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# taz.de -- Ein Nachruf: Eine seltsame Art von Melancholie
> Zum Ende des Lebens kam der weltweite Ruhm: Der Bremer Maler Norbert
> Schwontkowski ist vergangenen Freitag nach einer schweren Krankheit
> gestorben.
Bild: In seinem Atelier: Der Bremer Maler Norbert Schwontkowski.
BREMEN taz |Am vergangenen Freitag ist der Bremer Maler Norbert
Schwontkowski infolge einer kurzen und schweren Krankheit 64-jährig
verstorben. Er hinterlässt ein Werk, in dem Glaube und Zweifel
nebeneinander Platz haben. Es mutet seltsam an, solche Bilder eines eben
Verstorbenen zu betrachten.
Aus seinen Bildern sprach schon immer eine seltsame Art von Melancholie.
Realitätssplitter und Traum, ein wenig Sarkasmus, ein wenig Utopie – eine
eigenartige Gemengelage. „Flamingo“ von 2009 etwa: Das großformatige Ölbi…
zeigt eine Art Industrielandschaft.
Über den Hintergrund erstrecken sich Rohre, Gasbehälter und Schornsteine.
Insignien der Umweltverschmutzung. Ein Szenario wie aus den Distopien der
80er-Jahre. Man denkt an giftige Gase und Abwässer, an Tod und Elend. Diese
Landschaft aber ist in ein sanftes Rosa getaucht. Sie scheint zu funkeln,
zu leuchten. Im Vordergrund steht eine Gruppe dunkler Flamingos in einem
stehenden Gewässer. Nicht, um etwas zu konterkarieren. Die Szenerie erhält
viel mehr etwas Magisches, sie wird utopisch. Als gäbe es etwas zu hoffen.
Nur: was?
## Auf dem Weg in die Ferne
Hoffnung und Aufbruch sind immer wieder Themen seiner Bilder: Immer wieder
sieht man Masten, immer wieder macht sich irgendwo ein Schiff auf den Weg
in die Ferne.
Schwontkowski war gläubiger Katholik. Als Schüler besuchte er dasselbe
Klosterinternat wie der Künstler Andreas Slominski. Bevor er zu malen
anfing, wollte er Pfarrer werden. Sein Denken, sein Sehen sind davon stark
beeinflusst. War er ein katholischer Maler? Schwer zu sagen. Er selbst wies
darauf hin, dass er erst durch Fra Angelico zur Malerei gekommen sei: Die
Begegnung mit dessen Fresken zwischen Mittelalter und Renaissance sei für
ihn „eine blitzartige Erkenntnis“ gewesen: „Ja, das ist der Zusammenhang,
in dem stehst auch du – und das ist die Malerei.“
So erinnern die Hintergründe von Schwontkowskis Bildern an alte
Klostermauern, an denen Fresken mehrerer Jahrhunderte und verschiedene
Anstriche einander überdecken, und hier und da aufbrechen, um den Blick auf
die Geschichte zu eröffnen.
Oh ja, diese Hintergründe! Während er auf ausgeklügelte Komposition
verzichtete – oft genug hat das während des Malens ja noch durchschimmernde
Skelett der Staffelei die Platzierung der Motive bestimmt – und die
Gegenstände und Personen stets flüchtig und schnell ausführte, um durchaus
im Sinne einer surrealen peinture automatique die Kontrolle auszuschalten,
sind die Hintergründe Ergebnis zeit- und arbeitsintensiver Prozesse.
Stimmungsfelder nannte er sie. „Ich fürchte sogar, das könnte passieren –
dass ich irgendwann dahin komme, gegenstandslos zu malen“, hat er mal
gesagt. Und das war nur halb ein Scherz.
Die Farbe trug er dafür in dicken Schichten auf und verwendete gelegentlich
Eisenoxyde, damit sich der Farbton mit der Zeit änderte. Wenn die Arbeit an
einem solchen Bildhintergrund abgeschlossen war, krakelte er dann eine
seiner seltsamen Figuren darauf, die stets sehr erzählerisch und oft
regelrecht cartoonhaft wirken, wie etwa der radfahrende Pfaffe auf der
Flucht vor einer schwarzen Katze.
