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# taz.de -- An der griechisch-mazedonischen Grenze: Noch hoffen sie
> Immer noch erreichen Flüchtlinge das Lager Idomeni an der Grenze zu
> Mazedonien – obwohl es von dort für kaum einen weitergeht.
Bild: Ein Morgen in der Nähe von Idomeni in Griechenland: Flüchtlinge auf d…
Idomeni taz | Sehr früh am Morgen sind schon Hunderte von Menschen auf der
drei Kilometer langen Straße von der Autobahn zum Grenzlager unterwegs.
Junge Mütter tragen Kleinkinder auf den Armen, die Väter schleppen das
Gepäck. Eine Oma im Rollstuhl wird von den sie umgebenden
Familienmitgliedern vorwärtsgeschoben. Wahrscheinlich haben sie kein Auge
für die liebliche Landschaft, wo griechische Bauern damit begonnen haben,
zwischen blühenden Apfelbäumen ihre Gemüsefelder und Weinberge zu
bestellen.
Wie auch? Die menschliche Karawane ist auf dem Weg zum größten
Flüchtlingslager Griechenlands, gelegen an der nahezu abgesperrten Grenze
zu Mazedonien. Hier kommen nur noch Syrer und Iraker mit gültigen
Ausweispapieren durch, und auch von diesen nur wenige Dutzend Personen am
Tag.
„Wir haben heute bis 10 Uhr schon 350 Leute gezählt“, sagen die Polizisten
über die Menschen, die nach Idomeni streben. Sie beobachten die Szenerie
vom Straßenrand aus. Am Samstag seien es rund Tausend Neuankömmlinge
gewesen.
Die Menschen streben hin zu dem Lager Idomeni an der Grenze, benannt nach
einem kleinen griechischen Dorf, um von hier aus doch noch nach „Europa“ zu
kommen. Doch der Anblick, der sich ihnen beim Näherkommen bietet, macht
wenig hoffnungsfroh. Winzige Zelte säumen schon weit vor dem eigentlichen
Lager den Straßenrand.
„Wir haben gestern Abend allein mehr als Hundert Zelte hierher gebracht,“
sagt Aafke, eine 23-jährige Holländerin, die ihren Nachnamen nicht nennen
möchte und die zusammen mit anderen jungen Freiwilligen die Flüchtlinge
unterstützt.
## Holz für die kalten Nächte
Ein Kleinwagen ist voll bepackt mit Orangen, die sie im Großeinkauf
erstanden haben. Schon umringen die Kinder den Wagen. Es wimmelt im Lager
von Kindern. Mütter und Väter haben ihre Mühe, ihren eigenen Nachwuchs
zusammenzuhalten. Denn um Sandwiches im Zentrum des Lagers zu erhalten,
müssen sie alle persönlich anwesend sein.
Die Neuankömmlinge gehen vorbei an den in den Feldern aufgestellten Zelten,
wo die wärmenden Feuer der Nacht noch glimmen. Manche haben Feuerholz vor
den Zelten gestapelt, das tags zuvor geliefert worden ist. „Von wem das
kommt, weiß ich auch nicht“, sagt Ismail Hussein, ein junger Kurde aus
Hassake, einer Stadt im Nordosten Syriens.
Immerhin regnet es nicht mehr, die noch am Vortag sichtbaren Pfützen
zwischen den Zelten sind abgetrocknet. Hussein will mit seiner Mutter zu
seinen Brüdern, die in Köln leben. Doch jetzt geht es nicht mehr weiter. Er
ist einer der 13.000 Menschen, die hier warten.
## Solange der Vorrat reicht
Lange warten müssen auch die vielen Flüchtlinge, die vor der Essensausgabe
Schlange stehen. Es sind griechische und internationale Freiwillige mit
Jacken von Médecins Sans Frontière, die sich hier engagieren. Jeder
Flüchtling bekommt von ihnen zwei Sandwiches und einen Beutel mit etwas
Obst und Keksen. Solange der Vorrat reicht. Immerhin sind gerade vier
Lastwagen mit Sandwiches angekommen. Es handelt sich um eine Spende der
Lebensmittelfirma Voutsas aus dem nordgriechischen Thessaloniki. „Wir
spenden 20.000 Sandwiches und haben 5.000 Flaschen Wasser dabei“, sagt eine
Mitarbeiterin. Der Firmenchef packt persönlich beim Ausladen an.
