# taz.de -- Atommüll in Lingen: Von Atomausstieg keine Spur | |
> Die Brennelementefabrik in Lingen produziert immer neuen Atommüll. | |
> Umweltschützer drängen darauf, das zu ändern. | |
Bild: Nicht erst seit gestern: Widerstand gegen die Brennelementefabrik in Ling… | |
HANNOVER taz | Im Streit um die Atom-Brennelementefabrik Lingen erhöhen | |
Umweltschützer ihren Druck auf Niedersachsens rot-grüne Landesregierung. | |
„Unfassbar“ sei, dass die vom französischen Atomkonzern Areva betriebene | |
Anlage eine unbefristete Betriebsgenehmigung habe, kritisierte Kerstin | |
Rudek als Vertreterin des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz | |
(BBU) vor JournalistInnen der Landespressekonferenz am Mittwoch in | |
Hannover: „Der Atomausstieg wird so zur Farce“, sagt Rudek, die sich in | |
Niedersachsen auch bei der im Kampf gegen das Atommüll-Endlager Gorleben | |
erprobten Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg engagiert. | |
Die Lingener Brennelementefabrik ist Teil eines ganzen Atomclusters im | |
emsländischen Dreiländereck zwischen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und | |
den Niederlanden. Nur drei Kilometer hinter der Landesgrenze produziert | |
eine Urananreicherungsanlage (UAA) im nordrhein-westfälischen Gronau | |
Brennstoff für Atomkraftwerke – Umweltschützer schätzen, dass aus Gronau | |
jedes zehnte AKW weltweit beliefert werden kann. In Lingen wird solches | |
Material in Brennstabform gepresst, und im niederländischen Almelo steht | |
eine weitere UAA. | |
Wie Lingen hat Gronau eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Konkret heißt | |
das: Auch wenn 2022 mit dem ebenfalls auf Lingener Stadtgebiet stehendem | |
AKW Emsland der letzte deutsche Meiler vom Netz geht, dürfen beide Anlagen | |
weiter unbegrenzt Atommüll produzieren. „Beim Atomausstieg wurde Lingen | |
offenbar bewusst vergessen“, kritisierte in Hannover Christina Burchert vom | |
Elternverein Restrisiko Emsland. | |
Nachdenklich macht auch die Kundenliste der Brennelementefabrik in Lingen. | |
Aus dem Emsland beliefert werden nicht nur die französischen | |
Pannenreaktoren Cattenom und Fessenheim. Auf der vom Bundesamt für | |
Strahlenschutz veröffentlichten Liste der Transportgenehmigungen steht auch | |
das belgische AKW Doel. Zusammen mit dem baugleichen Meiler Tihange sorgt | |
der „Bröckel-Reaktor“ (so Nordrhein-Westfalens grüner Umweltminister | |
Johannes Remmel) immer wieder für Schlagzeilen: In den | |
Reaktordruckbehältern fanden sich mehr als 16.000 Risse – wieder angefahren | |
wurden die AKWs trotzdem. | |
Jetzt wird an beiden Standorten das Kühlwasser auf 45 Grad erwärmt, um | |
einen sogenannten „thermischen Schock“ zu verhindern. Würde der die | |
Reaktorbehälter beschädigen oder gar zerstören, droht ein Kühlmittelverlust | |
– und damit eine Kernschmelze wie im japanischen AKW Fukushima, dessen | |
Explosion sich am11. März zum fünften Mal jährt.Im gerade einmal 60 | |
Kilometer von Tihange entfernten Aachen sollen Jodtabletten jetzt dezentral | |
in Kindergärten, Schulen und öffentlichen Gebäuden gelagert werden, um | |
wenigstens Schildrüsenkrebs vorzubeugen. Selbst SPD-Bundesumweltministerin | |
Barbara Hendricks reiste öffentlichkeitswirksam nach Belgien. Ehrlich ist | |
das nicht: „Die Bundesregierung könnte zumindest Doel stilllegen, indem sie | |
keine Exportgenehmigungen für die Brennelemente aus Lingen mehr erteilt“, | |
sagt der Umweltschützer Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger | |
Atomausstieg. | |
Trotzdem gab sich Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel bisher | |
seltsam desinteressiert. Der Weiterbetrieb der Lingener Brennelementefabrik | |
sei „Ergebnis einer Inkonsequenz der Beschlüsse des Bundes und der Länder | |
zum Atomausstieg“, argumentierte er. Die Betriebsgenehmigungen seien vom | |
Bund erteilt worden. Obwohl für Atomaufsicht zuständig, seien ihm leider | |
die Hände gebunden. | |
Immerhin: Mehr als drei Jahre nach Amtsantritt lässt Wenzel jetzt prüfen, | |
ob „die Belieferung bestimmter Kunden untersagt werden kann“. Befriedet | |
werden soll damit die Parteibasis: Sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene | |
haben die Grünen klare Parteitagsbeschlüsse, in denen die möglichst | |
schnelle Stilllegung der Atomanlagen in Lingen und Gronau gefordert wird. | |
Ob Wenzel dazu aber Druck bei der Bundesregierung gemacht oder wenigstens | |
Kontakte zu seinem grünen Amtskollegen Remmel in Nordrhein-Westfalen | |
gesucht hat, wusste sein Sprecher am Mittwoch nicht zu sagen. „Im Moment“, | |
kritisiert BBU-Vertreterin Rudek deshalb, „kümmert sich im | |
niedersächsischen Umweltministerium kein Mensch um das Thema Lingen“. | |
2 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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