# taz.de -- Unternehmen fordern Schadenersatz: Atomkonzerne jammern – und kla… | |
> Die Großkonzerne machen Verluste. Vor Gericht kämpfen Eon, RWE und | |
> Vattenfall um Entschädigung für den Atomausstieg. | |
Bild: Das von RWE betriebene Kernkraftwerk Biblis ging am 18. März 2011 vom Ne… | |
Berlin taz | Es sind dramatische Zahlen, die die großen Energiekonzerne in | |
dieser Woche vermelden mussten: Der Stromkonzern RWE gab für das letzte | |
Jahr einen Verlust von 170 Millionen Euro bekannt, Marktführer Eon | |
verzeichnete mit 7 Milliarden Euro gar den größten Fehlbetrag in seiner | |
Unternehmensgeschichte. | |
Bei EnBW liegt noch kein Jahresabschluss vor, doch das Unternehmen warnte | |
kürzlich vor drohenden Sonderbelastungen in Höhe von 950 Millionen Euro. | |
Der Grund für die schlechten Zahlen ist in allen Fällen der gleiche: Fünf | |
Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima ist das Geschäftsmodell der | |
alten Energieriesen erodiert. | |
Die Gas- und Kohlekraftwerke werfen weniger Gewinne ab, denn durch den | |
schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien sind die Großhandelspreise für | |
Strom um mehr als die Hälfte gesunken. Darum haben die Unternehmen dort | |
hohe Wertberichtigungen vorgenommen. Und Besserung ist nicht in Sicht. „Die | |
Krise der konventionellen Stromerzeugung“, klagte RWE-Chef Peter Terium vor | |
seinen Aktionären, habe sich „zuletzt weiter zugespitzt“. | |
Dazu kommt, dass auch die ehemals extrem gewinnträchtigen Atomkraftwerke | |
keine Freude mehr machen: Die Hälfte von ihnen wurde unmittelbar nach dem | |
Super-GAU in Japan abgeschaltet, der Rest folgt bis 2022. Statt Einnahmen | |
gibt es dann nur Kosten – für den Abriss der Reaktoren und die Endlagerung | |
des Atommülls. | |
## „Ich erwarte Gerechtigkeit“ | |
Doch wenn es nach Eon und RWE geht, soll der Ausstieg zunächst noch einmal | |
viele Milliarden einbringen. Mit einer Verfassungsbeschwerde wollen sie – | |
zusammen mit dem schwedischen Staatskonzern Vattenfall – die Grundlage für | |
hohe Schadenersatzforderungen an die Bundesregierung schaffen. | |
Im Raum stehen Summen von 8 bis 12 Milliarden Euro. Am kommenden Mittwoch | |
verhandelt das Bundsverfassungsgericht darüber. „Ich erwarte | |
Gerechtigkeit“, sagt Eons Vorstandschef Johannes Teyssen über den Prozess. | |
Die Atomkonzerne argumentieren, dass sie durch das Ausstiegsgesetz von 2011 | |
ohne Entschädigung enteignet worden seien. Ob sich das Gericht dieser | |
Sichtweise anschließt, ist offen. Schließlich hat der Staat den Unternehmen | |
die Reaktoren nicht weggenommen, sondern nur ihre Laufzeiten reduziert. | |
Aber auch das könnte als unverhältnismäßige Einschränkung der Nutzung des | |
Eigentums gewertet werden, die nur gegen eine Entschädigung zulässig ist. | |
Die Vertreter des Staates halten die Erfolgschancen der Unternehmen | |
allerdings für gering. „Wir halten das Gesetz zum Atomausstieg für | |
verfassungskonform und werden diese Position mit Nachdruck in Karlsruhe | |
vertreten“, sagt Michael Schroeren, Sprecher von Bundesumweltministerin | |
Barbara Hendricks (SPD). | |
## Rechtmäßiger Anspruch? | |
Gegen die Argumentation der Konzerne spricht, dass sie beim rot-grünen | |
Atomkonsens im Jahr 2000 einem entschädigungsfreien Ausstieg nach einer | |
Laufzeit von 32 Jahren bereits zugestimmt hatten. | |
Diesen hatte die schwarz-gelbe Regierung zehn Jahre später allerdings | |
zurückgenommen. Doch bis zum erneuten Ausstieg nach Fukushima verging | |