Hinter den Lastwagen ist ein Traktor mit einem Anhänger voller Apfelsinen
angekommen. Es sind Bauern aus den umliegenden griechischen Dörfern, die
den Flüchtlingen helfen wollen. Leider verursachen sie ein Chaos, als sie
anfangen, die Apfelsinen in die Menge zu werfen.
„Die griechische Bevölkerung ist sehr hilfsbereit, viele griechische
Freiwillige arbeiten hier“, sagt Miguel Angel Ramon anerkennend,
Mitarbeiter von Medicins du Monde. Der Spanier ist selbst Arzt und macht
vor dem Zelt der Organisation eine Pause. „Wir versorgen hier zusammen mit
Médecins Sans Frontière und dem Roten Kreuz 350 bis 500 Menschen pro Tag“,
sagt er. Vor allem Kinder bräuchten angesichts der Kälte und der großen
Anstrengung Hilfe. „Erkältungskrankheiten stehen an erster Stelle“, sagt
er.
## Die Großzelte sind alle belegt
Diese medizinischen Zelte befinden sich im Zentrum des Flüchtlingslagers,
das eigentlich für nur 2.500 Menschen ausgelegt worden ist. Die Großzelte
sind alle voll belegt, vor allem ältere Frauen, aber auch junge Frauen und
Kinder sind dort untergebracht. Die lange Reihe von Toilettenhäuschen
zeigt, dass immerhin die minimalen hygienischen Voraussetzungen gegeben
sind. Doch wird das bei weiterem Anwachsen des Lagers reichen?
Das Lager Idomeni macht einen spontanen und chaotischen Eindruck. Wo ist
die Lagerleitung, die es noch vor der Schließung der Grenze gegeben hat? Da
waren Mitarbeiter der UN-Flüchtlingshilfe UNHCR anwesend und hatten die
Unterstützung koordiniert und Freiwillige an den Brennpunkten eingesetzt.
„Die werden personell ausgedünnt, ein Teil der Mitarbeiter ist zum Lager
Diavata bei Thessaloniki abgezogen worden“, bedauert Miguel Angel Ramon.
Am Samstag stellt sich zwar der UN-Offizielle Barbar Baloch aus Pakistan
der Presse, sagt, dass vor allem Syrer und Iraker im Lager seien, nur ganz
wenige Pakistaner und Afghanen hätten es bis hierher geschafft. Sehr viele
Frauen und Kinder seien angekommen. Die humanitäre Lage sei katastrophal.
Doch am Sonntag ist von Mitarbeitern des UN-Flüchtlingswerks niemand mehr
zu sehen. „Vielleicht bereiten die schon die geplanten Hotspots vor, wenn
dieses Lager hier aufgelöst wird“, meint ein Helfender von Médecins Sans
Frontière, der seinen Namen nicht nennen möchte.
## „Werden sie die Grenze wieder öffnen?“
Die bange Frage, was werden wird, stellen sich alle Flüchtlinge. Noch
hoffen sie. Pro Tag werden einige Dutzend von ihnen durchgelassen. Geduldig
stehen Hunderte in der Schlange vor dem Registrierungscontainer, um ihre
Papiere dort überprüfen und vervollständigen zu lassen.
Sie wollen von dem Reporter wissen, wie er die Lage einschätzt. Sie wissen,
dass die Europäische Union am Montag über ihre Zukunft mitentscheiden
könnte. „Werden sie die Grenze wieder öffnen“, fragt angstvoll eine Frau
aus dem syrischen Aleppo, die mit ihrer 15-jährigen Tochter unterwegs ist.
Ihr Mann sei bei den Kämpfen getötet worden, sagt sie, vom Rest ihrer
Familie, von den Eltern und anderen Verwandten hat sie keine Nachricht mehr
erhalten.
Sie ringt mit den Tränen. Ihre Hoffnung ist Deutschland. „Vor allem für
meine Tochter.“ Eine wahrheitsgemäße Antwort fällt schwer.
6 Mar 2016
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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