985, einen Schnappschuss drucken aus dem | |
| Depotkeller des kürzlich wegen Betrugs verurteilten Kunsthändlers Helge | |
| Achenbach. Darauf zu sehen ist, Skandalverheißung Nummer zwei, eine | |
| chaotisch arrangierte Unzahl von Affenskulpturen Jörg Immendorffs, von | |
| denen eine stetig wachsende Zahl an Abgüssen ungeklärter Herkunft seit | |
| Jahren den Kunstmarkt flutet. Und dann der dazu notierte Ausstellungstitel: | |
| „Power of style“. | |
| Ja, Erwartungshaltungen wecken, das kann der Bremer Förderpreisträger für | |
| Bildende Kunst von 2011. Das gehört zum Konzept – seiner Kunst der | |
| Enttäuschung. Denn lässt der Besucher seine vor Neugier geschwollenen Sinne | |
| auf die GAK los – sieht er erst mal nichts. Außer den drei | |
| Mitarbeiterinnen, die ihre Schreibtischwelten in den Ausstellungssaal | |
| verrückt haben. Ist ein dazu hallendes Telefonklingeln nun | |
| Klanginstallation – oder will nur gerade der Freund der Volontärin etwas | |
| nachfragen? Wo fängt die Kunst an, wo hört der Alltag auf? | |
| ## Grenzen verschwimmen | |
| Kuratorische Überbau-, galeristische PR-, organisatorische Unterbau-, | |
| interpretationswütige Rezeptions-, finanzierende Sammler- und private | |
| Drumherum-Arbeit – diese Grenzen in der Wertschöpfungskette der Kunst will | |
| Schaffer verschwimmen lassen, indem er sie verschiebt. Umstellen, neu | |
| anordnen – dann ausstellen. „Die Welt ist so übervoll, daher erfindet | |
| Schaffer nichts mehr hinzu, sondern nimmt lieber das, was er vorfindet“, | |
| erklärt GAK-Direktorin Janneke de Vries. Kunst also als Neuübersetzung | |
| dessen, was ist. | |
| Schaffers Übernahme der GAK begann radikal. „Er hat erst mal Wände | |
| herausgerissen und von uns verlangt, in der Öffentlichkeit zu arbeiten, | |
| super, dachte ich, aber gefallen hat es mir nicht. Alle werden dich hassen, | |
| habe ich Schaffer gesagt“, berichtet de Vries. „Aber das ist es wert.“ | |
| Denn sinnvoll habe sich alles gefügt. Müssen die GAK-Macher doch ihre | |
| Gepflogenheiten und Ordnungen im Haus verlassen – wie es auch die Besucher | |
| mit ihren Kategorien der Kunstbetrachtung tun sollen. Bedankt hat sich der | |
| Künstler bei den Mitarbeiterinnen mit Seidentüchern im Ausstellungsdesign. | |
| „Da ging natürlich unser Tussenherz auf“, sagt de Vries. | |
| ## Galerie als Großraumbüro | |
| Alle versuchen sich nun tagtäglich passend zu den Team-Tüchern zu kleiden – | |
| als Corporate-Identity-willige Objekte der Schau. Die dem Kunstbetrieb bei | |
| der Arbeit zuschaut. „Derart beobachtet von den Besuchern, kuratieren wir | |
| uns nicht mit Textilien selbst“, ergänzt de Vries. Die Schreibtische seien | |
| auch aufgeräumter als früher, telefoniert wird freundlicher: Die | |
| Kunstgalerie ist zu einem Großraumbüro geworden. | |
| Die ehemaligen Verwaltungs- sind jetzt Ausstellungsräume. Schlichte | |
| Metallregale sollen, fast leer geräumt, „ungeahnte skulpturale Qualitäten“ | |
| entwickeln, so die Direktorin. Wer das nicht bemerkt, kann zumindest noch | |
| das eine oder andere abgelegte Kunstbuch darin entdecken. | |
| Oder die Regale als „Displays der Leinwandarbeiten“ ansehen, was de Vries | |
| als weitere Deutung anbietet. Tatsächlich hat Schaffer billig anmutende, | |
| großformatige Digitaldrucke eingescannter Skizzen daran gehängt, die | |
| vereinzelt auch als Graffito die Wände zieren. | |
| ## „Ich kapier's nicht“ | |
| Einige Krickelkrackeloriginale, Kugelschreiber auf Schmierpapier, sind | |
| ebenfalls zu sehen. Es handelt sich um harmlose Kritzeleien, die ein | |
| Kurator (Name darf nicht verraten werden) beim Telefonieren beiläufig | |
| anfertigte – Schaffer entwendete sie aus seinem Altpapiermüll. | |
| Einige druckte er auch auf Kaffeetassen. Die Unikate dürfen in der GAK | |
| erworben werden. Wieder so eine Frage: Ist das noch Kunst – schon | |
| Merchandising? Ist beides identisch? Und die lustigen Magnete an der | |
| Metallpinwand? „Künstlerische Setzung oder nicht weggeräumte Objekte aus | |
| dem Institutionsalltag?“, fragt Vries. Ihre Antwort: „Alles ist hier | |
| alles.“ Wem das alles nichts bedeutet, für den hat sie T-Shirts mit der | |
| Aufschrift „Ich kapier’s nicht“ im GAK-Shop, der ehemals GAK-Büro war und | |
| jetzt GAK-Ausstellungsfläche ist: Kunst ohne Grenzen. | |
| Aber auch an den verbliebenen Raumbegrenzungen hängt noch Kunstwilliges. | |
| Beispielsweise fragmentierte Zitate aus Gutachten, die der Künstler-Kauz | |
| von Graphologen zu den Handschriften im GAK-Gästebuch anfertigen ließ. Wie | |
| die Expertisen aus irgendwelchen Aufschwüngen im Schriftbild ausführliche | |
| Persönlichkeitsprofile erstellen – ist kaum weniger albern als das, was | |
| viele Astrologen so von sich geben. | |
| ## Ästhetisch irrelevant | |
| Noch ulkiger: Was Schaffer eigenhändig bei der 25-Jahre-Feier fürs | |
| Intellektuellenmagazin „Texte zur Kunst“ entwendet hat, hängt er an die | |
| GAK-Decke. Eine faltig zusammengeschrumpelte Luftballongirlande. „Die ist | |
| so abgeschlafft, wie es die Party war“, erinnert sich de Vries. | |
| Ernst wird es noch mal mit einer seriell gehängten Stiftesammlung. Die hat | |
| Schaffer per Internet im Waffenwahnland USA erworben. Alle Objekte sind mit | |
| Klingen oder Pfeilspitzen bestückt, in Deutschland verboten, da piksend | |
| oder schlitzend einsetzbar. Also ideales Werkzeug für Journalisten, die | |
| Sprache als Waffe der Kunstkritik nutzen. | |
| Was sich bei dieser Ausstellung verbietet: Ästhetisch ist sie aus | |
| konzeptionellen Gründen eher irrelevant. Spaß machen soll die Idee dahinter | |
| – eine Kunst als Abenteuerspielplatz des Denkens, Bastelns und Behauptens. | |
| Eine Ausstellung, die sensibilisiert? „Die in den Hintern tritt“, so de | |
| Vries. | |
| Ausstellung: Max Schaffer „Power of Style“, noch bis zum 31. Juli, GAK | |
| 19 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Fischer | |
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| Bremen | |
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