# taz.de -- Präsidentin der Humboldt-Universität: „Die Abhängigkeit ist er… | |
> Sabine Kunst wird Präsidentin der Humboldt-Universität. Ein Gespräch über | |
> Drittmittel, Spitzenförderung und studentischen Protest. | |
Bild: Aus dem Kabinett ins Rektorat: Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabin… | |
taz: Frau Kunst, wenn Sie zum Sommersemester i hr Amt als Präsidentin der | |
HU antreten, sind Sie die einzige Frau an der Spitze einer der 11 deutschen | |
Elite-Unis. Wie spitze ist das? | |
Sabine Kunst: Wenn Sie den Blick ein bisschen weiter schweifen lassen, wird | |
es schon bunter. In den letzten Jahren haben auch große Universitäten wie | |
Frankfurt am Main, Dortmund, Göttingen, Münster oder Augsburg | |
Präsidentinnen berufen. Wir haben in Deutschland ja auch außerhalb dieses | |
Elite-Kreises leistungsstarke Universitäten mit einem tollen Profil. Und | |
wenn man die Entwicklung über die letzten zehn Jahre verfolgt, stellt man | |
fest, dass es heute viel mehr Präsidentinnen gibt. | |
Die Elite-Unis sind eine Maßnahme der Exzellenzinitiative von Bund und | |
Ländern, deutsche Spitzenforschung international wettbewerbsfähiger zu | |
machen. Kritiker wünschen sich eher eine Förderung in die Breite. Wo stehen | |
Sie? | |
Die großen Hochschulen erwarten alle, dass die Imboden-Kommission, die am | |
Freitag ihre Ergebnisse präsentiert, diesen Aspekt mit bewertet. Ich | |
persönlich denke, dass es weiterhin eine Förderung für international | |
wettbewerbsfähige Forschung geben muss. Aber auch, dass die Formate, die | |
Exzellenz in die Breite bringen sollen, also etwa Graduiertenschulen oder | |
Nachwuchsförderkonzepte, anerkannt werden. Hochschulen, die die Methoden | |
von Exzellenzfächern auf andere Disziplinen übertragen, belohnen sich | |
selbst. So wird Exzellenzförderung für alle wirksam. | |
Die Imboden-Kommission wird auch die 11 Exzellenz-Unis selbst bewerten. Wie | |
schlimm wäre es für die HU, nach 2017 nicht mehr Elite-Uni zu sein? | |
Wahrscheinlich wird es diese Förderlinie so nicht mehr geben. Die | |
Exzellenz-Unis werden abgelöst durch ein Format, in dem auch die | |
Kooperation mit mehreren Universitäten möglich ist. Ich gehe davon aus, | |
dass sich die Humboldt-Universität in der Spitzengruppe behauptet. Ein | |
Blick auf das Ranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft zeigt, dass die | |
Chancen dafür gut stehen. Ich finde es von Vorteil, dass künftig die | |
Zusammenarbeit in der Region, der Berliner Universitäten miteinander und | |
mit Universitäten aus Brandenburg gefördert wird. Von daher sehe ich dem | |
Wettbewerb mit Spannung und Gelassenheit entgegen. | |
Eine Aberkennung des Elite-Titels würde dem HU-Prestige nicht schaden? | |
Die Exzellenz für die eigene Einrichtung ist natürlich wichtig. Für die HU | |
ist es deshalb die Herausforderung, ihre exzellenten Forschungsfelder in | |
eine neue Exzellenzinitiative zu lenken. Da bin ich aber optimistisch, wenn | |
ich höre, wie weit die Vorbereitungen dazu gediehen sind. | |
Ein Ziel der Exzellenzinitiative ist es auch, das Profil deutscher | |
Hochschulen zu schärfen. Für was steht Ihrer Meinung nach die HU? | |
Für ihre herausragende Rolle in den Altertumswissenschaften im Cluster | |
„Bild Wissen Gestaltung“, aber auch in den Lebenswissenschaften in | |
Zusammenarbeit mit der Charité. Dort muss sich der universitäre Teil noch | |
genauer profilieren. Und dann noch für die Schnittstelle zur | |
Technologieentwicklung im Bereich neue Materialien am Campus Adlershof. | |
