| # taz.de -- Wechsel in der Kunst: Die Diplomatin | |
| > Im Herbst verlässt Direktorin Hilke Wagner den Kunstverein Braunschweig | |
| > und geht an ein bedeutendes staatliches Museum in Dresden. Eine | |
| > Würdigung. | |
| Bild: Herausforderungen gewohnt: Braunschweigs scheidende Kunstvereins-Chefin H… | |
| BRAUNSCHWEIG taz | Ungeahnt schnell dreht sich in diesem Jahr das | |
| Personalkarussell in Niedersachsens Kunstinstitutionen: Mit Reinhard | |
| Spieler erhielt das Sprengelmuseum Hannover zum Februar eine neue Leitung, | |
| im Juni folgte Kathleen Rahn als neue Direktorin des dortigen Kunstvereins. | |
| Und kaum hatten die ebenfalls hannoversche Kestnergesellschaft sowie das | |
| Kunstmuseum Wolfsburg Leitungs-Neubesetzungen beschlossen, da verkündete | |
| der Braunschweiger Kunstverein den Weggang von Direktorin Hilke Wagner: Zum | |
| 1. November wechselt sie nach Dresden, an die Staatlichen Kunstsammlungen | |
| Albertinum. | |
| Wagner gelingt damit der Sprung von einem Ausstellungshaus für aktuelle | |
| Kunst, getragen von einem Verein, an die Spitze eines bedeutenden | |
| öffentlichen Museums mit seiner gewichtigen Sammlung von der Romantik bis | |
| zur Gegenwart. Vorgeschlagen hatte die 42-Jährige eine Findungskommission, | |
| und sie war offenbar die einzige Kandidatin, die nicht aus einem anderen | |
| Museum kam. Aber: Kunstvereine seien das schwierigste Feld, so Wagner | |
| selbstbewusst – „damit ist man gut gewappnet“. | |
| Als Hilke Wagner im November 2007 nach Braunschweig kam, musste sie aus dem | |
| Off starten. Zwar hatte ihre Vor-Vorgängerin Karola Grässlin zwischen 1999 | |
| und 2006 mit beachteten internationalen Positionen die Latte schon mal | |
| hochgelegt und das lange Verharren des 1832 gegründeten Kunstvereins in | |
| einer klassisch moderaten Moderne aufgebrochen. Es folgte jedoch ein gerade | |
| mal halbjähriges, unglückliches Intermezzo mit Janneke de Vries, und so | |
| fand Wagner kaum stabile Strukturen vor, um darauf aufzubauen. | |
| Solche Herausforderung aber war sie aus Hannover gewohnt, aus ihrer Zeit in | |
| der Kestnergesellschaft: Dort arbeitete die Kunsthistorikerin und | |
| Hispanistin von 2003 bis 2006 als Volontärin und Kuratorin. Unter Veit | |
| Görner verantwortete sie für sieben große Ausstellungen alle | |
| projektspezifischen Tätigkeiten: Konzeption, Organisation, | |
| Mitteleinwerbung, Katalogredaktion und Pressearbeit. | |
| Mit Tue Greenfort kam dann 2008 eine auch für die dann folgende | |
| kuratorische Ausrichtung exemplarische Ausstellung ins Braunschweiger Haus: | |
| Der Däne baute eine sinnbildliche Brücke in den Park, der ehemals zur | |
| „Villa Salve Hospes“ gehörte. Die klassizistische Villa ist seit 1946 Sitz | |
| des Kunstvereins, Greenfort setzte sich mit einer bürgerlichen | |
| Repräsentation des 19. Jahrhunderts in Architektur sowie Gartenkunst | |
| auseinander. Dass alle dort Ausstellenden – unterschiedlich ausgeprägt – | |
| auf den Ort bezogen arbeiten, ist seither das Markenzeichen des | |
| Braunschweiger Kunstvereins. | |
| Das Programm ist heute deutschlandweit anerkannt, so sei der Verein derzeit | |
| in Berlin stark angesagt, sagt Wagner selbst. In den beiden vergangenen | |
| Jahren war er für den Preis der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine | |
| nominiert. Man kenne ihn aber auch in Los Angeles, beispielsweise. | |
| Auf dem heimischen Pflaster muss Hilke Wagner mit großem diplomatischem | |
| Geschick gewirkt haben. Sie hat, anders als mancher Vorgänger, mit dem | |
| Vereinsvorstand harmoniert. Auch zur Kunsthochschule entwickelte sie einen | |
| Draht, heute tragen Studierende die Kunstvermittlung im Verein. Wagner ist | |
| in der Stadt vernetzt, immer wieder sprangen Behörden und Unternehmen | |
| hilfreich bei. | |
| Und das Geld? Die schwierige finanzielle Situation sei symptomatisch, sagte | |
| Wagner. Bundesweit einmalig fördert in Niedersachsen das Ministerium für | |
| Wissenschaft und Kunst die Jahresprogramme von rund 20 Kunstvereinen – aber | |
| mehr als die Hälfte des Jahresetats muss anderweitig eingeworben werden. | |
| Braunschweig wiederum beherbergt zwar eine bemerkenswerte Dichte an | |
| wohlbestallten Stiftungen – deren Interessen aber lagen stets in | |
| retrospektiver Identitätsstärkung als darin, aktuelle Kunst zu fördern. | |
| Wagner erschloss hier allerlei Töpfe, eine verlässliche, kontinuierliche | |
| Förderung aber sähe anders aus. | |
| Kein Nine-to-five-Job, die Leitung eines Kunstvereins: Die sieben Jahre | |
| seien erfüllend gewesen, sagt Wagner, aber auch erschöpfend. Ein weiteres | |
| Jahr wäre sie gerne noch geblieben, das Programm für 2015 ist konturiert. | |
| So konnte die scheidende Direktorin sich mit der 74-jährigen | |
| US-Amerikanerin Susan Hiller und deren Videoinstallationen einen | |
| langjährigen Wunsch erfüllen. Ob Hiller jetzt, ohne die persönliche | |
| Verbindung, überhaupt noch nach Braunschweig kommen? Unklar. Im September | |
| unternimmt erst mal der Filmemacher Clemens von Wedemeyer erneut ein rein | |
| akustisches Experiment, zum Jahresende folgt Wilfredo Prieto. Vier bis fünf | |
| Kataloge wollen auch noch abgeschlossen werden. | |
| Der Wechsel nach Dresden wird auch eine private Umstellung: Hilke Wagners | |
| Ehemann ist Journalist beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg, beide | |
| schätzen Braunschweig. Andererseits: Die Dresdener Stelle war ein Jahr lang | |
| vakant, die staatlichen Sammlungen werden gerade umstrukturiert. Hilke | |
| Wagner wird sich auf die Moderne und den Ausstellungsbetrieb konzentrieren, | |
| eine separate Leitung erhalten die Bestände von Antike bis Barock. Wagner | |
| spürt einen Vertrauensvorschuss der Generaldirektion. Es kann losgehen. | |
| 15 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Maria Brosowsky | |
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