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# taz.de -- Beinahe-Katastrophe im AKW Fessenheim: Ein sehr ernstes Ereignis
> Im französischen AKW Fessenheim gab es vor zwei Jahren einen Störfall.
> Die Atomaufsicht und der Betreiber versuchten, das zu vertuschen.
Bild: Liegt direkt an der deutsch-französischen Grenze: das Pannen-AKW Fessenh…
Im französischen Atomkraftwerk Fessenheim hat es am 9. April 2014 einen
gefährlichen Störfall gegeben, dessen Ausmaß erst jetzt mit fast
zweijähriger Verspätung an die Öffentlichkeit drang.
An jenem Tag gegen 17 Uhr war es durch einen falsch montierten Sensor und
durch Schlamperei des Personals zu einem Wassereinbruch innerhalb des
Reaktors gekommen. Dadurch wurden mehrere Leittechnikschränke beschädigt.
Das führte zum Ausfall eines Sicherheitssystems. Der Versuch, den Reaktor
ordnungsgemäß herunterzufahren, scheiterte anschließend, weil sich die
Steuerstäbe nicht mehr bewegen ließen. So konnte nur eine Notborierung –
die Zugabe von Bor in den Reaktorbehälter – die nukleare Kettenreaktion
noch stoppen.
Bereits am folgenden Tag fuhr die Nukleare-Sicherheits-Behörde (ASN) nach
Fessenheim, um den Vorfall zu untersuchen. Bekannt wurde er durch ein
Schreiben der ASN an die Betreiberfirma EDF mit Datum vom 24. April 2014,
das an die Öffentlichkeit gelangte.
Experten reagierten schockiert. Professor Manfred Mertins, seit mehr als 30
Jahren Sachverständiger für AKW-Sicherheit, geht sogar davon aus, dass im
Kraftwerk minutenlang keine Information über den Zustand des Reaktors
verfügbar gewesen sei. Darauf weise die aus dem Ruder gelaufene Temperatur
im Reaktorkern hin. Der Vorfall sei „ein sehr ernstes Ereignis“ zitierte
die Süddeutsche Zeitung den langjährigen Mitarbeiter der Gesellschaft für
Reaktor- und Anlagensicherheit, GRS. In Westeuropa sei das ein bislang
einmaliger Vorgang.
## Kein Vertrauen mehr in Betreiber und Aufsicht
Im angrenzenden Südbaden rang man am Freitag um Fassung. „Einmal mehr zeigt
sich, dass weder die Technik noch die französische Atomaufsicht
funktionieren“, erklärten südbadische Abgeordnete der Grünen. Freiburgs
Oberbürgermeister Dieter Salomon sagte: „Es kann nicht sein, dass wir als
betroffene Nachbarn aus den Medien erfahren müssen, was jenseits des Rheins
geschieht.“ Seine Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik erklärte, die Stadt
habe „keinerlei Vertrauen mehr in den Betreiber EDF und die französische
Regierung.“ Freiburg liegt nur 25 Kilometer von Fessenheim entfernt.
Der Störfall konnte so lange unter der Decke gehalten werden, weil der
Kraftwerksbetreiber EDF und die französischen Aufsichtsbehörden ihn auf der
internationalen Skala für Atomstörfälle (Ines) lediglich mit Stufe 1
bewerteten. Damit mussten sie die Internationale Atomenergiebehörde IAEO in
Wien nicht informieren. Das ist erst ab Stufe 2 vorgeschrieben. Realistisch
betrachtet dürfte das Ereignis mindestens Ines 2 gewesen sein (“Störfälle,
Ereignisse oder Befunde mit besonderer sicherheitstechnischer Bedeutung“).
## Betreiber ist fast pleite
Dass die französische Atomwirtschaft eine Debatte über den Störfall
unbedingt vermeiden wollte, liegt auf der Hand. Sie will die Laufzeiten
nicht nur dieses Meilers möglichst weit ausdehnen. „Da passen schwere
Störfälle nicht ins Konzept“, sagte Axel Mayer, Geschäftsführer beim BUND
Regionalverband Südlicher Oberrhein. Unfälle würden bewusst
heruntergespielt, weil EDF und der Kraftwerksbauer Areva fast bankrott
seien, und den sofortigen Ruin nur durch eine „Gefahrzeitverlängerung“
verhindert könnten. Vermutlich ist das auch der Grund, warum
Staatspräsident François Hollande von seinem Versprechen, Fessenheim im
Jahr 2016 abzuschalten, abgerückt ist.
Das Kraftwerk im Elsass ist immer wieder mit Material aus der einzigen
deutschen Brennelementefabrik in Lingen versorgt worden, auch im
Störfalljahr 2014. Gestern erneuerte der Bundesverband Bürgerinitiativen
Umweltschutz deshalb die Forderung nach einem Stopp der Belieferung von
Schrottmeilern aus Deutschland.
4 Mar 2016
## AUTOREN
Bernward Janzing
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