# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Österreich: Obergrenze beschlossen | |
> Die österreichische Regierung beschließt eine Obergrenze an Flüchtlingen. | |
> An der Grenze zu Slowenien werden die Kontrollen verschärft. | |
Bild: Zaun, Gitter, Zelte erwarten Geflüchtete am Grenzübergang Spielfeld. | |
Wien taz | Der angekündigte Schwenk in der österreichischen | |
Flüchtlingspolitik ist vollzogen. Bei einem Asylgipfel von Bund, Ländern | |
und Gemeinden am Mittwoch in Wien einigten sich die Regierungspartner SPÖ | |
und ÖVP, die neun Landeshauptmänner und die Vertreter der Bürgermeister auf | |
eine Obergrenze für die Aufnahme von Asylwerbern. | |
127.500 sollen es über die nächsten vier Jahre maximal sein. Dieses Jahr | |
will man noch 37.500 ins Land lassen, 2019 nur mehr 25.000. Die seltsame | |
Zahl entspricht 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. | |
Die konservative ÖVP, die sich zuletzt auch mit der CSU abgestimmt hat, | |
hatte schon in den vergangenen Tagen die Trommel für eine Deckelung der | |
Flüchtlingsaufnahme gerührt. Außenminister Sebastian Kurz sprach im | |
ZDF-Interview von einem wünschenswerten Domino-Effekt, der das | |
Flüchtlingsproblem immer weiter nach außen verlagern würde. Vizekanzler | |
Reinhold Mitterlehner spricht daher das hässliche Wort „Obergrenze“ auch | |
aus. | |
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), der sich noch geziert hatte, benutzt | |
den schönen Euphemismus „Richtwert“. Für ihn handelt es sich um eine | |
„Notlösung“, einen „Plan B“, mit dem man die EU „aufrütteln“ woll… | |
können in Österreich nicht alle Asylwerber aufnehmen“. Schon vor dem Gipfel | |
hatte Faymann gemeint, Ziel sei es, ein Bündel von Maßnahmen zu schnüren, | |
um die Flüchtlingszahlen „drastisch zu senken“. Im vergangenen Jahr haben | |
90.000 Menschen um Asyl angesucht, 2014 waren es nur 30.000. | |
Welche Maßnahmen ergriffen werden, wenn die Quote voll ist, wissen die | |
Regierungsvertreter offenbar selbst noch nicht. Bei der anschließenden | |
Pressekonferenz hieß es, man werde zwei Rechtsgutachten in Auftrag geben. | |
Jedenfalls sei in Zukunft auch mit „Zurückweisungen“ an der Grenze zu | |
rechnen. Allein in den ersten drei Wochen dieses Jahres hat Slowenien nach | |
offizieller Auskunft 42.291 Flüchtlinge nach Österreich transferiert. | |
## Kontingent wäre vor Jahresmitte voll | |
Der Erfahrungswert der vergangenen Monate ist, dass fast 90 Prozent nach | |
Deutschland weiterreisen. Auf das Jahr hochgerechnet ergibt das 770.000. | |
Wenn davon jede und jeder Zehnte in Österreich bleiben will, dann wäre das | |
Wunschkontingent schon vor Jahresmitte voll. Und es ist damit zu rechnen, | |
dass die Flüchtlingszahlen wieder steigen, wenn das Wetter milder wird. | |
Flüchtlinge, die in Österreich ankommen, werden befragt und | |
erkennungsdienstlich registriert. Dann verfrachtet man sie in Unterkünfte | |
in den Bundesländern oder an die deutsche Grenze. Bisher werden auch jene | |
ins Land gelassen, die angeben, weder in Österreich, noch in Deutschland | |
einen Asylantrag stellen zu wollen. Ab Ende der Woche soll sich das ändern. | |
Von Deutschland zurückgeschobene unterkunftslose Flüchtlinge werden in | |
Salzburg und Oberösterreich bereits als Problem wahrgenommen. | |
Der Frage, ob potentielle Asylwerber notfalls mit Gewalt am Überschreiten | |
der Grenze gehindert werden sollen, wich Vizekanzler Mitterlehner in einem | |
TV-Interview aus. Dass Obergrenzen nicht nur der Genfer | |
Flüchtlingskonvention, sondern auch europäischem Recht widersprechen, sieht | |
Mitterlehner nicht so eng. Er schließt aber nicht aus, dass die | |
entsprechende gesetzliche Regelung „im Extremfall bis zu einer | |
Rechtsauseinandersetzung in der EU gehen könnte“. | |
Die EU, in Gestalt von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und | |
Parlamentspräsident Martin Schulz, signalisierte zunächst Verständnis. | |
Schulz „kann verstehen, was beschlossen wurde“, wie er in einer | |
Pressekonferenz in Straßburg zu Protokoll gab. Und in Anspielung auf die | |
wenig kooperative Haltung der meisten Mitgliedsländer: „Es wäre keine | |
Krise, wenn sich alle Länder beteiligen würden“. Juncker weist darauf hin, | |
dass schärfere Grenzkontrollen im Rahmen des Schengen-Systems erlaubt | |
seien. Gleichzeitig warnte er vor echten Grenzschließungen. Damit würde man | |
Schengen im Endeffekt aushebeln und Auswirkungen provozieren, „die ich mir | |
nicht vorstellen will“. | |
Der bekannte Völkerrechtsprofessor und Menschenrechtsexperte Manfred Nowak | |
hält eine Obergrenze nicht für rechtskonform. Wer einen Asylgrund habe, | |
müsse auch aufgenommen werden und ein Asylverfahren bekommen. | |
20 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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