# taz.de -- Rücktritt der Justizministerin in Paris: Die linke Integrationsfig… | |
> Der Abgang von Christiane Taubira ist eine deutliche Kritik am | |
> autoritären Politikstil von Präsident Hollande. Das rechte Lager bejubelt | |
> ihren Schritt. | |
Bild: Die frühere Justizministerin Christiane Taubira wollte vor allem sich se… | |
PARIS taz | Die französische Staatsführung will den Notstand zum Kampf | |
gegen den islamistischen Terrorismus verlängern und mit zusätzlichen | |
Strafbestimmungen noch verschärfen und rechtlich in der Verfassung | |
festschreiben. Das hat Premierminister Manuel Valls am Mittwoch nach dem | |
Ministerrat bestätigt. | |
Vor der Gesetzeskommission der Nationalversammlung hat der Regierungschef | |
auch erklärt, wie die Regierung zukünftig bei schweren Verbrechen und | |
Vergehen, namentlich im Zusammenhang mit Terrorismus, als Zusatzstrafe den | |
Entzug der Staatsbürgerschaft im Grundgesetz verankern will. Diese Sanktion | |
soll jedoch nicht wie ursprünglich angekündigt explizit auf Franzosen oder | |
Französinnen zugeschnitten sein, die eine zweite Staatsbürgerschaft | |
besitzen. | |
Gleichzeitig aber versicherte Valls, es sei nicht möglich oder geplant, auf | |
diese Weise verurteilte terroristische Straftäter in „Staatenlose“ zu | |
verwandeln. Damit bleibt die Debatte über die von Präsident François | |
Hollande gewünschte Verfassungsrevision zur Verankerung des Notstands auf | |
Kosten der Grundrechte offen. Der Präsident hat diesbezüglich einen | |
Kompromiss mit der bürgerlichen Rechten gesucht. Im Ergebnis hat er aber | |
spaltet diese Antiterrorpolitik das linke Lager. | |
Die bisherige Justizministerin Christiane Taubira jedenfalls kann diese | |
autoritäre Sicherheitspolitik nicht mehr billigen. Sie weigerte sich, die | |
entsprechende Vorlage zu unterschreiben und sie vor dem Parlament zu | |
vertreten. Bereits vor vier Tagen hatte sie Präsident Hollande von ihrem | |
Rücktrittswunsch informiert. Am Mittwoch hat der Präsident ihren Rücktritt | |
formell akzeptiert und sie durch den Sozialisten Jean-Jacques Urvoas (55) | |
ersetzt. | |
## Taubira steht für die Linkswende von 2012 | |
Dieser hat sich speziell in der Sicherheitspolitik profiliert, er hat das | |
im letzten Jahr verabschiedete Gesetz über die nachrichtendienstliche | |
Tätigkeit und die Überwachung der Kommunikation via Internet verfasst. | |
Viele sehen in ihm deswegen mehr einen „zweiten Innenminister“ als einen | |
Nachfolger als Justizminister. | |
Politisch steht der Bretone Urvoas dem (linksliberalen) Premierminister | |
Valls sehr nahe, der selber ebenfalls eine harte Linie in der inneren | |
Sicherheit durchsetzen will. Die politische Basis der Regierung wird so | |
immer schmaler. Denn Taubira verkörperte für viele linke Wähler vielleicht | |
noch als Letzte in diesem Kabinett das Programm einer Linkswende von 2012. | |
Schon Ende 2015 hatte sie sich bei einem Besuch in Algier öffentlich gegen | |
eine Verlängerung und Verschärfung des Notstands ausgesprochen. Sie wurde | |
deshalb im Regierungslager wegen ihrer „Disziplinlosigkeit“ getadelt. Vor | |
Kameras räumte sie dann ein, selbstverständlich habe in dieser | |
Angelegenheit der Präsident „das erste und das letzte Wort“. Ihre Meinung | |
aber änderte sie deswegen nicht. Offenbar wartete sie nur auf die richtige | |
Gelegenheit, um mit Klamauk den Bettel hinzuschmeißen. | |
„Manchmal bedeutet Widerstand aus zu harren, manchmal bedeutet Widerstand | |
zu gehen. Aus Treue zu sich selber...“ sinniert Christiane Taubira (63) | |
nach ihrem Rücktritt auf Twitter. „Das letzte Wort muss die Ethik und das | |
Recht haben“, fügt die Unfügsame an. | |
## Zustimmung auf der rechten Seite | |
Ihr Rücktritt wurde von der bürgerlichen Opposition begrüßt. Für den | |
Sprecher der Partei „Les Républicains“, Guillaume Larrivé, war sie die | |
„schlechteste Justizministerin in der Geschichte der Fünften Republik“. Mit | |
der Abschaffung der Mindeststrafen und dem Verzicht auf einen strikten | |
Vollzug der Strafen habe sie „das Strafrecht entwaffnet“. | |
Die Chefin der rechtsextremen Partei Front National, Marine Le Pen, sprach | |
ebenfalls von einer „guten Nachricht“ für Frankreich. Die Ex-Chefin der | |
Grünen, Cécile Duflot, die im letzten Jahr aus der Regierung ausgeschieden | |
war, dagegen würdigte „den mutigen Entscheid von Christiane Taubira. Ihre | |
Treue zu unseren Grundwerten ist ein Zeichen der Stärke“. | |
27 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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