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# taz.de -- Kommentar Globaler Atomausstieg: Die Rechnung, bitte!
> Es sieht schlecht aus für die Atomkraft: Fünf Jahre nach Fukushima kann
> die Debatte über „subventionierten“ Strom endlich ehrlicher geführt
> werden.
Bild: Kein Durchgang: Namie in der Präfektur Fukushima
Das waren Bilanzen gleich im doppelten Sinn: In dieser Woche präsentierten
die Stromkonzerne RWE und Eon fast gleichzeitig ihre schlechten
Jahresergebnisse. Von Rekordverlusten und tiefroten Zahlen war da viel die
Rede, von Stellenabbau und der Not der Kommunen, die als Miteigentümer auf
die Dividenden angewiesen sind.
Und zur gleichen Zeit erinnert der fünfte Jahrestag des Atomunfalls im
japanischen Fukushima an die wirklichen Rekordverluste in der Welt jenseits
von Börsenkursen und Dividenden: an verstrahlte Arbeiter, eine entvölkerte
Region und 100 Milliarden Dollar Schäden, für die zum großen Teil der
japanische Steuerzahler aufkommen muss.
Den deutschen Stromkonzernen kommen die Meldungen über ihre wirtschaftliche
Schieflage nicht ungelegen. Denn im Poker mit Regierung und Parlament über
die Kosten von Atomausstieg und Endlagerung stützen schlechte
Bilanzergebnisse die Argumente der Konzerne, man müsse sie möglichst
ungeschoren lassen.
Es stimmt ja: Wenn man sicherstellen will, dass die Stromkonzerne möglichst
lange viel Geld für den Abbau ihrer Atomkraftwerke und die Endlagerung
beitragen, dann muss man dafür sorgen, dass sie überleben und schwarze
Zahlen schreiben. Eine Kuh, die man melken will, darf man nicht schlachten.
## Konzerne kalt erwischt
Doch dass die Konzerne überhaupt in diesen Schwierigkeiten sind, hat viel
mit ihrer eigenen Ignoranz zu tun. Jahrelang haben sie die Energiewende
bekämpft und wurden dann von ihr kalt erwischt. Aber nicht nur.
Zum Teil leiden die Konzerne auch unter ganz anderen Entwicklungen, die
seit der Katastrophe in Fukushima 2011 die Energiewirtschaft weltweit
durcheinanderwirbeln: Gas und Öl sind vor allem durch das umstrittene
Fracking auf dem Weltmarkt unschlagbar billig geworden, der Stromverbrauch
wächst in den Industrieländern kaum noch, und die Erneuerbaren sind viel
schneller als erwartet marktfähig geworden – zu fantastisch niedrigen
Preisen.
Deshalb war Fukushima der Anfang vom Ende der Atomkraft. Heute rechnen sich
die Reaktoren nur noch in autokratischen oder halbdemokratischen Regimen.
Diese müssen sich nicht um die Ängste der Bevölkerung kümmern. Den
Regierungen kommt es auf Staatsausgaben weniger an als auf Prestigeobjekte
oder den Griff nach der Atombombe. In einem freien Markt, in dem viele
Bewerber ihren Strom anbieten, können Atomkraftwerke schon aufgrund der
wahnsinnigen Finanzierungskosten inzwischen nicht mehr bestehen.
Das aber führt zu einer neuen Debatte über angeblich oder tatsächlich
subventionierte Strompreise. Während der Ökostrom immer gegen das Vorurteil
verteidigt werden musste, er sei nur mithilfe von Staatsknete möglich, ist
es nun andersherum: Steuergeld werden die Erneuerbaren immer weniger
brauchen, die Atomenergie aber wird immer mehr benötigen, wie der Irrsinn
der britischen Atomenergieplanung zeigt.
## Abhängig von politischen Entscheidungen
Endlich kann die Debatte über „subventionierten“ Strom ehrlicher geführt
werden. Letztlich ist jedes Energiesystem von politischen Entscheidungen
abhängig. Der Markt kann nur in diesem Rahmen funktionieren. Und dann
bleibt eine politische und gesellschaftliche Entscheidung: Welche
Energieversorgung wollen wir? Eine ökologisch und ökonomisch höchst
riskante wie die Atomkraft? Oder eine umweltverträgliche und
kostengünstige?
Die Stromkonzerne und die Politik haben darauf lange die falsche Antwort
gegeben. Wer heute noch auf Atomkraft setzt, hat sich verrechnet und wird
bitter dafür bezahlen.
11 Mar 2016
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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Energiewende
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Fukushima
Eon
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