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# taz.de -- Verfahren vom Tisch: Der umstrittene Angriff
> Ein vermeintlicher Angriff auf die Hamburger Davidwache führte zum
> größten Gefahrengebiet der Stadtgeschichte. Das Verfahren wurde
> eingestellt.
Bild: Der vermeintliche Angriff auf die Davidwache bleibt unaufgeklärt.
HAMBURG taz | Für die Hardliner unter den Polizeibeamten lieferte der
vermeintliche Angriff den perfekten Rückenwind zum Agieren nach den
Ausschreitungen bei der Soli-Demo für die Rote Flora eine Woche zuvor:
Angeblich hätten 40 Autonome am Abend des 28. Dezember 2013 an der
Davidwache einen Polizisten schwer verletzt.
Der umstrittene Vorfall war der maßgebliche Grund, weshalb die Polizei vor
zwei Jahren die gesamte westliche Innenstadt zum „Gefahrengebiet“ erklärte.
Doch ob es diese Attacke gegen die Davidwache überhaupt jemals gegeben hat,
ist weiterhin ungeklärt.
„Das Ermittlungsverfahren ist eingestellt worden“, sagt die Sprecherin der
Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. Die Täter jedenfalls konnten nicht
ermittelt werden. Doch alles sieht danach aus, dass die ursprüngliche
Version der Polizei, die medial für den Ausnahmezustand ab dem 4. Januar
2014 herhalten musste, falsch war:
Demnach sollen vermummte Autonome das Kiez-Revier angegriffen, die aus der
Wache kommenden Polizisten gezielt mit Steinen und Flaschen beworfen und
einem Beamten einen Stein ins Gesicht geschleudert haben.
## Gefahrengebiet bereits ausgerufen
„Der schwer verletzte Kollege ist nicht an der Reeperbahn, sondern in 200
Metern Entfernung verletzt worden“, räumte der damalige Polizeisprecher
Mirko Streiber eine Woche nach dem Vorfall ein. Da war das Gefahrengebiet
bereits ausgerufen worden und der Anwalt Andreas Beuth hatte Zeugen
präsentiert, die einen Überfall auf die Davidwache widerlegten.
Tatsächlich war ein Polizist bei einem Einsatz in der Seilerstraße von
einem Kiez-Besucher beinahe zeitgleich mit einem Stein attackiert und
erheblich verletzt worden.
„Ich halte weiter daran fest, dass es keinen Angriff auf die Davidwache
gegeben hat“, sagt Anwalt Beuth der taz. „Meine Zeugen, soweit sie
ausgesagt haben, haben sich nicht in Widersprüche verwickelt“, sagt Beuth
und betont, er habe noch neun weitere Augenzeugen in der Hinterhand.
## Keine Vermummten gesehen
Ein Pärchen aus Bremen, das zu einem Kiez-Besuch in Hamburg war, hatte
schon damals auf seine Veranlassung hin ausgesagt. Es sei zwar eine Gruppe
von 20 bis 25 FC St. Pauli-Fans lautstark an der Polizeiwache
vorbeigezogen. Doch keiner von ihnen sei vermummt oder schwarz gekleidet
gewesen.
Bis die Polizisten aus der Wache gestürmt seien, habe eine „gelöste
Stimmung“ geherrscht. Die Gruppe hatte sich zu diesem Zeitpunkt demnach
bereits zum Teil in der Hein-Hoyer-Straße befunden.
Ein Nachzügler mit blauer Jacke sei auf der Verkehrsinsel auf der
Reeperbahn von einem Beamten „nach hinten gerissen und zu Boden gebracht“
worden. „Der junge Mann war überrascht von der Aktion“, berichteten die
beiden Augenzeugen. Einige Personen der Fangruppe seien daraufhin
zurückgekommen und hätten die Beamten zur Rede gestellt und sich erkundigt,
was das denn solle. Selbst eine Polizistin hätte sich nach dem
Augenzeugenbericht über das Vorgehen irritiert gezeigt. Aber es sei zu
keinerlei körperlichen Übergriffen gegen die Polizisten gekommen, der
„Festgesetze“ sei wieder freigelassen worden, berichteten die Zeugen. Diese
Beschreibung deckt sich mit einem internen Bericht des Landeskriminalamtes.
## Subjektiv angegriffen gefühlt?
Davon unbeirrt hält die Staatsanwaltschaft weiter an der Version des
Angriffs auf die Davidwache fest: „Das haben die Ermittlungen so ergeben“,
sagt Sprecherin Frombach der taz. Seit vorigem Jahr geht man hier jedoch
von zwei Vorfällen aus: den verletzten Polizisten in der Seilerstraße
einerseits. Dieser Beamte gehöre laut Frombach allerdings nicht zu den
Polizisten, die aus der Wache kamen.
Andererseits von dem von Zeugen beschriebenen Angriff mit Steinen und
Flaschen, ohne dass Tatort-Spuren gesichert werden konnten. „Es hat sich im
In- und Ausland nicht ermitteln lassen, wer dafür verantwortlich war“, so
Frombach.
Ob es sich bei diesen Zeugen um die Polizisten handelt, die aus der
Davidwache zu den Fans stürmten, weil sie sich subjektiv bei der begonnenen
Silvesterknallerei angegriffen fühlten, lässt sich nur spekulieren. Die
Staatsanwaltschaft darf dazu nichts sagen. „Da es keine Beschuldigten gibt,
kann man auch keine Akteneinsicht beantragen“, sagt Anwalt Beuth, der wie
die Staatsanwaltschaft die Akte Angriff Davidwache inzwischen geschlossen
hat.
4 Jan 2016
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Davidwache
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