Gerne machte sich Schwontkowski auf diese Weise über die Malerei lustig. So
auch in seinem Ölbild von 2001 mit dem wunderbaren Titel „Wie die Herde
zusammenhalten, wie den Tieren die Wolle nehmen“. Darauf ein kopfloser
Schäfer mit einer Herde von Schafen, auf deren Körpern die Namen großer
Maler wie Goya, Giotto und Malewitsch geschrieben sind.
Dabei hatte Schwontkowski anfänglich vor allem Zeichnungen auf Papier
gefertigt. In der Galerie der „Gruppe Grün“ zeigte er Anfang der 80er-Jahre
projizierte Super-8-Filme auf Milchflächen und pflanzte Reis. Leinwände
konnte er sich damals nicht leisten. Bald darauf entdeckte ihn Brigitte
Seinsoth für ihre Galerie beim Steinernen Kreuz. Schwontkowski verkaufte
bei seiner ersten Ausstellung bei ihr einige Zeichnungen für insgesamt
2.000 Mark.
Der große Erfolg stellte sich für Schwontkowski erst spät, vor etwa zehn
Jahren, ein. 2004 widmete die Bremer Kunsthalle ihm eine große Ausstellung.
Wichtige Galerien wie die Berliner Contemporary Fine Arts und die New
Yorker Mitchell-Innes & Nash hatten den Maler entdeckt und nahmen ihn in
ihr Programm auf. Noch Anfang des Jahres hatte der Hamburger Kunstverein
ihm eine große monografische Ausstellung unter dem Titel „The Blind Man’s
Faith“ gewidmet, die im April zu Ende ging. Wenige Tage nach der
vielbeachteten Eröffnung erhielt er die ärztliche Diagnose. Da war sein
Körper bereits angeschlagen.
## Treue zu Bremen
Schwontkowski, der zwischenzeitlich am Caspar-David-Friedrich-Institut der
Uni Greifswald Malerei lehrte und später an der Hamburger Kunsthochschule
eine Professur bekam, blieb trotz des weltweiten Ruhms Bremen treu, auch
der Bremer Kunstszene. „Das, was ich hier in Bremen mache und das ganze
Theater da draußen muss ich auseinanderhalten“, hat er mal gesagt. Sein
Atelier hatte er in der Neustädter Häschenstraße. Er stellte weiter bei
Seinsoth aus und engagierte sich für die Gesellschaft für Aktuelle Kunst.
„Er war ein unglaublich feiner und großzügiger Mensch, persönlich wie in
seinem Werk“, erinnert sich Janneke de Vries, Direktorin der Gesellschaft
für Aktuelle Kunst. „Er begegnete seinen Mitmenschen stets auf Augenhöhe.
Seinen Erfolg hat er selbstbewusst genossen, aber eine Attitude à la
Malerfürst war ihm fremd“, so de Vries weiter. Einmal ist er auf einer
Ausstellungseröffnung der viel unbekannteren Künstlerin Shannon Bool
aufgetaucht, hat sich ihre Arbeiten angesehen und zu ihr gesagt: „I love
your work.“ Bool entgegnete: „I love your work.“ Schwontkowski blieb dabe…
„I love your work.“
Begegnungen mit ihm waren stets beeindruckend. Sein Auftreten war geprägt
von einem Spiel zwischen Präsenz und Unpräsenz. Es war zwar still – aber
mit Nachdruck. An seinem Äußeren zeigte sich manchmal noch sein früherer
Berufswunsch. In seinen dunklen Anzügen, zu denen er weiße Hemden und
schwarze Schals trug, wirkte er recht priesterlich – wenigstens solange das
dicke Tattoo auf dem Oberarm verborgen blieb. Die schwarzen Brillenränder
gaben seinen auseinanderlaufenden Pupillen, wie die Bilderrahmen seinen
verrückten Bildgestalten, etwas äußere Ordnung. Es ist schön, sich an ihn
zu erinnern. Und tieftraurig.
18 Jun 2013
## AUTOREN
Radek Krolczyk
## TAGS
Kunsthalle Bremen
GAK
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