weniger als ein Jahr. „Die Zeit bis zur 13. Novelle im Sommer 2011 war zu | |
kurz, um im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung relevante Investitionen | |
vorzunehmen“, meint Rechtsanwalt Sascha Michaels, der das Land | |
Rheinland-Pfalz vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt. | |
Das Land ist zudem der Ansicht, dass die Laufzeitverlängerung, auf die die | |
Unternehmen ihren Anspruch stützen, gar nicht rechtmäßig war, weil der | |
Bundesrat ihr nicht zugestimmt hatte. | |
Allzu siegessicher scheinen auch die AKW-Betreiber nicht zu sein. Denn sie | |
sind bereit, die Verfassungsbeschwerde und weitere Atomklagen | |
zurückzuziehen, sofern die Regierung ihnen bei den Kosten für die | |
Endlagerung entgegenkommt. | |
## Alle Steuerzahler betroffen | |
Darüber verhandeln die Konzerne derzeit mit der Kommission, die im Auftrag | |
der Bundesregierung einen Vorschlag machen soll, wie die Rücklagen der | |
Konzerne für den Atommüll dauerhaft gesichert werden können. | |
Denn die schlechte finanzielle Situation der Stromkonzerne ist nicht nur | |
ein Problem für ihre Aktionäre, zu denen bei RWE viele Kommunen und bei | |
EnBW das Land Baden-Württemberg gehören. Vielmehr wären alle Steuerzahler | |
betroffen, wenn eins oder mehrere der Unternehmen in den nächsten | |
Jahrzehnten pleiteginge. | |
Laut Atomgesetz müssen die Unternehmen als Verursacher sämtliche | |
Folgekosten ihrer Kraftwerke tragen, also für Stilllegung und Abriss der | |
Reaktoren sowie die Zwischen- und Endlagerung des strahlenden Abfalls. | |
Die schätzt ein Gutachten der Bundesregierung auf etwa 48 Milliarden. Um | |
diese Summe aufbringen zu können, haben die Unternehmen in ihren Bilanzen | |
Rückstellungen gebildet; diese decken aber nur 38 Milliarden Euro ab. Ob | |
diese Summe bei den derzeit so niedrigen Zinsen wirklich erzielt wird, ist | |
allerdings ebenso offen wie die Frage, ob die Kosten am Ende nicht noch | |
höher sind. | |
## 30 oder 100 Prozent Risikoaufschlag? | |
Die Kommission erwägt darum, den Unternehmen die finanzielle Verantwortung | |
für die Endlagerung abzunehmen. Im Gegenzug müssten sie in den nächsten | |
Jahren die dafür gebildeten Rücklagen von etwa 10 Milliarden Euro an einen | |
staatlichen Fonds abführen – und zusätzlich einen Risikoaufschlag für | |
eventuell anfallende Mehrkosten. | |
Über dessen Höhe wird heftig gestritten: Grüne und Umweltverbände halten | |
100 Prozent für angemessen, die Konzerne allenfalls 30 Prozent. Und selbst | |
diese 30 Prozent wollen sie nicht bezahlen, sondern mit Forderungen | |
verrechnen, die sie ihrerseits gegen den Staat geltend machen wollen. | |
Dazu gehören auch etwaige Zahlungen aus diversen Klagen gegen die | |
Regierung, denn die Unternehmen sind nicht nur gegen den Ausstieg vor | |
Gericht gezogen, sondern auch gegen die Brennelementesteuer und das neue | |
Auswahlverfahren für ein Endlager. | |
Eine Einigung der Unternehmen mit der Endlagerkommission war im Februar | |
zunächst mangels deren Zahlungsbereitschaft gescheitert. Je nach Verlauf | |
der Verhandlung könnte sich die Verhandlungsposition deutlich verändern. | |
Denn auch wenn das Verfassungsgericht in der nächsten Woche noch keine | |
Entscheidung fällt, ist zu erwarten, dass die Richter bereits deutlich | |
machen werden, wie sie die Forderungen einschätzen. | |
14 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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