Sie sind in Bauingenieurswesen und Politikwissenschaften promoviert. | |
Welches Profil wollen Sie persönlich fördern? | |
Ich habe da keine persönliche Vorliebe, aber dank meiner Qualifikationen | |
kann ich mich gut hineinversetzen in die Denkwelt | |
naturwissenschaftlich-technischer wie auch geisteswissenschaftlicher | |
Disziplinen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Erfolgschancen des einen und | |
des anderen abzuwägen. Meine Erfahrungen als Unipräsidentin und Ministerin | |
helfen mir zu entscheiden: Wie erfolgreich waren bestimmte Fächer in den | |
letzten Jahren? Wie viele Großprojekte wurden kompetitiv eingeworben? Und | |
wie gut wirkt das Fach zurück in die Universität? | |
Drittmitteleinnahmen führen oft zu prekären Anstellungsverhältnissen. An | |
der HU ist nicht mal jede fünfte Wissenschaftlerin im Mittelbau unbefristet | |
angestellt. Welche Perspektiven werden Sie dem Nachwuchs geben? | |
Ich kann gegenwärtig nur sagen, dass es für mich eine Herzensangelegenheit | |
ist, ein Nachwuchskonzept für die Humboldt-Universität möglichst bald auf | |
den Weg zu bringen. Was man für die nächsten Jahre ermöglichen kann, hängt | |
aber auch davon ab, wie viel Geld wir einnehmen und wie viel Geld der | |
Berliner Senat mittelfristig zur Verfügung stellt. Mir ist wichtig, dem | |
wissenschaftlichen Nachwuchs eine verlässliche Aussage machen zu können. | |
Ein Großteil der befristeten Verträge bezahlen öffentliche Mittelgeber, | |
Stiftungen sowie Wirtschaftsunternehmen. Wie abhängig sehen Sie die HU von | |
Drittmitteln? | |
Wie überall ist die Abhängigkeit erheblich. Von daher ist es eine Frage | |
moderner Governance und effizienter Verwaltung. Ich will versuchen, eine | |
Art Kontinuum von Mitteln Dritter zu erreichen, um damit Stellen auch | |
längerfristig zusagen zu können. Das geht. | |
Die Hochschulen sind chronisch unterfinanziert. Sie haben angekündigt, dem | |
Berliner Senat eine „auskömmliche Grundfinanzierung“ abstreiten zu wollen. | |
Was werden Sie fordern? | |
(lacht) Da müssen Sie mir schon die Chance der ersten 100 Tage geben, um | |
konkreter in die Bilanzen einzusteigen. Bei der Finanzierung durch den | |
Senat ist jedoch auffallend, dass die Berliner Universitäten bei gleicher | |
Größe unterschiedlich viel bekommen. Wieso bekommt eine Uni erhebliche | |
Summen mehr als eine andere? Das muss man erst analysieren und sich dann | |
einen Plan machen, was realistisch ins Ziel zu bringen ist. | |
Gibt es Finanzierungsalternativen, falls sich Drittmitteleinnahmen nicht | |
verstetigen lassen und der Senat nichts drauflegt? | |
Das wird sich erst zeigen. Generell muss man sich dann natürlich Gedanken | |
machen, welche Struktur in der bestehenden Form erhalten werden kann und | |
mit wie vielen Lehreinheiten man zu einer auskömmlichen Finanzierung kommt. | |
Die HU gilt als „unregierbar“. Ihr Vorgänger schmiss zwischenzeitlich hin, | |
weil Studierendenvertreter im Senat eine Fakultätsreform blockierten. Wie | |
gehen Sie in so einer Situation mit studentischem Protest um? | |
Ich glaube nicht, dass Herr Olbertz selbst von Unregierbarkeit gesprochen | |
hat. Der Protest ist ein gutes Recht der Studierenden. Der Umgang ist immer | |
dann sehr schwierig, wenn man seismografisch keine gute Rückmeldung hat aus | |
der Universität. Aus so einer Erfahrung würde ich lernen wollen, den | |
Gesprächsfaden zu halten. Vor allem vor großen Reformprojekten ist das | |
wichtig. | |
27 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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