| # taz.de -- Zum Tod von Brigitte Seinsoth: "Eine Komplizin der Künstler" | |
| > Wer das Wirken Brigitte Seinsoths verstehen will, muss ihre Künstler | |
| > fragen: Maler Norbert Schwontkowski erklärt, wie die Galeristin ihn von | |
| > der Arroganz heilte. | |
| Bild: In memoriam Brigitte Seinsoth. | |
| taz: Herr Schwontkowski, wie haben Sie Brigitte Seinsoth kennengelernt? | |
| Norbert Schwontkowski: Das war Anfang der 80er Jahre. Ich habe eine Weile | |
| in Hamburg gelebt und bin gerade nach Bremen zurückgezogen. Ich bekam eine | |
| kleine Tochter, die Mutter lebte in Bremen, wir sind dann zusammen nach | |
| Walle gezogen. Brigitte hat dann meine Arbeiten kennengelernt, mir war ihre | |
| Galerie bekannt. Sie stellte damals Künstler aus der Clique um Thomas | |
| Hartmann und Hartmut Neumann aus, Studenten des Malers Jürgen Waller. | |
| Wie sah damals die Galerien-Szene in Bremen aus? | |
| Die war sehr viel lebendiger als heute. Ihre Galerie war frisch eröffnet. | |
| Ihr Mann Udo betrieb in der unteren Etage des Hauses ein Antiquariat. Die | |
| Galerie haben sie zunächst gemeinsam betrieben. Sie lud mich dann 1984 ein, | |
| bei ihr auszustellen, es war meine zweite Einzelausstellung. Ich hatte | |
| vorher in der Galerie der Gruppe Grün ausgestellt. Die waren damals sehr | |
| aktiv und hatten ein gutes Programm. | |
| Wie haben Sie zu dieser Zeit gearbeitet? | |
| Ich habe zu dieser Zeit unterschiedliche Dinge gemacht. In der Galerie Grün | |
| etwa habe ich Reis gepflanzt und Super-8-Filme auf Milch-Oberflächen | |
| projiziert. Ich hatte wenig Geld und konnte mir kaum Leinwände kaufen. Bei | |
| Brigitte habe ich Arbeiten auf Papier gezeigt. Immerhin konnte ich für | |
| 1.000 oder 2.000 Mark Bilder verkaufen. Das war für mich ein großer Erfolg. | |
| Ich habe dann regelmäßig alle zwei, drei Jahre in der Galerie beim | |
| Steinernen Kreuz ausgestellt. | |
| Welchen Hintergrund hatte sie? | |
| Sie hatte eine Ausbildung als Apothekerin gemacht. Ihr Mann war als Lehrer | |
| einer der ersten, die vom Berufsverbot betroffen waren. Aus ihrem | |
| gemeinsamen Interesse an Kunst heraus, begannen sie Ausstellungen zu | |
| organisieren, er eröffnete sein Antiquariat. | |
| Sie hatte zusammen mit ihrem Mann in der Villa Beim Steinernen Kreuz eine | |
| Art Kulturzentrum geschaffen? | |
| Ja, neben Ausstellungen fanden auch Lesungen statt. A. C. Hartmann zum | |
| Beispiel, oder Gerhard Rühm von der Wiener Gruppe. Ein Kunstzentrum war es | |
| auf jeden Fall. Sie stellte Künstler aus Wien oder Düsseldorf aus. Ihre | |
| Galerie hatte allerdings einen regionalen Schwerpunkt. Sie hatte es | |
| geschafft, die wichtigsten jungen Künstler aus der Region an ihre Galerie | |
| zu binden. Hartmann und Neumann hielten ihr auch nach ihrem Wegzug die | |
| Treue. | |
| Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Brigitte Seinsoth? | |
| Sie hat mich damals auf den Boden der Tatsachen gebracht. Ich war arrogant | |
| und interessierte mich für kaum etwas anderes als mich selbst. Als Künstler | |
| war ich sehr aktiv. Als sie auf den Plan trat, wurde das Ganze | |
| realistischer. Ich merkte, dass es Interesse an meiner Kunst gab, Leute sie | |
| sogar kauften. Das habe ich vorher nicht gedacht. So brachte sie mich in | |
| eine Situation, in der ich mich professionalisieren musste. | |
| Was hat Ihnen an ihr besonders imponiert? | |
| Sie unterschied sich von allen Galeristen, die ich später kennenlernen | |
| sollte. Es war eine Art Freundschaft, die sie stets zu ihren Künstlern | |
| gesucht hat. Sie interessierte sich nicht nur für das Werk, sondern auch | |
| für die Person, die hinter dem Werk steht. Das Wohlbefinden ihrer Künstler | |
| lag ihr sehr am Herzen. Manchmal rief sie an und fragte einfach, wie es mir | |
| geht und ob sie mir irgendwie helfen kann. Ihr Bezug zur Kunst war vor | |
| allem von einer tiefen Leidenschaft getragen. Sie machte sich zur Komplizin | |
| der Künstler, indem sie sich an ihrem subversiven Werk beteiligte. Die | |
| Abgrenzung gegen das Bürgerliche war ihr wichtig. Selbstverständlich hatte | |
| sie als Galeristin mit dem Bürgertum zu tun. Schließlich waren das die | |
| Leute, die Geld hatten, um Kunst zu kaufen. | |
| Können Sie sich an den Anfang ihrer schweren Krankheit erinnern? | |
| Das war vor etwa zwei Jahren. Ich habe das immer verdrängt, wollte es nicht | |
| wahrhaben, habe mir immer gesagt, das würde schon wieder vorbeigehen, bis | |
| sie mir irgendwann sagte, dass sie nicht mehr gesund werden würde. Das war | |
| ein Schock. Ihr Interesse an Kunst hat dadurch keineswegs abgenommen. Im | |
| Gegenteil sagte sie einmal, sie bräuchte die Kunst zum Leben. | |
| 14 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Radek Krolczyk | |
| ## TAGS | |
| Kunsthalle Bremen | |
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