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# taz.de -- Kunst im öffentlichen Raum: Bloß keine Stadtmöblierung!
> „Im Inneren der Stadt“ hinterfragen drei Bremer Kunstinstitutionen den
> öffentlichen Raum auf wunderbare leichte und hintersinnige Weise
Bild: „Schau da!“, ein „Binokular ohne Münzfunktion“ von Z.Schmidt
BREMEN taz | Wahrscheinlich haben Sie die Ausstellung schon gesehen: „Im
Inneren der Stadt“. Also, ein bisschen jedenfalls, und ohne es so richtig
zu wissen. Ohne diesen mal eher gelangweilt-abschätzigen, mal eher
ehrfürchtig-bildungsbürgerlichen Blick, den viele erst mal auf Kunst haben,
gerade auf zeitgenössische.
An der Schlachte zum Beispiel steht, am Rande der Kneipenmeile, gegenüber
der Weserburg, ein blaues Fernglas. Die Künstlerin [1][Z. Schmidt] hat es
da hingestellt. Durchgucken kost‘ nix. Und es passiert auch nix, wenn man‘s
tut. Du gehst vorbei, wunderst dich kurz, folgst deiner Neugier (oder auch
nicht), guckst Schiffen nach, Männern beim Pissen zu oder einfach auf den
Teerhof. Bist irgendwie ein wenig irritiert. Genau darum geht es auch! Und
nicht um die ewige Frage, ob das jetzt große Kunst ist oder nicht.
Klar, die Frage, was nun die richtige Annäherung an „Kunst“ ist, die
schwingt hier mit. Und die andauernde, quälend lange Debatte um den Ort, an
dem sie hier in Bremen stattfinden soll. Es ist ja kein Zufall, das sich
hier alle drei um den Teerhof herum versammelten Kunst-Institutionen zu
einem Ausstellungsprojekt zusammengefunden haben: „Im Inneren der Stadt“.
Sie wollten einmal die viel beschworene Kooperation mit Leben füllen und
doch von der Frage wegkommen, ob die Weserburg nun an Ort und Stelle
bleiben soll oder nicht.
## Alles umsonst & draußen
Am radikalsten lebt diese Idee gerade das ebenda beheimatete [2][Zentrum
für Künstlerpublikationen] aus, das im Grunde einzige Museum im Museum
Weserburg, das sonst eher versteckt ist, in vielerlei Hinsicht. Sein
Beitrag zu dieser Ausstellung ist fast ausschließlich umsonst und draußen
zu sehen, verteilt über die ganze Stadt, von Vegesack bis Sebaldsbrück. In
einem „Call for Posters“ hat das Studienzentrum Leute aus aller Welt
eingeladen, natürlich auch ein paar renommierte. Plakate, ja: selbst solche
von KünstIerInnen, sind ja auch nicht dafür gemacht, dort zu hängen, wo wir
sie meist finden: im Museum. Also kleben sie jetzt auf großen Werbeflächen,
an Litfaßsäulen, an Stromkästen. Und, in ganz konzentrierter Form, an dem
400 Meter langen Bauzaun am Bahnhofsvorplatz – dort, wo seit Langem ein
neues, sehr langweiliges Hochhaus mit Büros und Konsummeile entstehen soll.
Über 150 großformatige Plakate von etwa 50 KünstlerInnen aus aller Welt
sind da in einer öffentlichen Galerie versammelt. Fast will man jenen
dankbar sein, die uns diese Baustelle zumuten.
## Eigener Radiosender
Dazu gibt es „stay with me“, ein Projekt, in dem über 80 KünstlerInnen in
Kladden, Büchern, Zeichnungen oder Notizen ihre Erfahrungen mit den
Gezi-Park-Protesten in der Türkei verarbeiten. Und sogar einen eigenen
Radiosender gibt es: [3][www.radio-im-fluss.net], ein Internetradio, dass
aber erst mal nur eine Stunde pro Woche sendet – dienstags, ab 21 Uhr –,
ansonsten aber auch ein Forum für Radiokunst werden soll.
Überhaupt bewegen sich die Ausstellungen erfreulich weit von jenem weg, was
man gemeinhin mit Kunst im öffentlichen Raum verbindet: bestenfalls
neutrale, meist aber eher langweilige Stadtmöblierung zu Dekozwecken, die
niemanden wirklich stört, aber auch mal als Kinderspielplatz taugt. Ja,
auch hier kommt manches ein wenig arg vergeistigt rüber, der doppelte
Schriftzug „Try“ von Kate Newby an der Schlachtemauer etwa, der 2010 hier
schon einmal zu sehen war, damals aber, Beuys im Sinn, von
Reinigungskräften vorzeitig entfernt wurde.
## Behördenblumenkübel in Beton
Anderes aber, in der [4][Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK)], ist
ungemein leicht, herrlich unmittelbar und liebenswert ironisch. Die in
Beton gegossenen Behördenblumenkübel mit Zimmerpalmen von Tim Reineke etwa
oder die Pflastersteine von Chisa & Tkacova, die du unwillkürlich anfassst,
als ob sie echt wären – doch sie sind aus Porzellan, handbemalt. Man darf
sie sogar kaputt machen!
Während es aber bei der GAK und im Zentrum für Künstlerpublikationen lauter
konkrete Bezüge zur Stadt, zu Bremen gibt – geht das [5][Künstlerhaus]
einen ganz anderen Weg. Hier geht es um die Erweiterung des öffentlichen um
den digitalen Raum – damit aber auch gleich weltumspannend um alle großen
Fragen, die sich damit verbinden. Die wiederum werden alle nur
angeschnitten, irgendwie. Ein Video zeigt ein Hotel in Hongkong, in dem
Edward Snowden mal arbeitete, zusammen mit einem lärmenden Server, den er
früher mal benutzte. Gleich daneben geht es um künstliche Intelligenz,
Immobilienspekulation oder den Weg, den öffentliche Fotos im Netz nehmen.
Und so weiter. Im Grunde sprengt das den Rahmen dieser Ausstellung und der
Kooperation. Sehenswert ist‘s trotzdem. Und achten Sie beim Reingehen auch
auf die Blumen!
Bis 11. Oktober in der GAK, dem Museum Weserburg und dem Künstlerhaus
Bremen - und an vielen Orten in der Stadt. Am 8. August (Waller Park) udn
am 12. September (Schlosspark Sebaldsbrück) gibt es von 13 bis 15 Uhr ein
Radiopicknick.
31 Jul 2015
## LINKS
[1] http://www.z-schmidt.com/
[2] http://www.weserburg.de/index.php?id=854
[3] http://www.radio-im-fluss.net
[4] http://www.gak-bremen.de/de/ausstellungen/im-inneren-der-stadt-oeffentliche…
[5] http://www.kuenstlerhausbremen.de/im-inneren-der-stadt/
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Gegenwartskunst
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Plakate
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Stadtplanung
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