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# taz.de -- Künstler Schwontkowski über das Malen: "Ich habe es erst spät ve…
> Der Bremer Künstler Norbert Schwontkowski hatte sich schon für die
> Gegenständliche Malerei entschieden, als die meisten Großkünstler noch
> Farbtafeln produzierten.
Bild: Der Maler Norbert Schwontkowski in seinem Atelier.
taz: Herr Schwontkowski, Sie kehren nach Ihren Reisen immer wieder nach
Bremen zurück …
Norbert Schwontkowski: Manchmal muss man mal kurz weg sein, um zu merken,
was hier das Gute ist.
Was ist es denn?
Bremen ist ruhig - nicht so nervös - und kennt eigentlich keinen Hype. Das
ist ein Vorteil. Der Bremer weiß gar nicht, was das ist - höchstens im
Fußball.
Da ist der Kunstmarkt anders: Wie war das für Sie, als Sie vor ein paar
Jahren plötzlich den Durchbruch hatten?
Ich habe das genossen. Aber es war nicht so als hätte ich darauf
hingearbeitet: Ich war ganz einverstanden, mit dem Leben, so wie es war.
Ich machte das, was ich wollte, ich konnte davon leben, ich hatte meine
Krisen hinter mir - und irrsinnig viel Selbstbewusstsein. Als es dann kam,
und es gab plötzlich hier eine neue Ausstellung und dort eine Einladung -
da war das für mich mehr so wie ein ungläubiges Staunen: Holla!, das geht
also auch. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Weil's so lange gedauert hat …?
Ich habe ja auch erst spät verstanden, dass ich ein Maler bin. Zuerst hatte
ich auch mit anderen Medien experimentiert …
Und dann?
Das war in Italien. Ich war da 40 und mit meiner damaligen Freundin
unterwegs. Da sind wir in eine Fra Angelico-Ausstellung gegangen, in einer
Kirche. Das war wie eine blitzartige Erkenntnis: Ja, das ist der
Zusammenhang, in dem stehst auch du - das ist die Malerei.
Gegenständliche Malerei war damals eine Außenseiterposition: Woher kam die
Lust an wiedererkennbaren Motiven?
Ich habe Malerei von Anfang an als eine Art begriffen, Geschichten zu
erzählen. Es ist wie eine Sprache, die sich neben der Wortsprache
entwickelt hat.
Und welche Rolle spielt dabei der abstrakte Bild-Grund?
Ich nenne das gerne Stimmungsfelder. Was mich dabei vor allem interessiert,
ist die Spannung zwischen Beherrschbarem und Unbeherrschbarem: Zuerst ist
der Grund so ein fester Brei, den bringe ich mit einem Rakel auf die
Leinwand auf, fast wie mit einem Spachtel. Daraus entsteht so etwas wie ein
atmosphärisches Feld. Und doch ist das unkontrollierbar, denn je nachdem,
wie dieser Brei zusammengesetzt ist, schlägt das auch um: Wenn da zum
Beispiel zu viel Kupferoxid drin ist, kippt das Rote ins Grüne.
Also ein individueller Grund …?
… ein sehr individueller Grund!
Dessen Gestaltung Zeit kostet.
Ja, vor allem bei den frühen Sachen, wo ich oft noch lange ausprobieren
musste, bis es das war, was ich suchte: Da ist der Grund oft sehr dick,
manchmal schon wie ein Brett.
Die Motive wirken dagegen immer flüchtig ausgeführt …
Das sind sie auch! Die male ich möglichst schnell. Der andere Weg wäre,
schön und genau zu malen - ich male eher, sagen wir: ungelenk und schnell.
Damit schalte ich die Kontrolle aus.
Kann dann nicht sogar das Motiv wegfallen?
Ich fürchte sogar, das könnte passieren - dass ich irgendwann dahin komme,
gegenstandslos zu malen. Die Frage ist wirklich, ob das ohne Motive nicht
auch gute Bilder wären. Da merkt man, wie nahe man Auffassungen von Malerei
eigentlich ist, mit denen ich nicht so viel zu tun haben möchte, also den
Farbtafeln von konkreter Malerei …
… nur dass Sie noch Motive dazu suchen?
Nein. Das Motiv ist immer zuerst. Ich suche den passenden Grund zum Motiv …
… das woher kommt?
Ich habe immer einen Skizzenblock bei mir: Das sind Hefte, die heißen
merkwürdigerweise "Brunnen". Die passen genau in eine Jackentasche. Von
denen habe ich inzwischen etwa 500 vollgezeichnet.
Mit Reise-Eindrücken?
Nein, das ist völlig unabhängig vom Ort, wo ich mich gerade befinde. Die
entstehen eher wie durch eine Art surrealistischen Trick: Also wenn man
absichtlich unscharf guckt oder peripher sieht, aus dem linken Augenwinkel
etwas beobachtet und etwas anderes aus dem rechten …
Zum Beispiel?
Etwa wenn du morgens früh aufstehst und hast gerade etwas Komisches
geträumt, worüber du keine Macht hast. Oder du fährst im Zug, und dann
denkst du an deine Mama oder an deine Geliebte oder daran, dass du
versprochen hast, übermorgen Eierkuchen zu backen - egal. Mit einem Mal
rutscht etwas dazwischen von den Dingen, die da so vorbeirauschen:
Windräder, es fängt an zu regnen, die Sonne geht auf, ein alter Schuppen …
Und auf einmal ist es eine Konstruktion geworden - und du weißt nicht
warum.
Einige Figuren kehren oft wieder - vor allem der Mönch. Da heißt es dann:
Der Schwontkowski war Klosterschüler und wollte mal Priester werden. Nervt
das?
Nein, das stimmt ja so. In meinem Leben war das eine spirituelle Erfahrung,
die nicht mehr auszulöschen ist. Die Geistlichen waren diejenigen, die sich
mit den elementaren Dingen auseinandersetzen sollten, eine Verbindung
herstellen zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten. Und das machen heute
die Maler.
Trotzdem wirken die Bilder oft komisch. Etwa: Steht ein Mönch im
Waschsalon. Oder: Stürmt ein Bankräuber in ein Sarglager. Das klingt wie
Slapstick. Ist das so geplant?
Planen tu ich eigentlich nie. Die Dinge kommen mehr aus einem halb
bewussten Zustand zwischen Traum und Wachheit.
Aber woher dann die Komik?
Das liegt daran, dass es oft sehr schmerzhafte Geschichten sind. Etwa
dieser Bankräuber, der sucht doch das Leben, oder das, was er für das Leben
hält, das Geld, die Möglichkeit des Lebens. Und dann findet er nur den Tod.
Das ist ja mein großes Thema: Ich habe als Künstler keine richtige
Baustelle, ich beschäftigte mich mit nichts Konkretem. Ich habe nur dieses
eine, allermenschlichste Thema, Leben und Tod - aber eben konzentriert auf
den wesentlichen Punkt. Das ist mir Geschichte genug.
7 Feb 2010
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
Benno Schirrmeister
## TAGS
Kunsthalle Bremen
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