| # taz.de -- Norbert Schwontkowski-Ausstellung: Und irgendwann schimmert es durch | |
| > Die Bremer Kunsthalle zeigt zum 70. Geburtstag des 2013 verstorbenen | |
| > Malers Norbert Schwontkowski bislang Ungesehenes aus dem Nachlass. | |
| Bild: Kann dick auftragen: Norbert Schwontkowski am 30. Dezember 2001 in seinem… | |
| Bremen taz | Viele Ausstellungen sind in den vergangenen Wochen aufgrund | |
| der Corona-bedingten Schließungen ins Netz gewandert. Immer wieder wurde | |
| dabei deutlich, dass in der Zweidimensionalität des virtuellen Raumes viel | |
| verloren geht von den so präsentierten Kunstwerken. Der Bremer Norbert | |
| Schwontkowski etwa war einer jener Maler, deren Bilder sich in besonderer | |
| Weise gegen ihre fotografische Reproduktion sperren. Das konnte man in den | |
| vergangenen zwei Monaten bei den virtuellen Rundgängen durch seine | |
| Ausstellung in der Bremer Kunsthalle erleben. Eine ähnliche Erfahrung macht | |
| man auch beim Durchblättern seiner teilweise sehr aufwendig produzierten | |
| Kataloge. | |
| Dieser Umstand ist seiner Malweise geschuldet. Auch wenn auffällt, dass | |
| Schwontkowskis Bilder seit seinem späten internationalen Durchbruch 2004 an | |
| Materialität verlieren, die Farbaufträge dünner und die Formate größer | |
| werden, war er dafür bekannt, seine Farbe in mehreren dicken Schichten | |
| aufzutragen. Seine Bilder brauchten Zeit. | |
| Das führte dazu, dass verdeckte Farbschichten durchschimmern, je nach | |
| Lichteinfall. Die Bilder sind plastisch. Bildbetrachtung wird so | |
| prozessual, Malerei zu einem Zeitmedium ohne Zeitvorgabe. Durch die | |
| Beimengung von Eisenoxiden erzielte Schwontkowski zudem einen | |
| fluoreszierenden Effekt, was bewirkte, dass die Bilder mit den Jahren | |
| nachdunkeln. Das tut ihnen zwar nicht immer gut, macht die Sache aber | |
| interessant. | |
| Die Bremer Ausstellung holt den 70. Geburtstag des Bremer Malers nach, den | |
| er im vergangenen Jahr gefeiert hätte. Zu sehen sind viele bislang noch | |
| nicht gezeigte Bilder aus dem Nachlass, den die Berliner Galerie | |
| Contemporary Fine Arts (CFA) verwaltet. Seit 2004 wird Schwontkowski von | |
| ihr vertreten. | |
| Bilder aus dem Nachlass hielt Schwontkowskis Tochter, die Künstlerin | |
| Alberta Niemeyer, lange unter Verschluss. Teile wurden im letzten Jahr | |
| erstmalig in der Kunsthalle Bonn gezeigt. Die Bremer Kunsthalle hat einen | |
| größeren Teil dieser Ausstellung übernommen. | |
| Eines der zentralen Bilder der Ausstellung hat den Titel „Unser kosmisches | |
| Leben“. Schwontkowski hatte es noch Anfang 2013 für eine Ausstellung im | |
| Hamburger Kunstverein fertiggestellt. Kurz nach der Eröffnung im Januar | |
| wurde bei ihm Krebs diagnostiziert, im Juni des Jahres starb er im Alter | |
| von 64. „Unser kosmisches Leben“ ist eines dieser Bilder, die medial so | |
| schwer zu vermitteln sind. | |
| Zu sehen ist eine Szene in einem Ausgehviertel. Es ist wohl Nacht, dunkle | |
| Figuren und dunkle Karossen kreuzen die Straße. Die Fassaden der | |
| anliegenden Häuser sind über und über von Schildern bedeckt, die in | |
| verschiedenen Farben leuchten. Ihre Aufschriften sind kosmisch (und | |
| gleichzeitig so irdisch profan): „Cosmos Cinema“, „Venus Bar“, „Mars | |
| Girls“. Über den Dächern strahlen in Leuchtbuchstaben „Lux“ und „Heav… | |
| Dieses kosmische Leuchten ist es, das sich beim virtuellen Museumsbesuch | |
| oder im Katalog so schwer vermitteln lässt. | |
| Ein Privileg der Bremer Ausstellung ist der Zugriff auf den lokalen | |
| Kontext, in dem Schwontkowskis Werk entstand. Auch als international | |
| anerkannter Maler blieb er in seinem Atelier in der Häschengasse an der | |
| Weser und stellte in der Galerie beim Steinernen Kreuz aus, die ihn seit | |
| seinem Studienende an der Bremer Kunsthochschule begleitete. In diesen | |
| Kontext gehört etwa ein sehr schönes Aquarell des Malers Jub Mönster, das | |
| er 1972 von Schwontkowskis Atelier in Bremens ehemaligem Hafenquartier | |
| Walle gemalt hatte. | |
| Die Künstler Wolfgang Hainke und Horst Müller haben nach dem Tod ihres | |
| Freundes außerdem einige Dinge aus dessen Atelier gerettet. Zum einen ist | |
| es eine schöne freundschaftliche Geste, zum anderen geben manche dieser | |
| Gegenstände heute Aufschluss über Schwontkowskis Werk. In der Kunsthalle | |
| steht ein Vitrinentisch mit Plastikschüsseln, darin getrocknete Farbe. Eine | |
| Skizze auf der Tischplatte, auf der die Farbschalen angeordnet sind, | |
| verrät, dass es sich wahrscheinlich um die Palette handelt, die er für das | |
| „kosmische Leben“ verwendete. | |
| Eine Serie schwarzweißer Fotografien zeigt Schwontkowski zudem beim Malen. | |
| Angefertigt hatte sie der Bremer Fotograf und Druckgrafiker Fabian Georgi. | |
| Man sieht in einer kurzen Sequenz einem Bild so bei seiner Entstehung zu. | |
| Solche Aufnahmen sind selten. | |
| Zu Schwontkowskis lokalem Umfeld gehörte auch das | |
| Literaturwissenschaftlerpaar Peter und Christa Bürger. Seit den frühen | |
| 1990er-Jahren haben sie immer wieder Bilder von Schwontkowski gekauft, mit | |
| dem sie Freundschaft verband. In der Bremer Kunsthalle befinden sich seit | |
| 2018 große Teile ihrer Sammlung. | |
| Dazu gehört auch das Ölbild „Wir in dieser Drecksbrühe“ aus dem Jahr 199… | |
| Auf einer schlammigen, ockerbraunen Fläche sieht man eine Gruppe weißer | |
| Schwäne. Sie strecken die langen Hälse, richten die stumpfen Schnäbel in | |
| die Höhe. Man kann gar nicht sagen – tun sie es aus Ekel oder aus | |
| Vergnügen? Auch in einer verkommenen Umgebung, könnte das Bild so | |
| behaupten, lässt sich glücklich leben. Vergessen wir die Moral. Die | |
| schönsten Freuden sind schließlich schmutzig. Sie trösten die Menschen über | |
| ihr Elend hinweg. Verdammung und Trost liegen in Schwontkowskis Bildern | |
| jedenfalls oft fast untrennbar nah beieinander. | |
| 20 May 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Radek Krolczyk | |
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