# taz.de -- Hintergründe zur Roten Flora: Streit um ehemaliges Schnäppchen | |
> Rote Flora: Die Geschichte eines Spekulationsobjekts. Auf welcher | |
> Rechtsgrundlage und von wem könnte es geräumt werden? | |
Bild: 2007: Die Rote Flora mit drei „Wannen“. | |
Der Konflikt um das seit 24 Jahren besetzte autonome Stadtteilzentrum Rote | |
Flora im Hamburger Schanzenviertel hat wieder an Brisanz gewonnen. Denn der | |
Besitzer Klausmartin Kretschmer hat inzwischen mit dem Immobilienberater | |
Gert Baer einen Global Player an seiner Seite und mit einer | |
US-Investmentfirma einen neuen Partner. | |
Eigentlich schien Kretschmer Anfang des Jahres schon als insolvent | |
abgeschrieben. In Verhandlungen mit dem SPD-Senat um das Rückkaufsrecht | |
2010 hatte er für die Immobile noch fünf Millionen Euro verlangt. Neun | |
Jahre zuvor, 2001, hatte er sie für 370.000 D-Mark vom rot-grünen Senat | |
unter der Vorgabe gekauft, das Areal als Kulturzentrum zu erhalten. Der | |
SPD-Senat war jedoch nur bereit, 1,2 Millionen Euro für den Verkehrswert | |
als Stadtteilzentrum zu berappen. | |
Um Kretschmer, der immer wieder mit Räumungs- und Krawallszenarien die | |
Öffentlichkeit aufschreckte, den Wind aus den Segeln zu nehmen, brachte der | |
Bezirk Hamburg-Altona interfraktionell einen neuen Bebauungsplan auf den | |
Weg, der die besetzte Flora festschreibt. | |
Doch unmittelbar vor Ablauf der Widerspruchsfrist stellten Kretschmer und | |
Baer im Oktober einen Bauvorantrag, das Areal zu einem Stadtteil- und | |
Veranstaltungszentrum mit einer Konzerthalle für bis zu 2.500 Besucher | |
umzubauen. Ein ähnliches Projekt gab es schon 1987, als das Varieté-Theater | |
Flora für das „Phantom der Oper“-Musical vorgesehen war und am Widerstand | |
der Region scheiterte – die Geburtsstunde der Roten Flora. Gleichzeitig | |
kündigten beide an, gegen den neuen Bebauungsplan bis zum Europäischen | |
Gerichtshof zu klagen. | |
Seitdem lassen Kretschmer und Baer keine Gelegenheit der medialen | |
Provokation aus. So stellten sie Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gegen | |
die HipHop-Gruppe Fettes Brot und verlangten von der Polizei das Konzert in | |
der Roten Flora zu verhindern. Öl ins Feuer gossen sie auch unmittelbar vor | |
der Demonstration am Samstag, indem sie die Nutzer aufforderten, das | |
Gebäude bis zum 20. Dezember zu räumen. Andernfalls werde ein Nutzungsgeld | |
von 25.000 Euro monatlich angemahnt. | |
Den Vorstoß von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz vor wenigen Tagen, die | |
Rote Flora für den damaligen Verkaufspreis zurücknehmen zu wollen, | |
verschmähte das Duo noch als „Aprilscherz“. Über ein neues Angebot, das d… | |
aktuellen Wert der Immobilie näher kommt, könnte Scholz allerdings noch mal | |
nachdenken. Kai von Appen | |
## Staat, Macht und Geld | |
Wann darf ein Eigentümer seine Immobilie räumen lassen? Und wann muss der | |
Staat ihm helfen? Überlegungen zu Eigentum und Allgemeinwohl: | |
Ein Eigentümer kann gekündigte Mieter und Hausbesetzer nicht einfach so von | |
der Polizei entfernen lassen. Er muss den Weg über die Gerichte gehen, die | |
seinen Anspruch prüfen – und mögliche Gegenansprüche der Leute, die sich in | |
der Immobilie aufhalten. Erst wenn der Eigentümer einen gerichtlichen | |
Räumungstitel in der Hand hat, kann er die Räumung auch tatsächlich | |
durchsetzen. Zuständig ist dafür ein Gerichtsvollzieher, der bei Bedarf die | |
Polizei um Unterstützung bitten kann. | |
Wenn Klausmartin Kretschmer, der Eigentümer der Roten Flora, darauf besteht | |
und erfolgreich durch alle Instanzen zieht, muss die Polizei das Gebäude am | |
Ende räumen. Ein Verzicht aus Rücksicht auf den Stadtfrieden und zur | |
Vermeidung gewalttätiger Auseinandersetzungen ist nicht dauerhaft möglich. | |
Ein Polizeieinsatz muss jedoch stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit | |
beachten. Das heißt die Polizei darf nicht „mit Kanonen auf Spatzen | |
schießen“. Das könnte dazu führen, dass in einer konkreten Situation ein | |
Polizeieinsatz zur Räumung abgebrochen wird, um eine Straßenschlacht mit | |
vielen Verletzten zu verhindern. | |
Im Einzelfall kann es auch zu einem „polizeilichen Notstand“ kommen. Die | |
Polizei kann einen Räumungseinsatz mangels ausreichender eigener Kräfte | |
verschieben, etwa weil zum geplanten Termin gleichzeitig noch ein | |
Fußballspiel zu sichern ist. Der Widerstand kann aber nur punktuell den | |
Verzicht auf Räumung rechtfertigen. Grundsätzlich muss die Polizei beim | |
nächsten Versuch mit ausreichenden Kräften und Ausrüstung vor Ort sein, um | |
die Räumung durchsetzen zu können. Bei Bedarf können Einheiten der | |
Bundespolizei oder aus anderen Bundesländern angefordert werden. | |
Dazu gibt es letztlich auch keine Alternative. Der Staat verlangt vom | |
Eigentümer, dass er sein Recht nicht mit einer Privatmiliz durchsetzt, | |
sondern das staatliche Gewaltmonopol akzeptiert. In der Folge muss der | |
Staat dann das Recht aber auch tatsächlich durchsetzen. Da das Eigentum ein | |
schwaches Grundrecht ist, kann der Staat dem Eigentümer über Bebauungspläne | |
und baurechtliche Veränderungssperren jedoch allerlei Beschränkungen | |
auferlegen. Im Interesse des „Allgemeinwohls“ sind sogar Enteignungen | |
möglich – wenn der Eigentümer sein Grundstück für ein Projekt von | |
öffentlichem Interesse nicht freiwillig verkaufen will. Auch darüber könnte | |
der Senat nachdenken. Christian Rath | |
22 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
Christian Rath | |
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