# taz.de -- Flora-Krawalle in Hamburg: Staatsstreich am Schulterblatt | |
> Vieles deutet darauf hin, dass die Polizeiführung die | |
> Rote-Flora-Demonstration am vergangenen Wochenende von Anfang an | |
> verhindern wollte. | |
Bild: Alles nach Plan: Polizisten stoppen den Demonstrationszug. Erklärungen g… | |
HAMBURG taz | Der Ausschussvorsitzende sagte Nein. Wäre es nach Grünen- und | |
Linksfraktion gegangen, hätte sich der Innenausschuss der Hamburger | |
Bürgerschaft am gestrigen Freitagabend mit den schweren | |
Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten am letzten | |
Samstag befasst. Was Ekkehard Wysocki (SPD), der Kopf des Gremiums, aber | |
abzubiegen wusste – aus „terminlichen Gründen“. Auch sein Parteifreund A… | |
Münster mochte keinen Grund erkennen, sich „überstürzt“ mit den | |
Geschehnissen zu beschäftigen. „Es gilt, zunächst wesentliche Daten und | |
Fakten zu sammeln.“ | |
Oder sie zu frisieren – um Innensenator Michael Neumann (SPD) nicht zu | |
brüskieren? Denn es spricht einiges dafür, dass die Eskalation gleich zu | |
Beginn der Demonstration mit rund 7.500 Teilnehmenden von langer Hand | |
geplant war – von Seiten der Polizei. | |
Die Gesamteinsatzleiter Peter Born und Hartmut Dudde „konnten es einfach | |
nicht ertragen, dass die verhasste linke Szene ungehindert für ihre Ziele | |
laufen“ würde, berichtet ein Insider aus dem Polizeizentrum in Alsterdorf | |
der taz. Dabei seien „bewusst Kollateralschäden durch Ausschreitungen in | |
Kauf genommen“ worden – „oder besser gesagt: gewollt“. | |
Born und Dudde waren am vergangenen Samstag fast 3.500 Polizisten | |
unterstellt, teils aus anderen Bundesländern. Peter Born leitet den | |
Polizei-Führungsstab und wird in absehbarer Zeit in Ruhestand gehen. | |
Deshalb berief Innensenator Neumann Hartmut Dudde, Ex-Chef der | |
Bereitschaftspolizei, im vorigen Jahr als perspektivischen Nachfolger zu | |
Borns Stellvertreter. | |
## Angst in der Polizeiführung | |
Born wie Dudde haben unter dem Rechtspopulisten und früheren Innensenator | |
Ronald Schill Karriere gemacht, gehörten zum Führungszirkel um | |
Ex-Polizeipräsident Werner Jantosch. Gegen ihren „diktatorischen | |
Führungsstil“ und ein „Kartell des Schweigens“ hatten sich im August 2010 | |
mehrere Polizeiführer in einem gemeinsamen Brandbrief gewandt. | |
Born und Dudde schickten beim Schanzenfest am 4. Juli 2009 ihre Truppen | |
trotz noch aufgebauter Bühne in die Menge. „Heute fangen wir mal an“, hatte | |
Dudde damals seinen untergebenen Einsatzleitern gesagt. Das Resultat: viele | |
Verletzte, sowohl unter den Festbesuchern als auch unter den Polizisten. | |
Born verteidigte dieses Vorgehen später im Innenausschuss damit, dass es in | |
den Vorjahren stets nach dem Fest zu Krawallen und Sachbeschädigungen | |
gekommen sei. | |
Dem Polizei-Insider zufolge ließ sich die Demo am vergangenen Wochenende | |
trotz der obligatorischen Gewaltprognosen durch den Staatsschutz nicht | |
gänzlich verbieten: In der Polizeiführung bestand demnach die Angst, das | |
Bundesverfassungsgericht könnte am Ende eine stationäre Kundgebung auf dem | |
Jungfernstieg erlauben – so wie es die Demo-Anmelder selbst vorgeschlagen | |
hatten. Überhaupt herrsche unter den Oberen inzwischen die Mentalität vor, | |
„die Schlachten werden auf der Straße und nicht vor Gerichten geführt“. | |
So habe nun der Leiter der Versammlungsbehörde, Dietrich Wunder, den | |
Auftrag bekommen, „sich auf die Anschluss-Kundgebungen im City-Bereich zu | |
konzentrieren“: Diese wurden von der Behörde nicht genehmigt. Die Folge: | |
„Die Flora-Anwälte waren beschäftigt und die Szene glaubte, es gebe keine | |
Probleme“, fügt der Informant hinzu – „auch die taz“. | |
## Innensenator muss antworten | |
Interessant sei auch, dass Dudde selbst die Gesamteinsatzleitung vor Ort im | |
Schanzenviertel übernommen habe, statt mit Born in der Zentrale im | |
Präsidium zu sitzen. Klar ist: Die Eskalation der Gewalt am | |
Samstagnachmittag ging nicht zuerst von den Demonstranten aus, indem sie | |
von der Eisenbahnbrücke über dem Schulterblatt aus Polizeikräfte mit | |
Steinen bewarfen. Eben das aber hatte zunächst Polizeisprecherin Ulrike | |
Sweden behauptet. | |
Ob das „Aufstoppen“ der Demo nun mit deren vorzeitigem Aufbrechen nach den | |
Verhandlungen über eine Routenänderung begründet wird – wie es später | |
Polizeisprecher Mirko Streiber tat – oder weil angeblich noch Autoverkehr | |
auf der Altonaer Straße gerollt sei: Es dürfte für die Sachaufklärung | |
irrelevant sein. Zu viel deutet darauf hin, dass die Konfrontation mit der | |
Demonstration geplant war. Bei den stundenlangen Auseinandersetzungen auf | |
St. Pauli wurden mehr als 500 Protestler und 120 Polizisten zum Teil schwer | |
verletzt. | |
In der nächsten Sitzung des Innenausschusses wird Innensenator Neumann der | |
Opposition wohl Rede und Antwort stehen müssen. Ob er vom Coup der | |
Schill-Getreuen in der Polizeiführung wusste oder nicht: Was den | |
vergangenen Samstag angeht, hat er bereits Position bezogen. Schuld seien | |
die „kriminellen“ Demonstranten gewesen. | |
Ins Bild passt auch, was ein Pressefotograf auf der Eisenbahnbrücke | |
mitbekam: Als ein Stück die Straße hinunter, vor der Roten Flora, bereits | |
schwere Ausschreitungen tobten, habe ein Hamburger Einsatzleiter zu einem | |
Offizier der Bundespolizei gesagt: „Es läuft alles nach Plan.“ Schlachten | |
werden eben auf der Straße geschlagen. | |
27 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Magda Schneider | |
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