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# taz.de -- Foto-Kunst: Ohne symbolische Aufladung
> Eine Möhre deutet die Zentralperspektive an, ein Pfannenwender sorgt für
> Klarheit: Jan Groovers Bilder sind eine Entdeckung
Bild: Stinknormale alltägliche Gegenstände, die letztlich nichts bedeuten
Leere Räume. Sauber weiß getüncht die Wände. In Augenhöhe sind gerahmte,
gegenständliche Fotografien ordentlich nebeneinandergereiht. 30, 40 Jahre
alte Werke. Was ist denn hier los? Diese Szenenbeschreibung stammt nämlich
nicht aus einem Museum der Fotografiegeschichte, sondern aus der GAK, der
Gesellschaft für aktuelle Kunst. „Ich wollte mal was machen, was keiner von
uns erwartet“, erklärt Direktorin Janneke de Vries. Was ihr damit gelungen
ist, in schöner Schlichtheit eine Schau zur Vergegenwärtigung von
Kunstgeschichte zu inszenieren.
Es geht um die Entdeckung eines „artists’artist“, Jan Groover, dem de Vri…
während des Berliner Gallery Weekends erstmals begegnen wollte, weil sie
ihn nicht kannte – und feststellte, er ist eine Frau und 2012 verstorben.
Kürzlich hat ein Schweizer Museum den Nachlass erworben und will die
US-amerikanische Künstlerin 2018 mit einer großen Schau auch in Europa
museal weihen. Deswegen darf die Bremer Ausstellung nicht Retrospektive
heißen. Obwohl sie die entscheidenden Positionen Groovers vereint.
Sie hat Malerei studiert, fand das Genre in den Siebzigerjahren aber zu
männerdominiert und künstlerisch einschränkend. Griff also zur Kamera.
Lichtete erst mal, von einem fixen Standpunkt, ins Bild fahrende, mit
unterschiedlichen Farben lackierte Autos ab und addierte die Fotos zu
Triptychen. Eine recht konzeptionelle Spielerei. Während Kolleginnen
bereits ihren Feminismus austobten. Es ist das Spiel mit der Kamera, die
Maskerade und das Kostüm als Mittel der Selbstdarstellung, mit denen etwa
Cindy Sherman, Hannah Wilke und Martha Wilson die Vorstellungen von
Identität und Weiblichkeit als gesellschaftliches Konstrukt hinterfragten.
Auch Ideale von Schönheit und Makellosigkeit spielen in den Werken eine
wichtige Rolle. Aus der Sehnsucht nach Emanzipation und dem Diktat der
Konformität entwickelte Martha Rosler ein Schlachtfeld mit klassischen
Hausfrau-Utensilien: „Semiotik der Küche“ (1975).
Nun also Groover. Was sie in ihrer Küche fand, wurde ins Atelier
transferiert, arrangiert und illuminiert mit schmelzend warmem Licht:
„Kitchen Still Lives“ (1978). Da ragt eine aggressiv scharfe Messerspitze
ins Bild, mit Schärfentiefeverlagerungen wird an Gabelzinken
experimentiert, ein Eierschneider definiert die Fotodiagonale, ein
Gummibaumblatt die Vertikale, zwei blechsilbrig funkelnde Backformen
vermessen die Bildfläche, mit einer Paprika machen sich organische Formen
breit, eine Möhre deutet die Zentralperspektive an, ein Pfannenwender sorgt
für klare, ein Schneebesen für geschwungene Linien.
Hier ist der feministische Furor ästhetisch gebändigt. Die stinknormalen,
konkreten Gegenstände bedeuten letztlich gleichwertig nichts. Keine
symbolische Aufladung, nirgends. „Alles wurde Form“, wie de Vries
formuliert. Groover malt abstrakte Bilder mit der Kamera. Fand das dann
aber bald „zu süßlich“, wechselte zur Schwarz-Weiß-Fotografie und sezier…
bildgestalterische Elemente in der Natur sowie anhand von Architektur.
Hübschte die Fotos in der Dunkelkammer dann noch mit kühlem Blau- oder
anheimelndem Gelbstich auf.
Am Ende ihres Künstlerlebens kehrte Groover zu den Stillleben zurück.
Grünlich, bräunlich, gräulich verschattete Szenarien mit sitzendem Apfel,
liegender Zitrone, stehenden Gefäßen und thronender Knoblauchpelle. Aus der
Zeit gefallen, geradezu klassizistisch entrückt – und wie alle Fotos: ohne
Titel. Damit sich keiner aufgefordert fühlt, etwas hineinzulesen.
Widerstand gegen Zeitgeschmäcker lässt sich auf jeden Fall herauslesen.
Eine Entdeckung.
8 Sep 2017
## AUTOREN
Jens Fischer
## TAGS
Kunst
Foto
Ausstellung
GAK
Bremen
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