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# taz.de -- Konzerne klagen gegen den Atomausstieg: „Eine tief politische Ent…
> Drei Atomkonzerne klagen vor dem Verfassungsgericht. Sie wollen Geld,
> weil der Bundestag nach Fukushima die Stilllegung der AKW beschleunigte.
Bild: Aktenwust vor der Verhandlung in Karlsruhe
Karlsruhe taz | Fünf Jahre nach dem Atomunfall von Fukushima verhandelt das
Bundesverfassungsgericht über den 2011 beschleunigten Atomausstieg in
Deutschland. Die Energieunternehmen halten ihn für verfassungswidrig und
hoffen auf milliardenschwere Entschädigungen.
Der Ausstieg aus der Atomenergie wurde schon 2001 beschlossen, nicht erst
nach Fukushima. Damals handelte die rot-grüne Bundesregierung mit den
Atomkonzernen „Reststrommengen“ für die AKWs aus. So sollten
Entschädigungen vermieden und ein angemessener Gewinn der Betreiber
sichergestellt werden. Allerdings verlängerte die schwarz-gelbe
Bundesregierung 2010 die Restlaufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre pro
AKW.
Kurze Zeit darauf kam es zur Reaktorkatastrophe in Fukushima. Ein Erdbeben
und ein Tsunami führten zur Kernschmelze, gewaltige Mengen Radioaktivität
traten aus. Drei Monate später nahm der Bundestag die verlängerten
AKW-Laufzeiten zurück und orientierte sich wieder am ursprünglichen
Ausstiegsplan. Allerdings wurden sieben ältere AKWs und der Pannenreaktor
Krümmel sofort stillgelegt.
Gegen diese Änderung des Atomgesetzes erhoben die drei großen
Energieversorger Eon, RWE und Vattenfall Verfassungsbeschwerde. Sie sehen
im beschleunigten Atomausstieg eine „Enteignung“ oder eine
„unverhältnismäßige“ Inhaltsbestimmung des Eigentums; beides wäre
entschädigungspflichtig. Hätten ihre Klagen Erfolg, wäre die
Atomgesetzänderung nichtig, die AKWs könnten also länger laufen. Der
Bundestag müsste dann ein neues Änderungsgesetz beschließen, diesmal mit
Entschädigungen.
## „Neueinschätzung der Risiken“
Ziel der Klage sei nicht die Renaissance der Atomkraft, sondern eine
angemessene Entschädigung, betonte in Karlsruhe Johannes Teyssen, der
Vorstandsvorsitzende von Eon. „Die Energiewende ist auch unser Anliegen.“
Ähnlich argumentierte RWEPower-Chef Matthias Hartung: „Es geht nicht um das
Ob der Energiewende, sondern um das Wie.“ Die abrupte Kehrtwende von 2011
sei irrational gewesen. Fukushima habe keine neuen Erkenntnisse über
deutsche AKWs gebracht.
In Fukushima habe sich kein bisher unbekanntes Restrisiko realisiert,
vielmehr seien dort „offensichtliche und unverantwortliche Planungsfehler“
gemacht worden, so Hartung. Dagegen habe die deutsche
Reaktorsicherheitskommission die deutschen AKWs 2011 nach einer erneuten
Überprüfung als sicher bezeichnet.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verteidigte das damalige Gesetz:
„Die Entscheidung für den schnellstmöglichen Atomausstieg war und ist
richtig.“ Der Unfall, den man „in einem Hochtechnologieland wie Japan für
unmöglich gehalten hatte“, sei Anlass für eine Neueinschätzung der Risiken
gewesen. Bei den Folgen habe sich der Bundestag weitgehend an der
Vereinbarung von 2001 orientiert. Wo er abwich, hätten die AKW-Betreiber
nicht auf die Vereinbarung vertrauen dürfen, da sie diese selbst nicht
ernst genommen hätten, indem sie auf eine Laufzeitverlängerung
hinarbeiteten.
Christoph Möllers, der Rechtsvertreter des Bundes, betonte: „Für die
Neubewertung der Risiken waren keine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse
erforderlich. So etwas ist eine zutiefst politische Entscheidung.“ Wolfgang
Ewer, der die Länder Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein vertrat,
stimmte zu: „Es gibt nichts Politischeres als die Festlegung von
Risikogrenzen.“ Auch Astrid Wallrabenstein, als Vertreterin der
Grünen-Bundestagsfraktion, betonte die „Gestaltungsfreiheit“ der
Abgeordneten. Die Anwälte der Energieunternehmen widersprachen nicht.
„Natürlich kann der Bundestag seine Meinung ändern – allerdings muss er
dann entschädigen.“
## Extra-Klage für Krümmel
Besondere Bedeutung hat das AKW Krümmel, dessen Betreiber eine separate
Verfassungsbeschwerde eingelegt hat. Es war ab 2007 wegen zweier Störfälle
abgeschaltet und sollte 2011 nach Reparaturen wieder angefahren werden.
„Das wollte die Landesregierung nicht und sorgte dafür, dass das relativ
neue AKW vom Bundestag wie ein altes AKW behandelt und sofort stillgelegt
wurde“, so Krümmel-Anwalt Ulrich Karpenstein.
Die Verhandlung soll am Mittwoch fortgeführt werden, das Urteil wird erst
in einigen Monaten erwartet.
15 Mar 2016
## AUTOREN
Christian Rath
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